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Gynäkologie

Vielversprechende Studienlage

Künstliche Intelligenz in Gynäkologie und Geburtshilfe

Dr. Reinhard Merz

20.2.2023

Künstliche Intelligenz (KI) wird immer mehr zum Hilfsmittel in der medizinischen Diagnostik – auch ­ in der Geburtshilfe. Dieser Beitrag zeigt einige vielversprechende Ansätze, wie KI helfen kann, Problemfälle zu erkennen und zu vermeiden.

Schon der Beitrag vom Deutschen Krebskongress beschäftigte sich mit den Ansätzen der KI in der medizinischen Diagnostik. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zunächst die beiden elementaren Grundbegriffe Machine Learning und Deep Learning zu klären.

Machine Learning (ML): Künstliche Systeme lernen aus Beispielen und können nach einer „Trainingsphase“ diese nachfolgend verallgemeinern. Es wird also nicht „auswendig gelernt“, sondern es werden in den Datensätzen Muster und Regelmäßigkeiten erkannt – also Generierung von Wissen aus Erfahrung. Mithilfe von selbstlernenden Algorithmen erfolgt die praktische Umsetzung. Mögliche Anwendung in der Medizin: automatisierte Diagnoseverfahren.

Deep Learning (DL) ist ein fortgeschrittener Teilbereich des Machine Learnings und nutzt neuronale Netze, d. h. das menschliche Gehirn dient als Vorbild. Diese neuronalen Netze bestehen aus einer Eingangsschicht, einer Ausgangsschicht und mehreren verdeckten Schichten. Das Wissen des neuronalen Netzes wird in den Verbindungen zwischen den Neuronen gespeichert. Das vorhandene Wissen kann repetitiv mit weiteren Inhalten optimiert werden, das System lernt. Letztlich ist die Maschine in der Lage, Entscheidungen zu treffen – dies bedingt nicht nur in der Medizin eine ethische Diskussion, denn die Logik ist nicht eindeutig beschreibbar (> eHealth).


Anwendungen in der Geburtshilfe

Die Frühgeburt ist einer der Hauptgründe für perinatale Morbidität und Mortalität [1]. Entsprechend kommt der Vorhersage des Frühgeburts­risikos eine wichtige Rolle zu. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse untersuchten die Autoren die Anwendbarkeit und Leistungsfähigkeit von ML-Methoden zur Erkennung von Schwangerschaftskomplikationen und Frühgeburtsrisiko [2]. Zwei ML-basierte Elektrohysterografiestudien hatten demnach die höchste Vorhersagegenauigkeit (95,7 % und 90 %) [3,4].

Die aktuelle Diskussion um den Stellenwert der Kardiotokografie (CTG) haben wir schon auf den Seiten 8–10 zusammengefasst. Auch hier könnten ML-Algorithmen dazu führen, die bekannten Limitierungen des CTG zu relativieren und den fetalen Zustand zuverlässiger zu bestimmen und unnötige Interventionen zu vermeiden. In einer kürzlich publizierten Studie konnten DL-Algorithmen pathologische Muster mit einer Wahrscheinlichkeit von 89 % vorhersagen [5]. Bei der Vorhersage einer fetalen Azidämie konnte mit einem anderen DL-Algorithmus sogar eine Wahrscheinlichkeit von 98 % erreicht werden [6].

Auch das Screening auf fetale Wachstumsstörungen ist elementarer Bestandteil der Schwangerschaftsvorsorge (> Schwangerschaft). Ziel weiterer aktueller KI-Studien war es, per Sonografie ermittelte Parameter (Kopfumfang, Bauchumfang, Femurlänge) zur automatisierten Vorhersage des genauen Schwangerschaftsalters einzusetzen. Basierend auf einem ML-Algorithmus konnte das Gestationsalter zwischen der 20. und 30. SSW mit 95%iger Sicherheit auf ± 3 Tage geschätzt werden [7]. Ein deutlicher Vorteil gegenüber konventionellen Algorithmen mit einer Genauigkeit von 9–18 Tagen. Auch die 6-Wochen-Prognosen des zukünftigen fetalen Wachstums konnte mit einer Genauigkeit von 7 Tagen angegeben werden.


Brustkrebsscreening

In der Mammografie sind KI-gestützte Befundungsprogramme bereits heute im Einsatz. Der Fokus liegt hier auf der Optimierung des Workflows in den Screeningprogrammen, um das Malignitätsrisiko einer Läsion abzuschätzen. Bei der Beurteilung der Magnetresonanztomografie (MRT) der Mamma ist der Kaiser-Score hilfreich, der mithilfe von ML entwickelt wurde [8].

1 DGGG-Leitlinie „Prävention und Therapie der Frühgeburtlichkeit“, online unter http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-025.html
2 Bertini A et al., Front Bioeng Biotechnol 2022; 19: 780389
3 Sadi-Ahmed N et al., J Med Syst 2017; 41: 204
4 Chen L et al., PLoS ONE 2019; 14: e214712
5 Liu LC et al., J Chin Med Assoc 2021; 84: 158–164
6 Zhao Z et al., BMC Med Inform Decis Mak 2019; 19: 286
7 Fung R et al., Lancet Digit Health 2020; 2: e368–e375
8 Banys-Paluchowsky M et al., Gynäkologie 2022; 55: 771–782

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