Privatpatientinnen erwarten ärztliche Fachkompetenz. Sie erwarten Einrichtung, Service und Dienstleistungen auf einem hohen Qualitätsniveau. Und manchmal noch ein bisschen mehr. Wir geben Tipps, wie Sie Ihre Praxis mit einfachen Mitteln auf „Sterne-Qualität“ heben.
Privatpatientinnen sind keine homogene Zielgruppe. Sie unterscheiden sich nicht nur in der Wahrnehmung von Gesundheit und Krankheit, sondern auch in den Anforderungen an eine Arztpraxis, in der Verwendung von Medikamenten und der Akzeptanz von Therapien. So ist etwa für die Frage, ob eine Patientin eine hohe Affinität zu Naturheilverfahren oder bestimmten Entspannungstechniken hat, weder das Alter entscheidend, sondern allein die tief verwurzelte Einstellung zu Umwelt, Technik und Gesundheit.
Auch die Bereitschaft, selbst aktiv etwas für die eigene Gesundheit zu tun, die Selbsteinschätzung, wann man krank ist und wann man zum Frauenarzt oder zur Frauenärztin geht, hat in erheblichem Ausmaß mit individuellen Wertvorstellungen und persönlichen Lebensstilen zu tun. Um differenziert auf die Bedürfnisse der Kernzielgruppe der gynäkologischen Privatpraxis eingehen zu können, sind beispielsweise gezielte Patientinnen-Befragungen zu klar definierten Angeboten als Basis eines erfolgreichen Praxis-Marketings notwendig. Immer geht es um Fragen wie:
• Wie können Privatpatientinnen gewonnen und gehalten werden?
• Was sind die Wünsche von Privatpatientinnen an die Praxis und an das Praxisteam?
Abgeleitet von der Klassifizierung in der Hotellerie und Gastronomie sind es die wichtigen, kleinen Merkmale und angenehmen Wiedererkennungszeichen eines optimalen Patientinnen-Services, erkennbar am Top-Telefonservice bei der Terminanfrage bis hin zur persönlichen Begleitung von der Rezeption zum Arztzimmer, die „Sterne-Qualität“ ausmachen. Richtig guter Service macht sich zurückhaltend, aber überall in den Räumlichkeiten bemerkbar, ist unkompliziert, angenehm und oft auch überraschend.
Denken Sie zum Beispiel an ein Erfrischungsgetränk beim Empfang, eine frische Blumendekoration an der Rezeption, höchsten Standard in den Toiletten oder eine besondere Lese-Auswahl im Wartebereich. Die Betreuung durch das Praxisteam ist absolut diskret und lösungsorientiert. Der organisatorische Ablauf und die Hygienemaßnahmen sind angenehm und professionell gestaltet. Es ist erkennbar, wie das geschickte „Räderwerk“ der Praxis der Patientin den Aufenthalt so angenehm und unkompliziert wie möglich macht (> Praxismanagement).
Solche Erlebnisse werden gerne auch als „Moment of Excellence“ bezeichnet, weil sie in der menschlichen Erinnerung gut verankert bleiben. Die damit verbundene Wahrnehmung ist zumeist ein „Aha-Erlebnis“: unerwartet, lebhaft, oft bildreich und z. T. sogar mit Sinneswahrnehmungen wie einem feinen Geruch oder einer angenehmen Stimmlage verbunden. Die menschliche Zuwendung, die freundliche Geste und das Signal „Ich habe jetzt Zeit für Sie“ sind dabei oft prägender als die exklusive Einrichtung und das stilvolle Ambiente. Hier aber gilt es zu differenzieren. Ausgehend von der Hauptzielgruppe der Privatpraxis muss dann die entsprechende Marketingstrategie gewählt werden.
Da gibt es z. B. ein Patientinnen-Klientel, die ein ausgeprägtes Statusdenken und hohe Exklusivitätsansprüche repräsentieren. Die Ansprüche, die sie an sich selbst stellen, erwarten sie auch von ihrem Frauenarzt, auch hinsichtlich bevorzugter Behandlungstermine, besonderer Leistungsangebote, Lage und Ausstattung der Praxis. Andere Patientinnen sind aufgeschlossen für Naturheilverfahren, alternative Heilmethoden oder Innovationen in der Medizin und eher kritisch gegenüber (zu viel) technischen Leistungen. Sie informieren sich stark im Internet, bewerten gerne ihre Erfahrungen im medizinischen Bereich auf Bewertungsportalen und haben einen großen Beratungs- und Diskussionsbedarf und somit -anspruch an die Praxis ihrer Wahl. Auch darauf muss sich ein Qualitäts-Team einstellen können.
