Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels ist es eine kluge Vorgehensweise, Warnzeichen einer Überlastung im Team zu erkennen, um die Gesundheit, Arbeitsfreude und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig zu sichern.
Analog zu Anamnesen von Patientinnen werden erste Symptome gerne übersehen, wenn es mit der Mitarbeitergesundheit oder -zufriedenheit hapert. Dabei ist das Wohlbefinden von Mitarbeitenden von zentraler Bedeutung sowohl für das Einhalten hoher Qualitätsstandards bei der Arbeit, für das Arbeitsklima als auch für die Zufriedenheit der Patientinnen.
Jeder wünscht sich das gute Gefühl, wirklich gebraucht zu werden und gewertschätzt zu sein. Negative Impulse innerhalb des Teams gehen oft im Arbeitsalltag unter, und es fehlt an der Wachsamkeit, Nuancen „zwischen den Zeilen“ zu hören. Es gilt, die Antenne für das Zwischenmenschliche auszufahren und als Praxisleitung fein zu beobachten und zuzuhören sowie fürsorglich die Mitarbeitenden anzusprechen und Hilfe anzubieten.
Ein Team zu führen ist immer auch Psychologie. Im Praxisablauf geht es nicht nur um gute Strukturen und funktionierende Prozesse. Ein noch so gut etabliertes Qualitätsmanagement wird scheitern, wenn die Zeichen für Erschöpfung und Demotivation dauerhaft übersehen werden. Stress im Team entsteht subtil. Deshalb ist der tägliche Kontakt im morgendlichen Briefing und der Austausch in regelmäßigen Team-Meetings so wichtig. Wann wird das empfindliche Gleichgewicht im Praxisteam gestört?
Vielfältige Gründe
Die Gründe können vielfältig sein: Aus- und Weiterbildungsdefizite, mangelnde soziale Kompetenzen, falscher Arbeitsplatz, Talente falsch eingesetzt, wirtschaftlicher Druck, persönliche Partnerschafts- und Kindersituation, Pflegeproblematik der Eltern usw.
Medizinische Fachangestellte werden in ihrer Ausbildung nicht wirklich für eine wirksame Stresskompetenz und Konfliktfähigkeit qualifiziert. Im Rahmenlehrplan heißt es dazu „Belastungssituationen im Beruf erkennen und bewältigen“.
MFA werden in ihrer Ausbildung nicht für eine wirksame Stresskompetenz und Konfliktfähigkeit qualifiziert.
Ähnlich wie bei Patientinnen, ist auch für MFA das praktische Verständnis für gesundheitsförderndes Verhalten und das konkrete Umsetzen im Alltag ein Lernprozess, der Kontinuität braucht. Hier braucht es die Unterstützung von betrieblicher Gesundheitsförderung, um die Fähigkeit der Teammitglieder, Gesundheitsinformationen für sich zu verstehen und im Alltag anzuwenden, wirklich wirksam zu schulen.
Resilienz und Stresskompetenz erwirbt man durch regelmäßiges Training und Reflektion. Hier setzt betriebliches Gesundheitsmanagement an: durch Unterstützung, Fachwissensvermittlung und durch Teamschulungen, zum gesunden Umgang mit Stress, zur Selbstfürsorge und um Strategien zur Problembewältigung zu erlernen.
Die Warnzeichen für eine Überlastung des Teams sollten Sie als Praxisleitung sofort erkennen (Kasten). Und Sie müssen sie „managen“ können, das bedeutet aktives Steuern, Lenken und Leiten von Prozessen. Der Schlüssel, um mögliches „Knirschen im Gebälk“ aufzulösen und die Situation wirklich zu verstehen, ist Kommunikation.
Praxisteams wollen sich verstanden fühlen. Deshalb sind Einzelgespräche (besonders zum Jahreswechsel) und periodisch wiederkehrende Teammeetings unverzichtbar.
Die richtigen Fragen stellen
Unzufriedenheit im Job entsteht nicht nur durch Arbeitsbelastung in der Praxis oder eine – persönlich empfundene – nicht adäquate Bezahlung. Oft sind es private Situationen, aber auch die derzeitige gesellschaftliche Gemengelage, der ungewisse Blick in die Zukunft und ein Gefühl der Ohnmacht, als Ursache für einen emotionalen Tiefpunkt und fehlende Motivation. Arbeitgebende in kleinen und mittleren Unternehmen sind bestenfalls auch Coaches, die proaktiv auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugehen und die Dialogbereitschaft für das Stressverhalten und die Klärung der Probleme zeigen und gemeinsam nach Lösungsansätzen suchen.
