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Fokus Naturmedizin

Phytotherapie

Wasserdost, Kapuzinerkresse und Meerrettich stimulieren das Immunsystem und wirken antiviral

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

Wasserdost, Kapuzinerkresse und Meerrettich werden als Küchenkraut verwendet. Sie enthalten spezielle Wirkstoffe: Eupatorin aus Wasserdost hemmt die Anheftung von Influenza-A-Viren; das kressetypische Glucotropaeolin stimuliert das Immunsystem und Meerrettich-Glucosinolate wirken entzündungshemmend.

Eupatorium perfoliatum, der Wasserdost oder Wasserhanf, ist eine heimische Pflanze aus der Familie der Korbblütler. Die rosafarbenen Blütendolden ähneln den Baldrianblüten, die langen, gezahnten Blätter denen der Hanfpflanze. Wasserdost enthält neben ätherischen Ölen und Bitterstoffen das Flavonoid Eupatorin. Dieses wirkt immunstärkend, ­fieber­senkend und entzündungshemmend. Der Mechanismus dahinter: Die Signale der Entzündungsmediatoren werden abgeschwächt, gleichzeitig wird deren Bildung gehemmt. Wie eine Untersuchung [1] zeigte, schützten wässrig-alkoholische Auszüge aus den oberirdischen Teilen von Eupatorium perfoliatum und seine hauptsächlich aktiven phenolischen Komponenten verschiedene Zelltypen vor einer Infektion mit dem Influenza-A-Virus. Das geschah durch Hemmung der Virusanheftung auf der Oberfläche von caninen Nierenepithelzellen und interferierte mit der virusinduzierten Hämagglutination. Der Extrakt regulierte die Signalgebung über den epidermalen Wachstumsfaktor leicht hoch, wie in humanen Lungenepithelzellen festgestellt wurde. Damit scheinen die phenolischen Inhaltsstoffe eine vielversprechende Ergänzung der Wirkstoffe gegen Influenza zu sein, schlussfolgerten die Studienautoren [1]. Die verfügbaren klinischen Daten zu Eupatorium genügen jedoch nicht den Ansprüchen der Guten Klinischen Praxis. Es zeigten sich jedoch positive Tendenzen beim Einsatz des ethanolischen ­Extraktes bei Erkältungserkrankungen [2].


Komplexmittel bei grippalen Infekten

Wasserdost wird als homöopathisches Komplexmittel zur Immunstimulation eingesetzt. So beispielsweise in Kombination mit Indigolupine (Baptisia), Eisenhut (Aconitum) und Brechwurzel (Ipecacuanha). Ein Komplexmittel, das eine Urtinktur aus Eupatorium perfoliatum und Echinacea purpurea enthält, wird bei grippeähnlichen Beschwerden, Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und Husten empfohlen. Auch die Inhaltsstoffe aus dem Roten Sonnenhut wirken immunstimulierend und unterstützen die Granulozytenphagozytose. Ein weiteres Komplexmittel bei grippalem Infekt enthält Eupatorium und Eucalyptus, Gelsemium, Dulcamara und Phosphorus.

Als sicher erwies sich ein Komplexmittel aus Eupatorium perfoliatum, Echinacea angustifolia (schmalblättriger Sonnenhut), Aconitum napellus (Blauer Eisenhut) und Atropa belladonna (Belladonna), das bei akuten Atemwegsinfektionen bei Kindern und Erwachsenen eingesetzt wird. In der Beobachtungsstudie mit 1 050 jungen und älteren Patienten zeigte sich bei der Einnahme des Saftes eine Compliance von 84 % in allen Gruppen [3]. Insgesamt wurde der Behandlungseffekt bei 84,9 % der Patienten als „gut“ oder „sehr gut“ bezeichnet. Nebenwirkungen, die sich auf homöopathische Prinzipien bezogen, waren sehr gering. Die Ereignisse waren mild bis moderat und die Patienten erholten sich schnell [3]. Generell sollte beim Einsatz von Eupatorium eine mögliche Überempfindlichkeit gegenüber Korbblütlern beachten werden.


