Durch die flächendeckende Verfügbarkeit von reproduktionsmedizinischen Maßnahmen hat die Fertilitätschirurgie in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren. Doch entsprechend den internationalen Leitlinien spielt sie auch bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) eine wichtige Rolle, und die Indikationen dazu sollten jedem Gynäkologen bekannt sein, um die Kinderwunschpatientinnen adäquat beraten zu können.
In der Vor-IVF-Ära waren z. B. mikrochirurgische Tubenoperationen noch eine häufig verbreitete Methode, insbesondere zur Beseitigung einer tubaren Sterilität. Aber auch im Zeitalter der IVF spielt die Fertilitätschirurgie noch eine große Rolle. Hier geht es nicht nur um die Beseitigung von Tubenverschlüssen, auch die Behandlung von Myomen, Endometriose und polyzystischem Ovar (PCO)-Syndrom sind relevant. Im Zusammenhang mit einer geplanten IVF-Behandlung spielt die hysteroskopisch intrauterine Chirurgie eine große Rolle, beispielsweise die Myomresektion, die Septumdissektion oder die intrauterine Adhäsiolyse. Bei welchen Indikationen ist die Fertilitätschirurgie heute noch relevant?
• Rekonstruktion von Tuben (distale und proximale Tubenverschlüsse, Refertilisierung)
• Myomchirurgie (hysteroskopisch, laparoskopisch, per Laparotomie oder mit alternativen Verfahren wie der transzervikalen Radiofrequenzablation)
• Endometriosechirurgie (bei ovarieller, peritonealer oder tief infiltrierender Endometriose)
• Therapie des PCO-Syndroms (Vaporisation der Ovarien)
• Therapie von Uterusfehlbildungen (Uterus septus, Uterus bicornis oder Uterus unicornis)
• hysteroskopische Therapie von intrauterinen Adhäsionen
Die Tubenchirurgie ist die klassische Domäne der Fertilitätschirurgie. Mögliche chirurgische Optionen sind beim proximalen Verschluss die Tubenanastomose oder Tubenimplantation, bei distalen Verschlüssen die Fimbrioplastik bei noch vorhandenen Fimbrientrichtern oder die Salpingoneostomie (Neuschaffung eines Fimbrientrichters). Während früher die Domäne der Tubenchirurgie mikrochirurgische Operationen waren, kann heute ein Großteil der Operationen per Laparoskopie durchgeführt werden. Dies betrifft vor allem die Operation distaler Tubenverschlüsse (Fimbrioplastik oder Salpingoneostomie) sowie die Durchführung von Refertilisierungsoperationen (Abb. 1). Beidseitige proximale Tubenverschlüsse aufgrund entzündlicher Erkrankungen oder einer Salpingitis isthmica nodosa sind heute eher eine Domäne der IVF-Behandlung. Ist ausschließlich der Tubenverschluss das Problem, sind die Erfolgsraten der Tubenchirurgie gerade bei jüngeren Patientinnen oft höher als die Ergebnisse einer IVF-Behandlung. Allerdings hat die Tubenchirurgie an Bedeutung verloren, weil natürlich aufgrund des höheren Alters der Patientin bei Kinderwunsch oft andrologische Subfertilität und weitere Kofaktoren hinzukommen, die dann eine IVF-Indikation ergeben. Insofern ist eine individuelle Therapieentscheidung zu treffen, da eine Rekonstruktion der Tuben nur sinnvoll ist, wenn dann auch alle anderen Voraussetzungen für eine Spontankonzeption gegeben sind. Exzellente Resultate der Tubenchirurgie werden mit der Refertilisierung nach Sterilisation erzielt. Diese kann in über 90 % der Fälle als ambulanter laparoskopischer Eingriff durchgeführt werden, was für die Patientin besonders relevant ist, da die Kosten dafür selbst getragen werden müssen. Entscheidend für den Erfolg der Refertilisierung ist, dass noch eine ausreichende Tubenlänge vorhanden ist (mindestens 4 cm). Schwierig ist die Situation, wenn bereits im Zuge der zuvor erfolgten Sterilisatio (meist bei Sectiones) ausgedehnt Tubengewebe reseziert oder die Sterilisatio sehr uterusnah durchgeführt wurde, sodass eine Implantation der Tube erforderlich wird. Dann ist doch eine Minilaparotomie mit mikrochirurgischer Tubenrekonstruktion mittels Mikroskop oder Lupenbrille nötig (Abb. 2).