Praxisteams wollen sich von der Leitung verstanden fühlen.
Wie ein Steuermann muss Führung klug und aufmerksam auf Abweichungen reagieren und frühzeitig gegensteuern. Dies ist jedoch leichter gesagt als getan, denn mit Veränderungen gehen oftmals auch negative Gefühle wie Unsicherheit, Überforderung oder Hilflosigkeit einher – das gilt fürs Privat- wie auch fürs Berufsleben. Finden Sie heraus, wie Ihre Mitarbeitenden diese beiden Kernfragen beantworten:
Sicherheit vermitteln
Gerade in herausfordernden Zeiten ist es von entscheidender Bedeutung, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich sicher und wohlfühlen, um auch unter Druck leistungsfähig zu bleiben und nicht kopflos zu agieren. Daher ist es wichtiger denn je, dass Führungskräfte ihren Mitarbeitenden und Teams genau diese psychologische Sicherheit vermitteln. Dazu gehört, genauer hinzuhören, wie es wirklich um das Team bestellt ist, und was ihnen helfen würde, Vertrauen in die Zukunft – und auch in die des eigenen Arbeitsplatzes – zu gewinnen. Ideen aus dem Team mit in Veränderungsprozesse einzubringen und alle stärker an Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen zu beteiligen, sind entscheidende Schritte auf diesem Weg.
Was Teams stark macht, ist Resilienz, also die Fähigkeit, flexibel mit Stress umzugehen.
Der Erfolgsfaktor in der Teamführung ist es, psychologische Sicherheit durch Vertrauen und Verlässlichkeit zu geben. Natürlich sollte es weiterhin klare Zuständigkeiten und eindeutige Regeln der Zusammenarbeit geben. Von besonderer Bedeutung aber ist die Team-Resilienz, die es anzustreben gilt: Widerstandsfähigkeit und Stärke, auch kritische Situationen zu meistern und gemeinsam immer wieder Bewältigungsstrategien zu erarbeiten. Gemeint ist das Vertrauen, dass Mitarbeitende oder Teams in ihr Arbeitsumfeld haben. Sprich, ihnen wird wirklich das Gefühl vermittelt, dass ihre Meinungen und Ideen geschätzt werden und Feedback sowie Verbesserungsvorschläge willkommen sind. Und dass der Erfolg der Praxis immer ein Verdienst aller Beteiligten ist.
Die junge Generation der Praxismitarbeitenden braucht mehr denn je die Identifikation mit dem Arbeitsplatz und die Möglichkeit, mitgestalten zu können. Das Gefühl, dass sich etwas bewegt. Was Teams stark macht, ist Resilienz, also die Fähigkeit, flexibel mit Stress umzugehen, Herausforderungen zu meistern und Krisen unbeschadet zu überstehen.
Bei der organisationalen Resilienz liegt der Fokus darauf, wie man Lebens- und Arbeitswelt stabil gestalten und die innere Widerstandskraft der Mitarbeitenden fördern kann. In unserer schnelllebigen Gesellschaft nimmt die persönliche Gesundheit einen immer größer werdenden Raum in der Unternehmenskultur ein. Nur gesunde und motivierte junge Menschen mit Freude bei der Arbeit sorgen für Effizienz und ein stabiles Unternehmen Arztpraxis.
Nie war mehr Veränderung als jetzt: In unserer heutigen Welt müssen wir alle lernen, uns agil an neue Situationen, Bedürfnisse und Herausforderungen anzupassen und bestmöglich darauf reagieren zu können.
Zur Vermeidung von Überlastung ist es auch wichtig, den Mitarbeitenden ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Zu den geeigneten Maßnahmen zählen Respekt und Vertrauen, gezieltes Empowerment, Fort- und Weiterbildungen sowie die Pflege der Feedback-Kultur.
Die Autorin
Theresia Wölker
Beraterin und Fachreferentin im Gesundheitswesen
(Schwerpunkte QM, Kommunikation, Stressbewältigung und Resilienz)
Bildnachweis: privat