Wenn die Kassenzulassung nicht mehr gewünscht ist, stellt sich die Frage: Die Praxis verkaufen oder als Privatpraxis weiterführen? Fällt die Entscheidung für die Privatpraxis, sind eine Reihe von ökonomischen und organisatorischen Aspekten beim Übergang zu beachten. Ein Erfahrungsbericht.
Jeder Vertragsarzt kennt Konflikte mit Vorschriften, mit dem Budget, den auferlegten nicht ärztlichen Leistungen, mit der Telematikinfrastruktur (TI), mit Regressen, dem Honorar und vielem mehr. Damit muss man leben, überall im Berufsleben, auch als Vertragsarzt, ja selbst als Ehepartner. Aber es gibt Grenzen. Grenzen, die mich dazu gebracht haben, auf die Kassenzulassung zu verzichten.
Die Vorbereitung
Bei der Rückgabe des Kassensitzes hat man drei Monate Kündigungsfrist zu beachten. Dann sollten die Mitarbeiter informiert werden. Eine Privatpraxis mit weniger Patienten kommt mit kürzeren Sprechstunden aus, und für weniger Sprechstunden braucht man natürlich weniger Personal (> Praxismanagement). Auch hier sind Kündigungsfristen zu beachten.
Kassenpatientinnen müssen auf den Wechsel vorbereitet werden. „Ihr Befund muss kontrolliert werden. Kommen Sie bitte in einem halben Jahr wieder“, geht nicht mehr. Dann sind wir keine Kassenpraxis mehr. In der Sprechstunde ist für lange Erklärungen keine Zeit, also wurde ein Schreiben vorbereitet, zur Auslage im Wartezimmer und zum Mitgeben. Der gleiche Text kommt auf die Homepage.
Für Selbstzahler ist ein Behandlungsvertrag vorzubereiten. Wenn ohnehin schon Behandlungsverträge für Privatpatienten und für IGe-Leistungen existieren, ist das ein vergleichsweise leichtes Unterfangen. Auch mit dem Labor braucht es Absprachen, zu anderen Abholzeiten und zur Rechnungslegung an die Selbstzahler.
Die Frage von Kassenpatienten, die zufrieden mit der Praxis sind und ggf. als Selbstzahler kommen wollen, ist vorhersehbar: „Was würde es denn kosten?“ Ein Hinweis auf die GOÄ reicht da nicht, also braucht es noch eine Preisliste für die häufigsten Standarduntersuchungen; Excel macht vieles leichter. Bei uns stand am Ende eine zweiseitige Liste, die Mitarbeiter können mit dieser Liste diese Frage beantworten.
Rechnungen an Selbstzahler kann man, wie bei Privatpatienten üblich, einfach über die Verrechnungsstelle abwickeln. Aber viele Selbstzahler würden auch fragen: „Kann ich auch gleich bezahlen?“ Jeder Kaufmann lernt schon im ersten Lehrjahr: Man schreibt eine Rechnung so schnell wie möglich. Und bezahlt sie so spät wie möglich. „Natürlich, gern."
Eine ärztliche Rechnung über die Eingabe einzelner GOÄ-Ziffern beherrscht jedes Praxisverwaltungssystem. Noch schneller geht es aber über Standardrechnungen für Standardleistungen, wie für IGe-Leistungen. Auch das macht ein gutes Praxisverwaltungssystem möglich. Solche Standardrechnungen haben sich inzwischen vielfach bewährt. Wo allerdings eine Behandlung absehbar mehrere Konsultationen braucht, wo also absehbar kurz hintereinander mehrere Rechnungen anfallen würden, schreibt man lieber eine Gesamtrechnung und nutzt den Weg über die Verrechnungsstelle.
Alles Finanzielle einschließlich Vergabe der Rechnungsnummer, Quittierung und Eintrag im Zahlungskontrollsystem wird an der Rezeption gemacht. Dort gibt es auch eine Kasse mit Wechselgeld. Auch ein Kartenlesegerät für e-Cash, ursprünglich für IGe-Leistungen angeschafft, ist vorhanden. Ohne ein solches Gerät funktioniert eine Privatpraxis heutzutage nicht mehr richtig.