Der Zusammenhang von Myomen und Infertilität hängt vor allem von der Lage und Größe der Myome ab. Insbesondere submuköse und intramurale, cavumnahe Myome (FIGO 0–3) haben einen negativen Einfluss auf die Fertilität, es wird von höheren Abortraten berichtet. Durch die hysteroskopische Resektion von submukösen Myomen wird die Abortrate signifikant gesenkt und die Lebendgeburtrate erhöht (Abb. 3). Schwieriger stellt sich die Situation bei intramuralen Myomen dar. Entscheidend dürfte dabei die Nähe zum Endometrium sein, ggf. kann ein Tubenverschluss entstehen. Daten zeigen, dass intramurale Myome ab einer Größe von 2,8 cm das Outcome einer IVF-Behandlung negativ beeinflussen. Bei intramuralen Myomen ist daher die Indikation zur Myomenukleation sehr kritisch zu stellen, da es hier oft zu einer Kontinuitätsdurchtrennung des Myometriums kommt und daher nach der Myomenukleation entsprechende Wartezeiten bzgl. der Konzeption von drei bis sechs Monaten einzuhalten sind, und nach einer Eröffnung des Uteruscavums auch eine primäre Sectio erforderlich wird. Subseröse Myome beeinflussen die Fertilität kaum. Hier besteht meist eher eine Indikation wegen der Symptomatik oder möglicher Probleme in der Schwangerschaft oder bei der Entbindung bei großen Myomen. Bei transmuralen oder multiplen Myomen ist ggf. eine Laparotomie zur Uterusrekonstruktion erforderlich, um spätere Uterusrupturen zu vermeiden (Abb. 4). In einer weiteren Studie wurde sogar ein Durchmesser von 1,5 cm als Fertilitätsbeeinträchtigung für die IVF identifiziert. Die Myomchirurgie bedarf daher einer sehr sorgfältigen Indikationsstellung und einer Nutzen-Risiko-Abwägung. Bei submukösen Myomen scheint eine operative Resektion selbst bei asymptomatischen Patientinnen sinnvoll. Die OP sollte möglichst endometriumschonend erfolgen, um postoperative intrauterine Adhäsionen zu vermeiden.
Endometriose-Patientinnen sind in den meisten Fällen symptomatisch, sodass schon aus diesem Grund oft operiert werden muss. Bei einer Peritonealendometriose im Stadium I und II gibt es Hinweise, dass sich die Fertilitätsrate durch die Resektion der Peritonealendometriose verdoppelt (Abb. 5). Bei der Behandlung von Endometriosezysten ist die Exzision den rein ablativen Verfahren im Sinne einer um den Faktor 5 erhöhten postoperativen Spontanschwangerschaftsrate überlegen. Trotzdem ist die Indikation auch bei Endometriosezysten kritisch zu stellen, insbesondere bei jüngeren Patientinnen oder wiederholten Operationen, da es hier zu einer Reduktion der ovariellen Reserve kommen kann. Insofern hängt die Indikation zur Operation davon ab, inwieweit eine Symptomatik besteht oder die Endometriome beispielsweise die Punktion im Zuge der IVF erschweren. In allen Fällen mit zusätzlich unklaren Ultraschallbefunden oder erhöhten Tumormarkern ist natürlich eine Operation indiziert. Bei der tief infiltrierenden Endometriose ist die Datenlage widersprüchlich. Einige Studien zeigen hier nach der Entfernung eine nicht signifikant verbesserte Schwangerschaftsrate. Dem steht das hohe OP-Risiko bei einer tief infiltrierenden Endometriose gegenüber, das auch mit erhöhten Risiken bei einer nachfolgenden Entbindung verbunden ist. Daher sollte besonders bei tief infiltrierenden Endometriosen die Indikation zur Operation kritisch gestellt werden. Nur bei sehr starker Symptomatik oder einer Obstruktion von Darm oder Ureter muss operiert werden. Die Endometriosechirurgie ergibt sich oft aus der Beschwerdesymptomatik der Patientin. In vielen Fällen profitieren die Patientinnen dann auch von einer Verbesserung der Fertilität. Der Zusammenhang zwischen Endometriose und Fertilität wurde ausführlich in der Ausgabe 6/2020 von DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE besprochen.
Viele Jahre galt die chirurgische Therapie des PCO-Syndroms als Goldstandard. Während vor einigen Jahrzehnten noch Keilexzisionen des Ovars durchgeführt wurden, die allerdings eine Störung der ovariellen Reserve und vor allem periovarielle Adhäsionen zur Folge hatten, ist das laparoskopische Ovardrilling heute ein Standardverfahren. Dadurch können spontan ovulatorische Zyklen, aber auch die Stimulierbarkeit verbessert werden. Die Studienlage zu diesem Thema ist relativ gering. In der Regel stellt ein PCO-Syndrom keine alleinige Indikation für das laparoskopische Ovardrilling dar. Bei Vorliegen eines PCO-Syndroms kann aber im Zuge von anderen OP-Indikationen (z. B. Endometriose oder Myome) ein Ovardrilling miterfolgen (Abb. 6).
Von den Uterusfehlbildungen sind drei Formen für die Fertilitätschirurgie relevant: Uterus subseptus, Uterus bicornis und Uterus unicornis. Beim Uterus unicornis besteht eine Indikation für ein operatives Vorgehen, wenn ein rudimentäres Horn ohne Anschluss an das eigentliche Cavum vorliegt und dies durch eine retrograde Menstruation oder Hämatometra in diesem Horn zu Beschwerden und zu Endometriose führt. Dann kann im Zuge der Laparoskopie eine Resektion des rudimentären Horns erfolgen (Abb. 7).
