Bislang existieren keine Biomarker, die eine Endometriose eindeutig diagnostizieren, und oft vergehen Jahre bis zur endgültigen Diagnosestellung – gerade in Deutschland. Wir plädieren für eine häufigere klinisch orientierte Diagnostik anstelle der primär chirurgischen Variante.
Endometriose wird typischerweise durch ihre Histologie definiert. Basierend auf Lage und Tiefe werden Läsionen weiter als oberflächliche Peritonealläsionen, Ovarialendometriom oder als tief infiltrierende Endometriose (TIE) beschrieben. Das Vorhandensein von Läsionen schließt jedoch andere Ursachen für die Symptome der Patientin nicht aus, umgekehrt schließt das Fehlen offensichtlicher Läsionen die Möglichkeit einer Endometriose nicht aus. Darüber hinaus besteht kaum eine Korrelation zwischen Symptomen und Schweregrad oder Ausmaß der Erkrankung.[1]
Die fast schon übliche Verzögerung der Diagnose hat für die Patientinnen nachteilige Auswirkungen auf die Lebensqualität und ist auch für die Arzt-Patientinnen-Beziehung belastend.[2]
Aus klinischer Sicht kann Endometriose besser als menstruationszyklusabhängige, chronische, entzündliche, systemische Erkrankung definiert werden, die häufig in Form von Beckenschmerzen auftritt. Der Übergang von einer histologischen zu einer klinischen Definition öffnet die Tür zu einem anderen Diagnoseansatz, bei dem die Symptome und ihre Ursachen über das Vorhandensein oder Fehlen von Läsionen hervorgehoben werden und der in Zukunft möglicherweise durch spezifische, nicht invasive Krankheitsbiomarker validiert wird. Die Anamnese wird ergänzt durch eine gynäkologische Untersuchung mit Spekulumeinstellung unter Inspektion insbesondere auch des Fornix posterior vaginae (zweiblättrige Spekula verwenden), durch bimanuelle vaginale und rektovaginale Palpation sowie transvaginale und ggf. abdominale Sonografie ergänzt. Das derzeitige auch in Deutschland noch weitverbreitete diagnostische Paradigma erfordert eine Laparoskopie mit oder ohne histologische Überprüfung als Goldstandard, obwohl viele internationale Leitlinien die empirische Behandlung von Symptomen befürworten, bevor eine endgültige chirurgische Diagnose gestellt wird.[3]
Vor allem die Leitlinien des britischen National Institute for Health and Care Excellence haben hier den Mut zu einem kompletten Wandel, bei dem die empirische Therapie der Laparoskopie zur Diagnose vorangestellt wird, sofern die Fertilität keine Priorität hat.[4]
Aus gutem Grund. Obwohl die Laparoskopie auch unbestrittene Vorteile hat, müssen Effizienz, Risiken und Kosten neu bewertet werden. Die schlechte Korrelation zwischen den berichteten Symptomen und dem Ausmaß der per Laparoskopie festgestellten Erkrankung verdeutlicht die Grenzen der chirurgischen Beurteilung.[5] Die visuelle Identifizierung von Läsionen wird durch das heterogene Auftreten von Läsionen infrage gestellt, vor allem bei unzugänglichen Läsionsstellen.[6]
Um einen einheitlichen, praktischen Ansatz für die klinische Diagnose der Endometriose zu bieten, hat eine internationale Arbeitsgruppe einen Algorithmus auf Basis der verfügbaren Literatur und klinischer Erfahrung entwickelt (Abb.).[7] Die im vorgeschlagenen Algorithmus verwendeten Techniken sind auch im niedergelassenen Bereich leicht umsetzbar. Für jeden Schritt enthält er Befunde, die auf eine Endometriose hinweisen und solche, die eher für eine alternative Diagnose sprechen. Im Allgemeinen deuten persistierende oder progrediente Unterleibsschmerzen sowie die 4D-Symptome (Dysmenorrhoe, Dysurie, Dyschezie, Dyspareunie) auf eine Endometriose hin.
Die weiterführende Diagnostik bei vermuteter urologischer Organbeteiligung, Darmbeteiligung, Beteiligung der pelvinen Nerven, bei extrapelviner und multifokaler TIE oder bei Adenomyosis beinhaltet dann[8]:
• MRT der Beckenorgane und Harnwege,
• Zystoskopie, ggf. Nierenszintigrafie,
• Rektosigmoidoskopie,
• rektale Endosonografie sowie
• komplette Koloskopie (bei rektalen Blutungen).
Diese Verfahren dienen insbesondere der Planung einer Operation und sind nicht obligat durchzuführen. Insbesondere bei Adenomyose ist bereits die Kombination aus Klinik und transvaginaler Sonografie, ggf. ergänzt durch Dopplersonografie und Elastografie, ausreichend aussagekräftig.[9]
SERIE: Endometriose
Teil I: Pathologie und molekulare Grundlagen der Endometriose
>> Teil II: Klinische Diagnose der Endometriose <<
Teil III: Therapie der Peritonealendometriose
Teil IV: Therapie der Ovarialendometriose
Teil V: Therapie der tiefinfiltrierenden und extragenitalen Endometriose
Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal
Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE
Literatur beim Autor
Bildnachweis: TarapongS Medizinserie (iStockphoto)