- Anzeige -
Fokus Naturmedizin

Sexuell übertragbare Erkrankungen

Phytotherapie – aktuelle Forschung und zukünftige Trends

Dr. rer. nat. Christine Reinecke

28.2.2025

Aus der traditionellen Medizin sind Pflanzen bekannt, die sich zur Behandlung von sexuell übertragbaren Erkrankungen eignen und gegen Treponema, Neisseria, Chlamydia oder Trichomonas wirken. Mit der Erforschung ihrer Inhaltsstoffe könnten neue Substanzen zur Verfügung stehen, die Resistenzen verhindern.

Sexuell übertragbare Infektionen (STI) nehmen zu. In Europa stiegen die Fälle im Jahr 2022 signifikant im Vergleich zum Vorjahr an: bei Gonorrhö um 48 %, bei Syphilis um 34 % und bei Chlamydien um 16 %, das berichtet das European Centre for Disease Prevention and Control. Auch ältere Menschen infizieren sich. So war 2023 in Deutschland mehr als jeder dritte Syphilis-Neuerkrankte über 45 Jahre alt. Bei HIV / AIDS sind die Erkrankungsraten konstant, das Syndrom steht aber weiterhin im Fokus.

Ergänzend zur Standardtherapie können naturheilkundliche Verfahren eingesetzt werden. Zum Beispiel ganzheitliche Systeme wie Naturmedizin, Homöopathie oder Ayurveda. Oder die Mind-Body-Medizin mit Meditation, Tai-Chi und Yoga. Die biologische Therapie umfasst Nahrungsergänzungen und Kräutersupplemente. Zu den manipulativen Praktiken gehören Massage, Chiropraktik und Osteopathie. Schließlich die energetischen Therapien mit Qigong, Reiki und therapeutischer Berührung. Diese wie auch die Body-Mind-Verfahren sind bei einer HIV-Infektion oder AIDS beliebt, da es hier keine Wechselwirkungen mit der antiretroviralen Medikation gibt. So ­wenden 50–70 % der HIV-positiven Personen in Nordamerika komplementäre Verfahren an [1].

Natürlich unterstützen bei HIV / AIDS

Wie naturheilkundliche Verfahren bei einer HIV-­Infektion oder AIDS-Erkrankung wirken, zeigte eine Fallserie aus Indien mit 7 stationären Patienten. ­Diese erhielten über durchschnittlich 12 Tage eine naturheilkundliche und Yoga-basierte Intervention. Ähnlich wie eine adjuvante Therapie ergänzte das die Standardversorgung, verbesserte die Therapieadhärenz und förderte gesundheitsbezogene Ergebnisse. Das zeigte sich an den typischen Markern Hämoglobin, Gewicht und CD4+-T-Zellen, die bei ­allen Teilnehmern anstiegen. Fatigue und Schmerzen verbesserten sich und das Selbstvertrauen der ­Patienten wuchs [2].

In vielen Regionen der Welt werden zudem tradi­tionell Heilpflanzen eingesetzt. Wissenschaftlich erforscht werden die Pflanzen und ihre Inhaltsstoffe vor allem in Mesoamerika, im südlichen Afrika, auf der arabischen Halbinsel und in Asien.

Phytoextrakte bei Syphilis

Tabernaemontana, ein Hundsgiftgewächs, ist in den Tropen und Subtropen heimisch. In China, Malaysia, Thailand und Bangladesch werden Teile von ­T. corymbosa als Umschlag, Saft, Abkochung oder Aufguss auch zur Behandlung von Ulzerationen, zur nachgeburtlichen Erholung sowie bei Syphilis, Fieber und Orchitis eingesetzt. Wie in einem Review aus Malaysia berichtet, ist der Effekt v. a. auf die bioaktiven, alkaloidhaltigen Inhaltsstoffe zurückzuführen, aber auch auf Phenole, Saponine und Sterole. Die Stoffe wirken antimikrobiell, analgetisch, anthelmintisch, vasodilatierend, antiviral und zytotoxisch [3].

Spezies aus Sub-Sahara gegen Gonokokken

Botaniker aus Südafrika untersuchten diverse Pflanzenextrakte gegen 6 klinisch relevante Pilzstämme sowie gegen N. gonorrhoeae. Dazu bestimmten sie die Hemmzonen und identifizierten Alkaloide, ­Steroide, Glykoside, Terpene, Flavonoide, Tannine und Saponine als wirksame Inhaltsstoffe. Die meisten Substanzen wurden von Extrakten aus Senna didymobotrya und Ricinus communis gebildet. Dieses Wolfsmilchgewächs zeigte gemeinsam mit ­Catharanthus roseus, einem Enziangewächs, und Opuntia ficus-indica, dem Feigenkaktus, eine ­moderate bis gute Antigonokokken-Aktivität mit mehr als 63 % Hemmung. Den In-vitro-Tests sollten pharmakologische Studien und eine Charakterisierung der aktiven Substanzen folgen, so das Resümee [4].