Es ist hilfreich, mit dem Praxisteam die milieuspezifischen unterschiedlichen Ansprüche der eigenen Privatpatientinnen zu erarbeiten, um adäquat auf diese Bedürfnisse eingehen zu können. Es ist entscheidend, dass alle Mitglieder im Frauenarzt-Team hier an einem Strang ziehen, geht es doch um das wirtschaftliche Überleben der Praxis und die dauerhafte Bindung und Sicherung des Patientinnen-Klientels.
Im Qualitätsmanagement hilft die Selbst- und Fremdbewertung immer wieder. Es ist wichtig, in periodisch wiederkehrenden Zeitabständen den Fokus mit dem Blick von außen auf die internen Abläufe der Praxis zu lenken. Zusätzlich bietet sich ein Gedankenspiel bei der Teamkonferenz an, indem jeder die Perspektive wechselt und aus Sicht der Patientin folgende Situationen durchdenkt:
• Sie betreten zum ersten Mal Ihre Frauenarztpraxis.
• Sie rufen zum ersten Mal in Ihrer Praxis an.
Machen Sie spontan eine Liste der Dinge, die Ihnen gefallen oder missfallen. Dann diskutieren Sie gemeinsam, welche Verbesserungen/Änderungen sinnvoll wären. Eine professionelle Dienstleistung sind „Mystery Checks“, um die eigene Dienstleistungsqualität zu hinterfragen und Patientinnen-Zufriedenheit zu objektivieren.
• Wie erlebten die Patientinnen die Betreuung, die Service- und Informationsqualität?
• Sind die Abläufe für die Patientinnen nachvollziehbar?
• Fühlen die Patientinnen sich wohl und gut aufgehoben?
• Was sind die eigentlichen Treiber der Patientinnen-Zufriedenheit?
Stärken und Verbesserungspotenziale werden dann von externen Dienstleistern mit gezielten Methoden und Befragungen herausgearbeitet, woraus sich dann weitere Handlungsoptionen ergeben. Das Ziel aller Maßnahmen ist es, letztendlich ein hohes Niveau dauerhaft zu halten.
Um zu einem passenden Praxis-Leitbild und umsetzbaren Verhaltensgrundsätzen für das gesamte Team zu kommen, ist zunächst die textliche Erarbeitung einer Vision hilfreich. Eine Vision ist die Formulierung von wünschenswerten, langfristigen, erreichbaren und messbaren Zielen im Zeitraum von sechs bis zehn Jahren. Auch die „Mission“ ist zu verschriftlichen. In der Regel liegt sie im Qualitätsmanagement-Handbuch vor: die Beschreibung der (fachspezifischen) Aufgaben gegenüber den Patientinnen, auch Leistungsspektrum oder Profil der Praxis genannt. Dann kommt es zum Leitbild (evtl. mit Logo): der derzeitigen Beschreibung der Unternehmenskultur der Privatpraxis mit Praxisphilosophie und/oder Motto als „Richtschnur“ für Mitarbeiter, Partner und Patientinnen. Ist Ihr Praxis-Leitbild noch aktuell?
Die Praxisziele sind Entscheidungen der Praxisleitung in der Vorstellung und Planung eines zukünftigen gewünschten Zustandes, der zugleich allen Mitarbeitern Orientierung gibt. Sie sind die Basis für Teambesprechungen, Zielvereinbarungs- und Jahresgespräche, aber auch notwendige Diskussions- und Messgrundlage für die Gespräche mit externen Beratern, z. B. aus Banken und Steuerbüro oder ggf. einem Unternehmensberater.
FAZIT:
Der Wettbewerb um die Patientinnen in der Privatpraxis wird nicht alleine durch hohe, medizinische Kompetenz entschieden. Die Marketingaktivitäten müssen zielgerichtet auf die Kern-Zielgruppe der Patientinnen und deren Wünsche und Serviceerwartungen ausgerichtet sein. Als Benchmark kann der Vergleich mit der Sterne-Qualität der Hotellerie/Gastronomie förderlich sein.
Das strategische Management der Privatpraxis mit Fokus auf die „Very Important Patients“ orientiert sich an den Erkenntnissen beim Herausfiltern und Erarbeiten der spezifischen Ansprüche der favorisierten Zielgruppe und den daraus sich ergebenden, fundamentalen und langfristigen Zielen. Die entsprechende Taktik ist dann das Steuern und Navigieren der daraus abgeleiteten, notwendigen Maßnahmen, u. a. die kontinuierliche Schulung der Mitarbeiter, das regelmäßige „Checken“ der marktgerechten Positionierung und der Außenwirkung. So gelingt der Weg zur Sterne-Praxis mit der langfristigen Philosophie „exzellente Qualität für unsere VIP-Patientinnen“.
Die Autorin
Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)