Die Ernährung beeinflusst die Bakterienvielfalt im Darm. Förderlich wirken unverdauliche Kohlenhydrate, Pflanzenproteine, ungesättigte Fette, Probiotika und Polyphenole – also die typischen Komponenten der Mittelmeerdiät. Diese begünstigt Spezies, die entzündungshemmende Fettsäuren bilden.
Unglaubliche 10[14] Bakterien, Viren, Pilze und Protozoen besiedeln den distalen Teil des Darmtraktes. Das ergibt eine Biomasse von 10[11] Zellen pro Gramm Darminhalt. Von allen Mikroorganismen sind die Bakterien besonders gut untersucht, denn sie bilden aus der verdauten Nahrung spezielle Stoffwechselprodukte. Die Bakteriengemeinschaft – die Mikrobiota – besteht aus wenigen Stämmen, mehreren Gattungen und einer großen Vielfalt an Arten.
Zwei Stämme machen 95 % der Bakterien im Gastrointestinaltrakt aus, und zwar die gramnegativen Bacteroides und die grampositiven Firmicutes. Außerdem wiesen Forscher bis zu 200 Spezies im Kolon nach. In einer Analyse fanden sich davon 60 Arten bei fast allen untersuchten Personen. Sie stellen das Core-Mikrobiom dar. Die Gattungen sind in drei Gruppen unterteilt, je nach Häufigkeit der dominierenden Genera: der Bacteroides-Typ, der Prevotella-Typ oder der Ruminococcus-Typ. Interessant ist, dass diese drei Enterotypen weltweit auftreten, unabhängig von Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index oder Nationalität.[1] Warum sind sie so essenziell? Die Mikrobiota bildet eine Barriere, die vor dem Eindringen pathogener Mikroorganismen schützt. Zusammen mit den Verdauungsenzymen und Muzin, der Peristaltik und dem Epithel gehören sie zur nicht immunologischen Abwehr innerhalb der Mukosa. Die Bakterien selbst bilden antimikrobielle Peptide, beeinflussen die Schleimbildung in den Becherzellen und kommunizieren mit den Zellen des darmassoziierten Lymphoidgewebes. Der menschliche Wirt stellt die Nahrungsbestandteile und das konstante Milieu. Perfektioniert wird das System durch Regelkreise, die die Immunreaktion gegenüber den Bakterien verringern. Die Kommensalen im Darm werden toleriert.[2]
Veränderungen in diesem komplexen und dynamischen System werden als Dysbiose bezeichnet. Das betrifft die Bakteriendiversität, aber auch die Gesamtheit der genetischen Information, das Metagenom. Eine Dysbiose ist mit einer Vielzahl gastrointestinaler und extra-gastrointestinaler Erkrankungen verbunden: Übergewicht, metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen. Dysbiotische Prozesse sind auch für die Pathogenese von gastrointestinalen Tumorerkrankungen bedeutsam. Eine wichtige Rolle spielt das Mikrobiom nicht zuletzt beim Reizdarm und bei funktionellen Darmerkrankungen.[2] Seit Kurzem erst ist bekannt, dass Neuropods in der Dünndarmschleimhaut Informationen über die Konzentration von Nährstoffen und über die Zusammensetzung der Bakterien an das Gehirn übermitteln. Denkbar ist, dass das Mikrobiom auf diese Art auch auf psychiatrische Erkrankungen Einfluss nimmt. Vermutet wird das im Hinblick auf die endogene Depression oder den kindlichen Autismus.[3]
Wenn sich die Ernährung ändert, kommt es zu großen Verschiebungen bei der Mikrobiomzusammensetzung. Das zeigt sich schon innerhalb von 24 Stunden. Werden bestimmte Nahrungsbestandteile – Protein, Fett, Kohlenhydrate, Polyphenole – verzehrt, führt das zu vorhersagbaren Veränderungen bei den Bakterienarten. Diese beeinflussen immunologische und metabolische Parameter und wirken sich damit grundlegend auf die Gesundheit aus. So zeigte eine prospektive Studie mit 67.581 Patienten, dass eine hohe Gesamtproteinaufnahme, vor allem tierischen Ursprungs, mit einem signifikant erhöhten Risiko für entzündliche Darmerkrankungen verbunden war (Risikoquotient für die erste vs. dritte Tertile und 95%-Konfidenzintervall (KI): 3,31 und 1,41–7,77 (pTrend = 0,007) sowie 3,03 und 1,45–6,34 (pTrend = 0,005) für Gesamtprotein und tierisches Protein).[4] Mehr noch: Die Aufnahme von rotem Fleisch förderte das Wachstum bestimmter Bakterienarten, die mit erhöhten Spiegeln von Trimethylaminoxid assoziiert sind.[5] Diese atherogene Substanz erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen. Eine Ernährung, die reich an gesättigten oder Transfetten ist, lässt das Gesamtcholesterin und das LDL-Cholesterin ansteigen. Auch hier erhöht sich das kardiovaskuläre Risiko. Wie Humanstudien zeigten, nimmt besonders die anaerobe Mikroflora und die Anzahl von Bacteroides-Arten zu. Eine fettarme Ernährung hingegen führte zu einer Vermehrung der Bifidobakterien im Darm. Gleichzeitig ging die Nüchternglucose und das Gesamtcholesterin im Vergleich zu den Ausgangswerten zurück.