Effektive Fruchtsäure

Gegen multiresistente Bakterien, die Harnwegsinfekte oder sexuell übertragbare Erkrankungen bei indigenen Frauen auslösen, wirken die Säfte bestimmter Früchte. Wie eine Studie aus Indien verdeutlicht, zeigte Zitronensaft und der Saft von Amla, der indischen Stachelbeere, die höchste Aktivität gegen Neisseria, Klebsiella, Escherichia coli, Pseudomonas, Ureaplasma und Proteus. Für die antibakterielle Aktivität von Zitronensaft könnte der niedrige pH-Wert verantwortlich sein. Amlasaft dagegen enthält von allen untersuchten Fruchtsäften (Orange, Granatapfel, Kiwi, Mosambi) am meisten Ascorbinsäure. Wie genau Zitronen-, Amla- und Ananassaft gegen pathogene Bakterien wirken, ist noch nicht vollständig geklärt. Der kritische Schritt einer Infektion ist jedoch die Adhäsion an die Zelloberfläche des Wirtes. Dieser Kontakt könnte durch die saftspezifischen Inhaltsstoffe gehemmt werden. Möglicherweise geschieht das, indem die Oberflächenstruktur der Zelle verändert wird, sodass die bakterieneigenen Pili, Adhäsine und Biofilme keine Chance haben, sich anzuheften (Abb.). Fruchtsäfte sind kostengünstig, sicher in der Anwendung und leicht verfügbar und wirken antibakteriell bei Harnwegsinfekten und STI, so die Wissenschaftler [5].

Chlamydien und das Pro-Drug Spilanthol

Chlamydia trachomatis ist ein intrazellulär lebendes Bakterium, das auf die Energieproduktion der Wirtszelle angewiesen ist. Spilanthes oleracea, die Parakresse, bildet in ihren Blütenköpfchen ein ätherisches Öl mit Spilanthol, das adstringierend, antimikrobiell und antiphlogistisch wirkt. Wie eine Übersichtsarbeit zeigte, agiert Spilanthol wie ein Pro-Drug: Es wird in der Wirtszelle zum Endoperoxid umgewandelt, welches das mitochondriale Protein Peroxi­redoxin 3 hemmt und damit die Energiegewinnung in der Zelle stoppt. Das verhindert das Wachstum von C. trachomatis. Der mitochondriale Redoxstatus könnte die Achillesferse für Prävention und mögliche Therapie sein, so das Team aus den USA und Brasilien. In Zukunft könnten sich Spilanthol oder Spilanthol-Endoperoxid als natürliche Wirkstoffe mit Anti-Chlamydien-Wirksamkeit etablieren, wobei das Endoperoxid als Grundgerüst für die Entwicklung neuer, selektiver Peroxiredoxin-Inhibitoren dienen könnte [6].

Natursubstanzen mit Anti-Trichomonas-Aktivität

Trichomonaden sind begeißelte Protozoen, die parasitisch in der Urogenitalschleimhaut leben. In einer In-vitro-Untersuchung wurden Trichomonaden mit α-Pinen (aus Pinien) and Tanninsäure (aus den Galläpfeln verschiedener Pflanzen) inkubiert. Beide ­Naturstoffe hemmten die Zellkultur der Protozoen nach 48 Stunden signifikant. In der Durchflusszytometrie zeigte sich, dass die Apoptose nach 24 Stunden induziert wurde. Die apototische Wirkung war konzentrationsabhängig (5,2–36,6 % Apoptose bei α-Pinen und 6,1–53,8 % Apoptose bei Tanninsäure). Nun sind In-vivo-Studien nötig, um die Wirkung der Sub­stanzen auf Trichomonas vaginalis umfassend zu klären [7].

Eine internationale Forschergruppe ermittelte systematisch verschiedene Medizinpflanzen und Phytochemicals, die gegen Trichomonaden wirksam sind. In vitro bzw. in vivo waren das unter anderem: Kurkuma (Kurkumin), Weintrauben (Resveratrol), Aloe vera und der Vielblütige Knöterich (Emodin), Dortenia und ­Rhabarber (Quercetin), Amaryllisgewächse (Lycorin), das Ingwergewächs Amomum (Geraniol), Beta-Glykoside, Di- und Triterpene aus Platanus acerifolia und Malus domestica, dazu Saponine aus Passiflora und essenzielle Öle aus Lavandula. Außerdem bekannte Nutzpflanzen wie Eukalyptus, Carica papaya und ­Cocos nucifera. Die chemischen Leitstrukturen könnten Matritzen für die Entwicklung neuer Arzneimittel sein, die sich durch eine sehr gute Verträglichkeit auszeichnen, so das Fazit des Reviews [8].