Nach der Umstellung war die Praxis schlagartig leer. Im Wartezimmer war höchstens ein Stuhl besetzt, die Wartezeit ging gegen Null. Für Privatversicherte hat sich kaum etwas verändert. Für Kassenpatienten, die als Selbstzahler langsam wieder kamen, galt aber, was die ärztliche Berufsvorschrift bestimmt: Nur Notfälle, Kollegen, Familienangehörige und völlig Mittellose dürfen kostenlos behandelt werden. An Rechnungslegung haben sich inzwischen alle gewöhnt, auch an die Rezeptgebühr von 3,15 Euro. Auch dazu braucht man an der Anmeldung die Wechselkasse.
Die Ökonomie der Zeit
Seit der Umstellung beginnen die Sprechstunden nun nicht mehr ganz so früh, sondern erst um 9 Uhr und enden auch nicht mehr um 20 oder 21 Uhr, sondern drei Stunden früher. Selbst Privatpatientinnen in Führungsposition, die ich sonst nur abends sah, kommen damit zurecht.
Für jede Patientin haben wir jetzt mehr Zeit eingeplant, die dem ganzheitlichen Ansatz gewidmet wird: Wir sprechen auch über andere Krankheiten, Impfungen, Belastungen im Beruf, Probleme in Partnerschaft und Sexualität. Wichtig: Privatpatientinnen und Selbstzahler haben gewöhnlich auch einen höheren Gesprächsbedarf. Natürlich darf das nicht unendlich dauern, auch für den Privatarzt gilt eine Ökonomie der Zeit. Das Gefühl „Endlich hat mir mal jemand zugehört“ sollte man als Privatarzt aber immer vermitteln. Die GOÄ ermöglicht es, weit mehr als der EBM, längere Gespräche auch entsprechend zu liquidieren.
Mit dem Ende der Sprechstunde beginnt der Feierabend – die mit der GKV verbundene Bürokratie vermisst man wirklich nicht. Und die regelmäßige Abrechnung über die Private Verrechnungsstelle braucht im Vergleich zur KV-Abrechnung nur ein Bruchteil der Zeit. Ganz ohne Bürokratie ist das Leben eines Privatarztes allerdings nicht. Anfragen von Patienten, Kollegen, Versicherungen und Behörden sind zu beantworten.
Die Praxis vermarkten
In jeder Praxis, ob vertragsärztlich oder privat, gibt es eine Patientenfluktuation. Dafür gibt es viele Gründe, die durchaus nicht immer beim Arzt oder der Praxis liegen müssen. Und wie Patientinnen in eine andere Praxis wechseln, müssen neue gewonnen werden. Da reichen die Empfehlungen zufriedener Patientinnen nicht aus, da braucht es auch Werbung, erst recht für eine Privatpraxis. Wer nicht bekannt ist und wer nicht gefunden wird, hat auch keinen Zulauf. Und jeder Privatarzt konkurriert, will er auch Selbstzahler behandeln, mit Vertragsärzten, die scheinbar kostenlos behandeln. Warum sollte eine Patientin, die für bestimmte Leistungen versichert ist, dahin gehen, wo sie selbst bezahlen muss? Im Allgemeinen gibt ein kaufmännisches Unternehmen ca. 10 % des Umsatzes für Werbung aus. So viel ist es in einer Privatpraxis nicht, aber die Außendarstellung ist wichtig.
Muss auf dem Praxisschild explizit auf die Privatpraxis hingewiesen werden? Nein, es geht auch ohne diesen Hinweis auf die Privatpraxis. Auch im Briefbogen wird die Privatpraxis nicht erwähnt. Wozu auch? Aber natürlich sollten neue Patientinnen und solche, die sich nach Jahren wieder melden, darüber schon am Telefon informiert werden. Und auf allen Visitenkarten ist deutlich vermerkt: „Praxis für privat Versicherte und Selbstzahler“. Das alles sind aber einmalige, mit der Umstellung verbundene Aufwendungen.