[6] In Tierstudien wurde außerdem deutlich: Enthielt das Futter viele gesättigte Fette (in diesem Fall Schmalz), verstärkte die Mikrobiota eine Entzündung, und zwar durch Signalgebung über Toll-like-Rezeptoren.[7] Dass auch der Verzehr von Glucose, Fructose und Saccharose die Darmbakterien günstig beeinflusst, zeigte sich am Beispiel von Datteln. Im Bakterienmodell erhöhte der verdaute Dattelextrakt den Gehalt an Bifidobakterien und reduzierte den Anteil von Bacteroides.[8] Ein weiteres Ergebnis: Eine Lactosesupplementation erhöhte die Konzentration von kurzkettigen Fettsäuren in den Faeces. Moleküle wie Butyrat wirken entzündungshemmend und verbessern die Darmbarriere. Das ist umso erstaunlicher, da Lactose eigentlich als gastrointestinales Irritans gilt. Anders dagegen die künstlichen Süßstoffe Saccharin, Sucralose und Aspartam: Sie reduzierten Bifidobakterien, Clostridien und Lactobacilli und erhöhten Bacteroides. Vermutlich induzieren Süßstoffe eher eine Glucoseintoleranz als reine Glucose oder Saccharose. Sie sind also entgegen der landläufigen Meinung ungesünder als natürliche Zucker.
Faserstoffe sind nicht verdaulich, sondern werden in den Enddarm weitertransportiert und dort fermentiert. So versorgt die Mikrobiota den Wirt mit Energie sowie Kohlenhydratquellen und verändert gleichzeitig die intestinale Umgebung. Im Gegenzug stimulieren die unverdaulichen Stoffe selektiv das Wachstum bestimmter Mikroorganismen. Zu den Präbiotika gehören: Sojabohnen, Inulin, nicht raffinierter Weizen oder Gerste und Rohhafer sowie Fructane, Polydextrosen und Oligosaccharide (vom Fructo-, Galacto-, Xylo- und Arabino-Typ). Während eine faserarme Ernährung die Bakterienvielfalt reduzierte, erhöhte sich die Reichhaltigkeit der Mikrobiota-Gene, wenn unverdauliche Kohlenhydrate verzehrt wurden. Das stellte sich bei einer Untersuchung bei 49 übergewichtigen Personen heraus.[9] Eine weitere Besonderheit ist, dass Präbiotika metabolische und immunologische Marker verändern. So beobachteten Forscher nach der Aufnahme von unverdaulichen Vollkorn-Kohlenhydraten weniger entzündungsförderndes Interleukin-6, eine verringerte Insulinresistenz sowie erniedrigte postprandiale Glucosespitzen. Außerdem beobachteten sie ein geringeres Körpergewicht und reduzierte Werte von Serum-Triglycerid, Gesamt- und LDL-Cholesterin sowie von Hämoglobin A1c.[10] Probiotika sind dagegen Lebensmittel, die von Milchsäurebakterien fermentiert werden. Sie regulieren die Darmgesundheit, vermutlich durch Induktion des antientzündlichen Interleukin-10. Bei regelmäßigem Verzehr von Sauermilch, fermentierter Sojamilch oder Yoghurt nehmen Bifidobacteria und/oder Lactobacilli zu. Auch Supplemente der entsprechenden Stämme wirken. So erhielten 60 übergewichtige Erwachsene sechs Wochen lang Bifidobacteria, Lactobacilli und Streptococci. Berichtet wurde eine signifikante Zunahme von Gesamt-Aerobiern, Anaerobiern und der probiotischen Bakterien im Vergleich zu Placebo. Die Gesamt-Coliformen sowie Escherichia coli nahmen ab. Triglyceride, Cholesterin (Gesamt, LDL, VLDL) und C-reaktives Protein waren reduziert. Verbessert hatten sich das HDL-Cholesterin und die Insulinsensitivität (p < 0,05 bzw. p
Polyphenole finden sich in Gemüse und Früchten, Samen, Tee, Kakao oder Wein. Die für die Pflanzen sekundären, nicht lebensnotwendigen Substanzen sind für Farbe und Geschmack verantwortlich und wirken antioxidativ. Meist sind das aromatische Verbindungen wie Catechine, Flavone, Anthocyane oder Phenolsäuren. Nimmt man Polyphenole auf, reichern sich vor allem Lactobacilli und Bifidobakterien an. Bifidobakterien wirken immunmodulierend und krebsvorbeugend und unterstützen bei entzündlichen Darmerkrankungen. In einer Untersuchung zur antibiotischen Wirkung von Polyphenolen aus Früchten erwiesen sich die enteropathogenen Arten Staphylococcus aureus und Salmonella Typhimurium als hochsensitiv.[12] Und nach dem Verzehr von Phenolen, die aus Früchten, Wein und Tee stammten, wurde eine Verringerung der pathogenen Clostridien (C. perfringens, C. histolyticum) beschrieben.
