Im Zuge einer kritischeren Pharmaziebetrachtung hat sich in der klinischen Praxis die Anwendungsmethodik der Protonenpumpenhemmer zur Behandlung von Refluxbeschwerden deutlich verschoben. Man verschrieb die Säureblocker früher offenbar wesentlich unbedenklicher als heute.
Die Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) stellt sich nach Überzeugung des Siegener Internisten Prof. Dr. med. Joachim Labenz wesentlich komplexer dar als noch vor 20 Jahren. Eigentlich handele es sich um eine mechanische Erkrankung, so Labenz, denn tatsächlich sei nicht zu viel Säure vorhanden, sondern diese befinde sich am falschen Ort. Aus pathophysiologischer Sicht hemmen die zur Therapie eingesetzten Protonenpumpeninhibitoren (PPI) nur die Säure, nicht aber den Reflux. Zudem sollte man bedenken: „Nicht jeder GERD-Patient hat typische Refluxprobleme, und nicht jeder Patient mit Refluxsymptomen hat GERD.“
Die eigentliche PPI-Domäne ist laut Labenz die Refluxösophagitis, die gut zu behandeln ist und in leichten Fällen innerhalb von vier bis sechs Wochen abheilt. Schlechter wird die Wirkung der PPI bei der Regurgitation, kaum therapeutischen Effekt zeigen sie bei extraösophagealen Symptomen, auch als „stiller Reflux“ bezeichnet, der bei etwa einem Zehntel der HNO-Patienten zu finden ist. An die Grenzen der PPI-Medikation erinnerte auch Prof. Dr. med. Ahmed Madisch (Frankfurt/Main): Aus einer amerikanischen Studie gehe hervor, dass etwa die Hälfte der mit einem PPI behandelten Patienten symptomatisch blieben. Von ihnen hätten etwa 80 % eine milde und rund 75 % eine schwere Ösophagitis. Es bleibe somit eine Therapielücke von etwa 30 % – oder anders ausgedrückt eine „therapierefraktäre Situation“.
Bei säureunabhängigen Refluxbeschwerden: mechanische Blockade
Bleibt die Refluxsymptomatik auch unter einer mindestens achtwöchigen Therapie mit der doppelten PPI-Dosierung bestehen, sollte eine genauere diagnostische Abklärung der zugrunde liegenden Ursache erfolgen. Zeigen sich dabei säureunabhängige Faktoren für die GERD verantwortlich, kann in manchen Fällen eine Add-on-Therapie mit Alginaten helfen. Das Phytotherapeutikum, dem in einer Metaanalyse ein deutlicher therapeutischer Effekt im Vergleich zu Placebo bescheinigt wurde (Odds Ratio [OR] 4,42; 95%-Konfidenzintervall [95%-KI] 2,45–7,97), zeigte als Add-on zum PPI eine signifikante Überlegenheit gegenüber einer Behandlung mit PPI alleine. In puncto Lebensqualität ergab die Hinzunahme von Alginat zur bestehenden PPI-Therapie in der explorativen Analyse ebenfalls einen signifikanten Vorteil (p = 0,005).
Empfehlung im Leitlinien-Update
Auch in dem in wenigen Monaten erscheinenden Update der S2k-Leitlinie „Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis“ wird es Empfehlungen für die Alginate geben, so Madisch, Mit-Koordinator des LL-Updates. So können Patienten mit typischen Refluxbeschwerden ohne Alarmsymptome, positiver Familienanamnese für Malignome des oberen Verdauungstraktes oder Risikofaktoren für Komplikationen – laut Madisch 80–90 % der Patienten – probatorisch mit Alginaten behandelt werden. Bei einem hypertensiven Ösophagus mit in der pH-Metrie normalem Säurereflux sowie bei Vorliegen einer postprandialen Säuretasche wird ebenfalls die Anwendung von Alginaten empfohlen.
Symposium „GERD-Therapie 2022: Protonenpumpenhemmer (PPI) für alle war früher“ (Veranstalter: Reckitt Benckiser Deutschland GmbH)