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Fokus Naturmedizin

Obstruktive Atemwegserkrankungen

Möglichkeiten und Grenzen der Phytotherapie

Dr. phil. nat. Miriam Neuenfeldt

29.9.2023

Bei Asthma und COPD eignen sich Phytotherapeutika aufgrund ihrer immunmodulatorischen und antiviralen Eigenschaften für die Behandlung akuter Atemwegsinfektionen. Die Symptome des chronisch-entzündlichen Verlaufs können sie als Adjuvanz durch ihre u. a. antiinflammatorischen Attribute abmildern.

Fast ein Viertel von 147 befragten Kindern und ­Jugendlichen mit Asthma bzw. deren Eltern nutzen komplementäre oder alternative Verfahren wie die Phytotherapie. Allerdings ist aus Sicht der Leitliniengruppe der Nationalen VersorgungsLeitlinie Asthma die Evidenz für phytotherapeutische Interventionen heterogen und nicht aussagekräftig genug, um eine Empfehlung dafür oder dagegen auszusprechen [1].

In der Leitlinie zur Therapie der COPD wird zum Muko­lytikum Cineol (Eucalyptol) angegeben, dass bis zur nächsten Auflage die Evidenz zum Eukalyptusinhaltsstoff geprüft wird [2]. Insgesamt sind die Studien zu Phytotherapeutika bei COPD heterogen, häufig zu klein für eine suffiziente Statistik und/oder die Studiendauer zu kurz. Eine geringe Evidenz ist aber nicht gleichbedeutend mit Wirkungslosigkeit.

Anwendung von Phytotherapeutika

Die Phytotherapie kann bei obstruktiven Atemwegserkrankungen zur Behandlung akuter Atemwegs­infektionen und adjuvant zu einer leitliniengerechten Standardtherapie eingesetzt werden. Zudem sind pflanzliche Zubereitungen bei Patienten, die trotz leitliniengerechter Therapie keine ausreichend gute Symptomkontrolle erreichen, zu rechtfertigen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten bestehen bei Patienten, die die Leitlinienmedikation nicht vertragen, sowie bei Patienten, bei denen die Leitlinienmedikation nicht indiziert ist. Die Phytotherapie kann auch sinnvoll sein, wenn die Leitlinienmedikation noch nicht indiziert ist, z. B. bei Patienten mit COPD im Stadium GOLD I. Schwer kranke Patienten mit Asthma oder COPD sollen nicht primär phytotherapeutisch behandelt werden [1,2].

Die Inhalation von ätherischen Ölen bei Asthma und akuten Exazerbationen von COPD ist kontraindiziert, da deren Inhaltsstoffe Exazerbationen auslösen oder verstärken können [3]. Alternativ können reine ätherische Öle als Kapseln, Bronchialbalsam oder Einreibungen angewendet werden oder Fertigarzneimittel (Hustensäfte oder Tabletten) sowie Tees. Nicht nur das Anwendungs-, sondern auch das Wirkspektrum von Phytotherapeutika ist bei obstruktiven Atemwegserkrankungen breit (Abb.). Der Wirkstoffgehalt und damit die Wirkung hängen von der Herkunft der Pflanzen, der Extraktionsmethode, von Standardisierung und Herstellungsverfahren ab. Studienergebnisse beziehen sich folglich konkret auf die getestete pflanzliche Zubereitung [4].

Abbildung Effekte von Pflanzen

Behandlung akuter Atemwegsinfektionen

Die immunmodulatorischen Eigenschaften von Phyto­therapeutika tragen zum Schutz vor bakteriellen Superinfektionen bei. Die antiviralen Effekte sind ebenfalls von Bedeutung, da akute Atemwegs­infekte einen Auslöser für obstruktive Atemwegserkrankungen darstellen können und Exazerbationen bei bestehendem Asthma und COPD triggern. Folglich sollten akute Atemwegsinfekte frühzeitig behandelt werden. Zur Immunmodulation sind z. B. Roter Sonnenhut, Graubehaarte Zistrose, Kapland-Pelargonie, Kapuzinerkresse und Meerrettich geeignet.

Bei akuten Atemwegsinfektionen sind Antitussiva insbesondere bei unproduktivem Reizhusten bzw. bei Husten mit geringen Sekretmengen indiziert. Falls es keine oder keine schnell und effektiv wirkende kausale Therapie gibt (z. B. bei einem Erkältungsinfekt oder einer akuten viralen Bronchitis), ist die vorübergehende Verordnung von Hustenstillern wie Eukalyptus, Efeu, Thymian oder Primel eine Option [2]. Wenn eine Sekretretention zu Husten führt, ist die Förderung der Expektoration das zentrale Behandlungsprinzip (Tab.) [2]. Es gibt mehrere Phytotherapeutika, deren Wirksamkeit auf die Dauer und Intensität des akuten Hustens gegenüber Placebo bei Erkältungsinfekten in randomisierten, kontrollierten Studien (RCT) nachgewiesen wurde, z. B. Präparate aus Efeu, Cineol, einer Mischung aus ätherischem Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöl, Pelargonium sidoides sowie Kombinationspräparate aus Efeu oder Primeln und Thymian [4].