Lutein und SARS-CoV-Viren

Die wasserliebende Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) mit den schildförmigen Blättern und den langstieligen gelben und orangefarbenen Blüten stammt ursprünglich aus Peru. Nach Europa kam sie als Küchenkraut und Zierpflanze. Unter den Inhaltsstoffen sticht das antimikrobiell wirksame Glucotropaeolin besonders hervor. Im Magen-Darm-Trakt wird daraus nach enzymatischer Spaltung ein Senfölglykosid freigesetzt, das auch immunstimulierend wirkt. Senfölglykoside können die Haut sowie die Schleimhaut im Magen-Darm-Trakt reizen, sodass ein Presssaft aus Kapuzinerkresse nur niedrig dosiert verwendet werden sollte. Als homöopatisches Arzneimittel ist Tropaeolum in Form einer Dilution bzw. Urtiktur, als Globuli oder Tabletten verfügbar.

Der natürliche Farbstoff, der die Blüten leuchtend gelb färbt, ist Lutein. Das Carotinoid wird in einer Übersichtsarbeit aus Indien erwähnt, in welcher 24 höchst wirksame Naturstoffe aufgelistet sind, die eine Anti-SARS-CoV-Aktivität besitzen [4]. Die Moleküle wirken über verschiedenste Mechanismen, wie etwa Hemmung der Protease 3CLpro oder der Papain-ähnlichen Protease. Oder über Wechselwirkung mit dem S-Protein von SARS-CoV, dem Angiotensin Converting Enzyme 2, der Viruspolymerase, der Virusreplikation, sowie dem Anheften oder Eindringen des Virus. Das sei besonders interessant im Hinblick auf neue Wirkstoffe gegen COVID-19, bemerken die Studienautoren. SARS-CoV- und SARS-CoV-2-Viren ähneln sich nicht nur in den meisten Proteinen, sondern weisen auch eine fast 80%ige Übereinstimmung im Genom auf [4].


Antiinflammation bei Immunzellen

Glucosinolate, darunter der Hauptwirkstoff Sinigrin, finden sich auch in der fleischigen Wurzel des ­Meerrettichs, Armoracia rusticana radix. Auch hier entstehen nach enzymatischer Spaltung im Gastro­intestinaltrakt Senfölglykoside, die eine antimikrobielle Wirksamkeit besitzen. Die ­Meerrettichpflanze, die zu den Kohlgewächsen gehört, stammt ursprüng­­lich aus Südosteuropa und kam im Mittelalter nach Westeuropa. Viele Vertreter der Brassicaceae enthalten in ihren Blättern auch andere sekundäre Pflanzenstoffe, darunter große Mengen der Vitamine C, E und K, sowie Carotinoide und phenolische Komponenten [5]. Daneben auch die antientzündlich wirkenden Flavonoide Kaempferol und Quercetin. ­In Arzneispezialitäten wird Meerrettich mit den genuin vorliegenden Glucosinolaten eingesetzt, aus denen nach der Spaltung im Magen-Darm-Trakt die wirksamen Senföle freigesetzt werden. Gemeinsam mit der Kapuzinerkresse ist Meerrettich in homöopathischen Arzneispezialitäten vereinigt. Auch homöopathisch-spagyrische Komplexmittel mit Armoracia rusticana sind verfügbar.

Dass Meerrettich antientzündlich auf menschliche Immunzellen wirkt, wurde in einer Untersuchung festgestellt [6]. Die Wirkung beruhte auf der Regulation des Cyclooxygenase- und Lipoxygenase-Weges über die Mitogen-activated Protein Kinase(MAPK)- Signalgebung. Interessanterweise wurde diese Wirkung mit einem neuen, polaren Extrakt beobachtet, nicht aber mit dem bekannten Senföl. Der nicht näher definierte wässrige Extrakt hemmte im Experiment konzentrationsabhängig die Freisetzung von Tumornekrosefaktor-Alpha bei aktivierten mononukleären Zellen des peripheren Blutes. Das wurde durch Hemmung der Cyclooxygenase-2 Proteinexpression und der Synthese von Prostaglandin E2 sowie der Freisetzung von Leukotrien B4 gezeigt [6].