Eine Homepage sollte selbstverständlich sein. Regelmäßig fallen zudem Werbungskosten für Anzeigen in den Printmedien der Region und für Internetwerbung an. Hier sollte man sehr genau überlegen, wen man wie ansprechen will, wo, in welcher Größe und Frequenz man Printmedien nutzt. Menschen, die diese Werbung lesen, gehen nicht gleich am nächsten Tag zum Arzt, neue Patientinnen kommen mit Verzögerung.
Wirtschaftlichkeit
Der Volksmund sagt, wir alle wissen es: „Gesundheit ist nicht alles. Aber alles ist nichts ohne Gesundheit.“ Für die Praxis gilt, etwas abgewandelt: „Geld ist nicht alles. Aber ohne Geld geht dauerhaft nichts.“ Jede Praxis, ob vertragsärztlich oder privat, muss wirtschaftlich arbeiten. Stets fallen Fixkosten an und darüber hinaus gibt es noch viele variable Kosten. Man kann eine medizinische Einrichtung ohne ausreichende Überschüsse dauerhaft nicht betreiben.
Jede ärztliche Leistung muss sich letztlich in einer Rechnung wiederfinden. Es ist aber unwirtschaftlich, für Kleinstbeträge wie Wiederholungsrezepte oder kurze Bescheinigungen große Rechnungen zu erstellen. Sie müssen aber immer quittiert werden. Jeder Geldfluss, ob bar oder auf anderen Wegen, muss den Prinzipien einer ordentlichen Buchführung entsprechend dokumentiert sein. Das gilt natürlich für jede medizinische Einrichtung; direkte Geldflüsse zwischen Patient und Arzt sind in vertragsärztlichen Einrichtungen allerdings seltener, in der Privatpraxis häufiger.
Die Einnahmenentwicklung im Übergang zur Privatpraxis zeigt die Grafik. In den ersten Quartalen kamen noch Nachzahlungen von der KV, allerdings kaum Selbstzahler. Es kam der erwartete Umsatzeinbruch. Für diese Zeit braucht es angemessene Rücklagen. Man muss geringere Einnahmen natürlich auch im Zusammenhang mit weniger Arbeitsstunden sehen. Betriebswirtschaftlich gilt für eine ärztliche Praxis: Man arbeitet in gleicher Zeiteinheit besser einmal für 200 als viermal für 50 Euro. Wo eventuell die gesunkenen Einnahmen nicht ausreichen, bieten sich dem Privatarzt – zumindest in größeren Städten – durch die gewonnene Freizeit durchaus Möglichkeiten von externen Zusatzeinnahmen, etwa durch Gutachtertätigkeit, Praxisvertretungen oder als Honorararzt im Krankenhaus. Wer zuvor schon Rücklagen gebildet hat, ist darauf in der Regel nicht angewiesen.
In der Bevölkerung sind etwa 10 % privat krankenvollversichert. Die Zahl der PKV-Versicherten und der Selbstzahler in einer Privatpraxis hängt von vielen Faktoren ab, die regionale Bevölkerungsstruktur, der Versorgungsgrad durch Vertragsärzte und die Lage der Praxis sind wohl die wichtigsten. Aber auch die Struktur und Preise der in der privatärztlichen Praxis angebotenen Leistungen sind von Bedeutung, bezahlbare ärztliche Leistungen werden häufiger nachgefragt als teure.
Der Übergang von einer Vertragsarzt- zu einer Privatarztpraxis will gut geplant sein. Zur Überbrückung des Umsatzeinbruchs in den ersten Quartalen nach dem Übergang braucht man unbedingt ausreichende Rücklagen. Dem Rückgang des Einkommens stehen allerdings eine erhebliche Zunahme der Zufriedenheit mit der Arbeit, mehr Freizeit und eine deutlich bessere Lebensqualität gegenüber.
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