Um herauszufinden, welches Essen zur Gesundheit beiträgt, nahmen verschiedene Forscherteams die drei populären Ernährungsformen unter die Lupe: Die westliche Diät, reich an tierischem Protein und Fett, aber arm an Faserstoffen, reduzierte deutlich die Gesamtanzahl der Bakterien und die Anzahl der günstigen Bifidobakterium- und Eubakterium-Arten. Das zeigten die analysierten Studien. Nach 30 Tagen glutenfreier Ernährung nahmen die Bifidobakterium- und Lactobacillus-Arten ab, die Anzahl von E. coli und Enterobacteriaceae dagegen zu. Im Vergleich dazu gilt die mediterrane Diät als gesundheitlich ausgewogen: mehrfach ungesättigte Fettsäuren, reich an Polyphenolen und anderen Antioxidantien, dazu Faserstoffe und niedrigglykämische Kohlenhydrate und insgesamt mehr pflanzliches als tierisches Protein. Traditionell verzehrt werden Olivenöl, Früchte, Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte und Nüsse; Fisch, Geflügel und Rotwein in moderaten Mengen; wenig Milchprodukte, rotes Fleisch und Süßigkeiten. Das schützt vor Entzündung, Übergewicht, Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen (Abb.).[13] Ein Vergleich der Ernährungsgewohnheiten von Veganern, Vegetariern und Omnivoren zeigte, dass die Mehrheit der Pflanzenesser die Mittelmeerdiät in großen Teilen befolgte; bei den Omnivoren war das nur ein Drittel. Je mehr die mediterrane Ernährungsweise im Mittelpunkt stand, desto mehr kurzkettige Fettsäuren, Prevotella und Firmicutes fanden sich im Darm. Je weniger die Diät befolgt wurde, desto mehr atherogenes Trimethylaminoxid tauchte im Urin auf.[5,13] So deutet vieles darauf hin, dass die Mittelmeerdiät besonders gesund ist. In allen Bestandteilen ausgewogen, moduliert sie das Mikrobiom und wirkt damit auch auf die Stoffwechselprodukte, das Metabolom. Wie Studien zeigten, verbesserte sich die Adipositas, das Lipidprofil und etwaige Entzündungen. Der mögliche Grund: Die Zunahme an Laktobakterien, Bifidobakterien und Prevotella sowie die Abnahme von Clostridium.[14]
Der Expertenkommentar
Prof. Dr. med. Martin Storr
Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie
Internistenzentrum MVZ
Gauting-Starnberg
info@internistenzentrum.de
„Die tägliche Ernährung soll uns mit ausreichend Nährstoffen versorgen, lecker sein, belohnenden Charakter haben und idealerweise nicht krank machen. Die von der DGE empfohlene ausgewogene Mischkost erfüllt alle diese Kriterien. Manche Kostformen wie exemplarisch die mediterrane Diät scheinen mit zusätzlichen gesundheitlichen Effekten einherzugehen. Diese sollte jeder von uns nutzen. Oftmals werden Mikrobiom-Effekte oder gar einzelne Keime mit diesen Gesundheitswirkungen verknüpft. Das ist sehr spannend, wissenschaftlich im Moment aber noch nicht ausreichend erklärbar. Dennoch ist jeder Erklärungsversuch, der dazu führt, dass sich die Menschen gesünder ernähren, begrüssenswert. Auch vor dem Hintergrund, dass das Gesamtbild des Darmmikrobioms streng genommen unverstanden bleibt.“
[1] Arumugam M et al., Nature 2011; 473: 174–180
[2] Stallmach A et al., Z Gastroenterol 2019; 7 (Jul): 834–842
[3] Reinshagen et al., Z Gastroenterol 2019; 7(Jul): 833
[4] Jantchou P et al., Am J Gastroenerol 2010; 105: 2195–2220
[5] DeFilippis F et al., Gut 2016; 65(11): 1812–1821
[6] Fava F et al., Int J Obes (London) 2013; 37: 216–223
[7] Caesar R et al., Cell Metab 2015; 22: 658–668
[8] Eid N et al., J Nutr Sci 2014; 3: e46
[9] Cotillard A et al., Nature 2013; 500: 585–588
[10] Kim MS et al., Environ Microbiol Rep 2013; 5: 765–775
[11] Rajkumar H et al., Med Inflamm 2014; 2014: 348959
[12] Parkar SG et al., Int J Food Microbiol 2008; 124: 295–298
[13] Singh RK et al., J Transl Med 2017; 15: 73
[14] Koloverou E et al., Diabetes Metabol Res Rev 2016; 32: 73–81