Die ganzheitliche Medizin wird immer mehr zum zentralen Bestandteil ärztlichen Handelns. Dabei spielen auch gesprächsintensive Maßnahmen wie Ernährungs- und Gesundheitsberatung eine Rolle. Wir geben Tipps für die Privatliquidation.
Gerade die Lebensstilberatung mit ihren drei Ebenen Ernährung, Personal Training und Coaching sollte zu einem therapeutischen bzw. medizinisch-betreuenden Gesamtkonzept gehören. Damit ist dann zwar der Patientinnenauftrag erfüllt, nicht aber die abrechnungstechnische Umsetzung der Leistungen. Dazu gibt es Verschiedenes zu beachten.
Hauptbestandteil der Lebensstilberatung ist natürlich das Gespräch mit der Patientin. Dieses ist je nach gesundheitlicher und persönlicher Grundsituation auf unterschiedlicher Grundlage – somatisch, psychisch und/oder psychosomatisch – aufzubauen.
Dementsprechend verschieden können dann auch die Abrechnungspositionen ausfallen. Die einfache Beratung nach GO-Nr. 1 der GOÄ zur Lebensstilberatung dürfte in diesem Zusammenhang kaum zur Abrechnung kommen, da eine Lebensstilberatung, auch wenn sie in mehreren Sitzungen stattfindet, nicht mit der einfachen Beratung nach GO-Nr. 1 abzubilden ist, weder inhaltlich noch vom zeitlichen Aufwand her.
Hier käme mindestens die Gebühr nach GO-Nr. 3 zur Abrechnung, wobei die erste Anmerkung zu beachten ist: „Die Leistung nach Nr. 3 (Dauer mindestens 10 Minuten) ist nur berechnungsfähig als einzige Leistung oder im Zusammenhang mit einer Untersuchung nach Nummer 5, 6, 7, 8, 800 oder 801.“ Das bedeutet, dass zur Berechnung der GO-Nr. 3 eine Beratung von mindestens 10 Minuten Dauer stattgefunden haben muss und dass darüber hinaus keine weitere Leistung mit Ausnahme der reinen Untersuchungsleistungen nach den GO-Nrn. 5, 6, 7, 8, 800 oder 801 in derselben Sitzung berechnet werden dürfen.
Nimmt die eingehende Beratung mehr Zeit als 10 Minuten in Anspruch, sollte bei der Abrechnung differenziert vorgegangen werden. Hier greift nun die erste Anmerkung zur GO-Nr. 3. Da die in der Anmerkung geforderten Beratungszeit von 10 Minuten eine Mindestzeit darstellen, kann nicht sofort bei Überschreiten dieser geforderten Mindestzeit eine Erhöhung des Faktors entsprechend § 5 GOÄ, mit der Begründung eines hohen Zeitaufwands vorgenommen werden. Es können jedoch andere Besonderheiten der Beratung vorliegen, die eine entsprechende Schwierigkeit begründen. Eine Lebensstilberatung als solche dürfte jedoch per se schon einen höheren Zeitaufwand erfordern.
Dieser höhere Zeitaufwand kann letztlich über § 5 GOÄ abgebildet werden. Hier käme dann ggf. auch die Gebühr nach GO-Nr. 34 zum Tragen. Für diese Erörterung sind zwei Forderungen unbedingt zu erfüllen: Zum einen muss die Erörterung mindestens 20 Minuten in Anspruch nehmen und zum anderen muss eine Erkrankung vorliegen, die lebensverändernd bzw. lebensbedrohend ist. Das könnte beispielsweise eine Adipositas sein. Auch eine Polyarthrose als Folge der Adipositas oder eine psychogene Essstörung wären entsprechende Erkrankungen. Bei der Berechnung der Gebühr nach GO-Nr. 34 für die Lebensstilberatung ist zusätzlich darauf zu achten, dass es sich um eine neue Diagnose (Erstfeststellung) oder um eine erhebliche Verschlimmerung einer bestehenden schwerwiegenden Erkrankung handelt. Um in diesem Zusammenhang Rückfragen der privaten Krankenversicherer zu vermeiden, empfiehlt es sich, die entsprechenden Diagnosen bei der Rechnungsstellung anzugeben.