Kombiniert bei akuter Rhinosinusitis

Eine Kombination aus Tropaeolum und Armoriaca linderte die Symptome einer akuten unkomplizierten Rhinosinusitis und verbesserte damit die Lebensqualität, so das Ergebnis einer Studie der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel-Krankenhaus Berlin [7]. Die Phytokombination war sicher und wurde gut vertragen. In der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Multicenter-Studie kamen die Daten von 238 Patienten im Alter von 18 bis 75 Jahren zur Auswertung. Die Teilnehmer hatten 14 Tage lang 3 x 4 Tabletten täglich eingenommen. Eine Tablette enthielt entweder 80 mg Meerrettichwurzel-Pulver und 200 mg Kapuzinerkresse-Pulver oder ­Placebo. Mit einer 4-Punkte-Skala geben die Patienten täglich den Haupt-Rhinosinusitis Symptomscore (MRSSpat) an. Darin wurden die Manifestationen der Rhinosinusitis eingeschätzt (anteriore und posteriore Sekretion, nasale Kongestion, Kopfschmerzen und Gesichtsschmerz bzw. -druck). Bei drei der fünf Visiten wurde der Score von den Ärzten eingeschätzt (MRSSinv). Primärer Studienendpunkt war die Intensität der Symptomatik, angegeben als Mittel von MRSSinv/MRSSpat zwischen Tag 6 und 10, berechnet als Fläche unter der Kurve (AUC). Dieses war mit der Phytokombination signifikant niedriger als mit ­Placebo (3,60 vs. 4,40; p = 0,0018). Damit ergab sich für die Kombination auch eine signifikant kleinere Fläche unter der Kurve im Vergleich zu Placebo (14,99 bzw. 18,52; p = 0,0003). Eine deutliche ­Differenz bei MRSSinv/MRSSpat zeigte sich zwischen den ­Behandlungstagen 6 und 10. Ab Tag 6 waren die Unterschiede signifikant.

Die Responderraten in Visite 3 waren signifikant ­höher bei den Patienten, die die Phytokombi ­erhielten (92,1 % vs. 83,3 %; p = 0,0418). Bei dieser Visite hatten sich die Symptome anteriore Sekretion (p = 0,0235) und Kopfschmerz (p = 0,0486) stärker reduziert. Unerwünschte Wirkungen traten in 21,9 % bzw. 18,6 % auf, am häufigsten Kopfschmerzen und gastrointestinale Beschwerden [7].

DAS EXPERTENSTATEMENT

Dr. med. Rainer Stange

Fachabteilung für Innere Medizin und Naturheilkunde
Immanuel Krankenhaus Berlin-Wannsee
sowie Charité Universitätsmedizin Berlin


Schneller symptomfrei

Unsere Studie ist relativ groß und hat mittels der international bewährten Skala MRSS Patienten- wie Arztbeurteilung zusammengefasst. Danach kamen Patienten mit Verum etwa zwei Tage früher in die Symptomfreiheit als mit Placebo. Das ist zunächst für die Betroffenen erfreulich, lässt aber auch hoffen, dass man in zugegeben noch größeren Studien als Primärparameter Komplikationen wie eitrige Mittelohr- oder Nebenhöhlenentzündungen und den dann gerechtfertigten Einsatz von Antibiotika reduzieren kann.

FAZIT

Die Inhaltsstoffe von Wasserdost, Kapuzinerkresse und Meerrettich sind natürliche Mittel gegen Erkältungserkrankungen. Sie wirken immunstimulierend, antientzündlich und teilweise auch antiviral. Bei einer unkomplizierten Rhinosinusitis wird ein wachsames Abwarten („watchful waiting“) und eine symptomatische Behandlung empfohlen. Das kann mit einer Kombination aus Kapuzinerkresse und Meerrettich erfolgen. Diese reduzierte signifikant die Intensität der Manifestationen am siebten Behandlungstag. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die für die Patienten sehr unangenehme anteriore Sekretion und die Kopfschmerzen im Vergleich zu Placebo stärker reduziert [7].

1) Derksen A et al., J Ethnopharmacol 2016; 188: 144–152,  DOI 10.1016/j.jep.2016.05.016
2) Hensel A et al., J Ethnopharmacol 2011; 138: 641–651, DOI 10.1016/j.jep.2011.10.002
3) Michalsen A et al., Regul Toxicol Pharmacol 2015; 72: 179–184
4) www.researchgate.net/profile/Deepak Semwal/publication/344162991_Natural_molecules_having_anti-SARS-CoV_activity_-cannot_they_be_effective_against_SARS-CoV-2/links/5f57584692851c250b9d0a0d/Natural-molecules-having-anti-SARS-CoV-activity-cannot-they-be-effective-against-SARS-CoV-2.pdf
5) Di Gioia F et al., Antioxidants 2020; 9: 97, https://doi.org/10.3390/antiox9020097
6) Herz C et al.,Alternat Med 2017; 1950692, DOI 10.1155/2017/1950692
7) Albrecht U, Stange R et al., Journal of Current Medical Research and Opinion 2020; 3: 665–681, https://doi.org/10.15520/jcmro.v3i10.350

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