Interessante Pflanzen für die weitere Forschung

Der Nesselbaum (Celtis L.) aus der Familie der Hanfgewächse wird in Bangladesch traditionell verwendet, um Schmerzen, Fieber, STI, sexuelle Schwäche, ­Amenorrhö und Menstruationsbeschwerden zu ­behandeln. Als pharmakologisch interessant er­wiesen sich 14 Spezies. Diese enthielten Phytochemicals wie Amide, organische Säuren, Terpenoide, Flavonoide und flüchtige Ester. Besonders gut untersucht waren 3 Arten: C. auralis, C. africana und C. tournefortii. Die Extrakte aus Blättern, Samen und Früchten von C. australis sowie die Substanzen ­Kaempherol, ­Myricetin, Quercetin und Eugenol zeigten in vorläufigen Tests eine starke antibakterielle Wirksamkeit, auch gegenüber resistenten Stämmen; sie wirkten zudem antiinflammatorisch und antikanzerogen und hemmten die bakterielle Urease. Wie die Pharmazeutengruppe aus Dhaka (Bangladesch) resümierte, sei ein zukünftiger Einsatz als Leitsub­stanzen und Nutraceuticals vorstellbar [9].

Im ländlichen Pakistan werden bei Frauenkrankheiten auch Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) eingesetzt. Verwendet werden Blätter, Samen und ganze Pflanzen, um beispielsweise die Gonorrhö zu behandeln, aber auch Blutungen nach der Geburt und Brustentzündungen. Wie in einem Übersichtsartikel beschrieben, dominieren bei Nachtschattengewächsen die bioaktiven Komponenten Solanin, Solasonin und Tomatin. ­Damit öffne sich das Tor für die Entwicklung von ­neuen Arzneimitteln aus natürlichen Substanzen, so die internationale Arbeitsgruppe [10].

In den Ländern der Sub-Sahara, in denen STI-Infektionen ein bedeutendes Gesundheitsproblem darstellen, gibt es zugleich ein großes tradiertes Wissen über Heilpflanzen. Wie eine Literaturrecherche eines Teams aus Johannesburg (Südafrika) zeigte, stehen bei STI die Schmetterlingsblütler (Fabaceae mit ­Bohnen und Erbsen) an erster Stelle, danach die Korbblütler (Asteraceae mit Ringelblume, Mariendistel oder Rotem Sonnenhut) und die Nachtschattengewächse (Solanaceae mit Tollkirsche, Nachtschatten oder Stechapfel). Häufig im Zusammenhang mit STI erwähnt werden Catharanthus roseus, ein Enziangewächs, und das Johannisbrotgewächs ­Peltophorum africanum, das Betulinsäure enthält, die die reverse Transkriptase von HIV-1 hemmt. Gegen Syphilis sowie Gonorrhö und gegen opportunistische Infektionen bei HIV / AIDS werden Pflanzenkombinationen eingesetzt. Da die Mischungen nicht offiziell vertrieben werden, ist eine Quantifizierung jedoch schwierig [11].

Aus der Ethnobotanik sind Medizinalpflanzen gegen STI bekannt, die nun auch wissenschaftlich untersucht werden. Mit der Analyse der wirksamen Inhaltsstoffe werden in Zukunft pharmakologische Untersuchungen und klinische Studien folgen. Möglicherweise lassen sich so neue Arzneimittel gewinnen, die ihren Ursprung in der Natur haben und therapeutischer Bestandteil in traditionellen Kulturen sind.

Die Autorin

Dr. rer. nat. Christine Reinecke
70378 Stuttgart

dres.reinecke@t-online.de
www.hello-biology.com

Dr. Christine Reinecke ist promovierte Diplom-Biologin und ­seit über 25 Jahren freiberufliche Autorin zahlreicher Publikationen der Naturheilkunde, Medizin und Pharmazie

  1. Bremner M et al., JBI Database System Rev Implement Rep 2015; 13: 41–9
  2. Nair PMK, Explore (NY) 2019; 15: 291–4
  3. Abubakar IB et al., J Pharmacol 2016; 68: 423–32
  4. Maema LP et al., J Complement Integr Med 2020; 17: 20190087
  5. Sharma P et al., J Pharmacopuncture 2023; 26: 265–75
  6. Dushime R et al., Antioxidants (Basel) 2020; 9: 1220
  7. Moradi M et al., Iran J Parasitol 2024; 19: 18–27
  8. Hashemi N et al., Int J Parasitol 2021; 15: 92–104
  9. Samadd A et al., Heliyon 2024; 10: e29707
  10. Khadim S et al., Heliyon 2024; 10: e34869
  11. Mongalo NI et al., Plants 2022; 11: 3241
Lesen Sie mehr und loggen Sie sich jetzt mit Ihrem DocCheck-Daten ein.
Der weitere Inhalt ist Fachkreisen vorbehalten. Bitte authentifizieren Sie sich mittels DocCheck.
- Anzeige -

Das könnte Sie auch interessieren

123-nicht-eingeloggt