Im Zusammenhang mit der Lebensstilberatung lässt sich auch über die Gebühren nach den GO-Nrn. 804 bzw. 806 nachdenken. Jedoch lassen sich diese beiden Gebühren im Zusammenhang mit einer Lebensstilberatung nur dann berechnen, wenn auch eine entsprechende psychische Störung vorliegt. Das kann z. B. eine psychogene Essstörung sein. Übergewicht und Adipositas können auch die Folge psychophysischer Überlastungssituationen sein.
Bei einem Zeitaufwand von mindestens 20 Minuten wäre die GO-Nr. 34 abzurechnen. Doch hier ist zwingend die Leistungslegende zu beachten. Diese fordert nämlich das Vorliegen einer lebensbedrohenden bzw. lebensverändernden Erkrankung. Im Zuge der Privatabrechnung nach GOÄ sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass eine solche Erkrankung in der Diagnoseliste aufgeführt ist. Ansonsten ist damit zu rechnen, dass die privaten Krankenversicherer eine Erstattung der Gebühr nach GO-Nr. 34 verweigern. Letztendlich ist im Praxisalltag schon davon auszugehen, dass eine Lebensstilberatung auf dem Boden einer entsprechenden Veränderung bzw. Erkrankung seitens der Patientin gewünscht wird. Hier wären unter anderem insbesondere die Adipositas zu nennen und viele Erkrankungen, die damit einhergehen wie die Lipidämie, die Hypertonie und der Diabetes mellitus.
Eine Patientin, 36 Jahre alt, Bankangestellte in leitender Position, deutlich übergewichtig (178 cm; 97 kg; BMI 30,6) stellt sich mit rezidivierenden Schmerzattacken in der Sprechstunde vor. Sie hatte im vergangenen Jahr mehrfach schon solche Schmerzattacken und fragt jetzt nach der Ursache dieser Häufung. Die Schmerzen würden oft schon morgens auftreten. Lokalisiert werden sie im mittleren Wirbelsäulenbereich.
Anamnestisch gibt die Patientin an, dass die Beschwerden seit Wochen in unterschiedlicher Intensität auftreten und sich wie ein enger Gürtel um den Bauch legen würden. Manchmal könne sie sich kaum bewegen. Diagnostisch ergeben sich weiter keine Besonderheiten. Bei der vor acht Monaten durchgeführten Gesundheitsvorsorgeuntersuchung war kein pathologischer Befund zu erheben. Bei der körperlichen Untersuchung ist eine leichte Druckschmerzhaftigkeit im Epigastrikum festzustellen, ebenso im rechten Oberbauch.
Wegen der angegebenen Thoraxschmerzen wird ein EKG abgeleitet und zum Ausschluss einer Gallenblasenaffektion eine Oberbauchsonografie durchgeführt. Während der sonografischen Oberbauchuntersuchung berichtet die Patientin über ihre berufliche Anforderung, die Überlastungssituation und ihren beruflichen Stress. Sie ist auch der Meinung, dass ihre Oberbauchbeschwerden möglicherweise durch die betriebliche Überlastung bedingt sein könnten, da diese auch oft in Ruhe (abends oder am Wochenende) auftreten.
Die Untersuchung des Abdomens ergab keinerlei pathologische Befunde, ebenso die Sonografie der Bauchorgane. Nach der Untersuchung wird noch ein explorierendes Gespräch geführt zur Sicherstellung bzw. zum Ausschluss einer psychosomatischen Störung. In dem Gespräch wird deutlich, dass die unspezifischen Oberbauchschmerzen wie auch die Rückenschmerzen durchaus Folge der beruflichen Überforderung sein können. Diese Ursache wird in dem Gespräch aufgegriffen und erste Ansätze einer Veränderung besprochen. Das Gespräch dauert 35 Minuten. Danach werden mit der Patientin weitere Gesprächstermine zur Verarbeitung der Gesamtsituation vereinbart. Die weiteren Gespräche mit der Patientin sind dann ebenfalls gesondert berechnungsfähig.
Die Beratung nach Nr. 1 GOÄ ist nicht neben der Nr. 849 berechnungsfähig und entfällt deshalb in dieser Sitzung. Da es sich um ein psychosomatisches Gespräch handelt, kommen die Gebühren nach den GO-Nrn. 804 bzw. 806 (Psychiatrische Behandlung) nicht zur Abrechnung. Es ist vielmehr die Gebühr nach GO-Nr. 849 anzuwenden.
Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.
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