In Einzelfällen gelingt auch hysteroskopisch die Eröffnung eines Horns mit Anschluss an das Cavum, um die Hämatometra und die retrograde Menstruation zu vermeiden. Beim Uterus bicornis besteht meist keine primäre Indikation zur Therapie. Nur im Falle wiederholter Aborte (> 2 Aborte) kann eine Metroplastik bei der Patientin diskutiert werden. Diese wird heute in Zentren auch laparoskopisch mit großem Erfolg durchgeführt (Abb. 8, 9 und 10).
Dadurch kann die Abortrate reduziert werden und es kommt zur Austragung der Schwangerschaft. In jedem Fall ist hier später eine primäre Sectio erforderlich. Die häufigste und relevanteste Form ist der Uterus subseptus mit einer erhöhten Rate an Aborten, die eine hysteroskopische Septumdissektion indiziert (Abb. 11). Die Rate an Aborten kann nach Metaanalysen dadurch von 85 % auf 10 % gesenkt werden. Umgekehrt kommt es zu einem Anstieg der Lebendgeburtrate von 10 % auf 80 %. Während die Methode früher ausschließlich bei habituellen Aborten angewendet wurde, operiert man heute durch den vereinfachten hysteroskopischen Zugangsweg bei Kinderwunschpatientinnen auch ein Septum bereits primär, um Aborte zu vermeiden. Allerdings ist die Studienlage hier nicht eindeutig. Es gibt Hinweise, dass eine Septumdissektion auch bei idiopathischer Sterilität die Schwangerschaftsrate verbessert. Nach hysteroskopischen Septumdissektionen wird je nach Ausdehnung des Befundes eine postoperative Adhäsionsprophylaxe empfohlen, z. B. durch Einlage von Hyaluronsäure und eines Kupfer-IUD sowie einer Estrogenisierung.
Intrauterine Adhäsionen sind in über 90 % iatrogen bedingt, meist im Zusammenhang mit vorangegangenen Eingriffen (postpartale Abrasio, Abortcurettagen oder intrauterine Eingriffe wie die Myomresektion). Das Fritsch-Asherman-Syndrom stellt das Vollbild der intrauterinen Adhäsionen dar (ESGE Grad 4). Typisches klinisches Zeichen ist eine sekundäre Amenorrhoe. Bei Patientinnen, bei denen im Zusammenhang mit intrauterinen Eingriffen eine Hypo- oder Amenorrhoe eingetreten ist, sollte frühzeitig an intrauterine Adhäsionen gedacht werden. Meist lässt sich dann das Endometrium sonografisch nur bruchstückhaft darstellen. In diesen Fällen kann zunächst eine Stimulation des Endometriums mit Estrogenen erfolgen, um zu sehen, ob stimulierbare Endometriumreste vorhanden sind. Die intrauterine Adhäsiolyse stellt den schwierigsten hysteroskopischen Eingriff dar (Abb. 12) und sollte in speziellen Zentren durchgeführt werden. Nach der Operation von intrauterinen Adhäsionen der Grade 3 und 4 ist eine postoperative Adhäsionsprophylaxe mit der Einlage eines IUD sowie Hyaluronsäure und einer Estrogenisierung (z. B. sequenziell 21 Tage 4 mg Estradiol + 12 Tage 2 mg CMA) obligatorisch. Nach drei Monaten erfolgt dann die Kontroll-Hysteroskopie mit IUD-Extraktion, ggf. die Re-Adhäsiolyse. In Abhängigkeit von der Tubendurchgängigkeit kann schließlich entschieden werden, ob die Patientin spontan schwanger werden kann oder einer IVF zugeführt werden sollte. Auf jeden Fall sollte in dieser Situation die Schwangerschaft zeitnah nach der Rekonstruktion des Cavums erfolgen, da bei intrauterinen Adhäsionen der Grade 3 und 4 ein sehr hohes Risiko für eine Re-Okklusion des Cavums besteht.
FAZIT:
Die Fertilitätschirurgie hat nach wie vor ihre Berechtigung – sie stellt kein konkurrierendes, sondern ein ergänzendes Verfahren zur IVF dar. In vielen Situationen ist die Fertilitätschirurgie im Zusammenhang mit einer späteren IVF-Behandlung erforderlich, z. B. für die Rekonstruktion des Cavums (Myomresektion, intrauterine Adhäsiolyse, Septumdissektion oder Endometriosechirurgie). In einigen Situationen ist die Tubenchirurgie (insbesondere bei Refertilisierungen) entsprechend den internationalen Leitlinien der IVF vorzuziehen, wenn alle Voraussetzungen gegeben sind. Auch im Zeitalter etablierter reproduktionsmedizinischer Methoden spielt die Fertilitätschirurgie eine wichtige Rolle, und die Indikationen dazu sollten jedem Gynäkologen bekannt sein, um die Kinderwunschpatientinnen adäquat beraten zu können.
Der Autor
Prof. Dr. med. Thomas Römer
Chefarzt der Frauenklinik in Köln-Weyertal
Herausgeber des Journals DER PRIVATARZT GYNÄKOLOGIE
Literatur beim Autor
Bildnachweis: Veleri (iStockphoto); Prof. Dr. med. Thomas Römer; privat