Efeu und Thymian

Bei Infektasthma hat sich vor allem bei Kindern Efeu-Extrakt bewährt. Eine systematische Übersichtsarbeit zu Extrakten aus Efeublättern bei Kindern mit Asthma weist auf eine Verbesserung der Lungenfunktion hin [5]. Zudem ist Efeu-Extrakt gut verträglich und besitzt ein geringes Interaktionspotenzial. Bei Atemwegserkrankungen mit Husten wird oft Thymian eingesetzt. Für einen Thymian-Extrakt konnte gezeigt werden, dass er die mukoziliäre Clearance erhöht und bei Patienten mit COPD nützlich sein kann [6].

Sonnenhut

Zubereitungen aus Echinacea purpurea werden in der traditionellen Medizin ebenfalls häufig bei Atemwegserkrankungen eingesetzt. Echinacea zeigt immunmodulatorische Aktivität und hemmt bei Asthma die Freisetzung von Zytokinen in den Epithelzellen der Bronchien. Zudem zeigt der Echinacea-Komplex bronchodilatorische und antiinflammatorische Effekte, weswegen die begleitende Behandlung mit Echinacea-Zubereitungen bei Asthma in der traditionellen Medizin sinnvoll erscheint [7]. Die immunmodulatorischen Effekte von Echinacea purpurea in Kombination mit Zink, Selen und Vitamin C wurden auch bei Patienten mit COPD in einer RCT untersucht. Echinacea zusammen mit den Mikronährstoffen führte zu signifikant weniger schweren und kürzeren Exazerbationen. Dabei erwies sich die adjuvante Behandlung als sicher und gut verträglich [8].

Pelargonie

Eine Studie zu einem Wurzelextrakt der Kapland-­Pelargonie bei 61 Kindern mit Asthma zeigte einen signifikanten Unterschied bei der Hustenfrequenz, der nasalen Kongestion und der Häufigkeit der Asthmaanfälle durch die Behandlung mit Pelargonium-­Extrakt im Vergleich zu Kindern ohne Prophylaxe [9].

Der Pelargonium-Extrakt wurde auch bei 199 Erwachsenen mit COPD (Stadium GOLD II/III) über 24 Wochen untersucht. Begleitend zur COPD-Standardtherapie verbesserte er die gesundheitsbezogene Lebensqualität und andere Parameter wie Symptomschwere des Hustens, Sputumbildung, retrosternaler Schmerz beim Husten und Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Das Phytotherapeutikum zeigte sich bei Langzeitanwendung als gut verträglich [10]. Eine weitere RCT bei Patienten mit COPD (Stadium GOLD II/III) ergab, dass eine begleitende Therapie über 24 Wochen die Dauer bis zur nächsten Exazerbation verlängerte und die Häufigkeit der Exazerbationen und die Gabe von Antibiotika reduzierte [11].

Cineol und Eukalyptus-Extrakte

Der Hauptbestandteil von Eukalyptuspflanzen, Cineol, ist bekannt für seine mukolytischen, bronchodilatorischen, antiinflammatorischen, antiviralen und antimikro­biellen Eigenschaften. Eine RCT zur adjuvanten Therapie mit Cineol (3 × 200 mg/Tag) über 6 Monate zeigte eine Verbesserung von unkontrolliertem Asthma. Lungenfunktion, nächtliches Asthma und Lebensqualität verbesserten sich signifikant. Bei Patienten mit COPD führte die adjuvante Cineol-Therapie zu einer Reduktion der Exazerbationen um 38,5 % während des Winters [12]. Nicht nur der Hauptinhaltsstoff des Eukalyptus zeigte Vorteile bei obstruktiven Atemwegserkrankungen. Auch ein Spezialdestillat der Kombination aus Eukalyptus-, Süßorangen-, Myrten- und Zitronenöl führte zu prophylaktischen Effekten hinsichtlich Exazerbationen und zur Symptomlinderung bei Patienten mit COPD vom Phänotyp einer chronischen Bronchitis [13].

Tabelle Pflanzliche Expektoranzien

Pflanzen mit antiinflammatorischen Effekten

Für die ätherischen Öle aus Fenchel und Kreuzkümmel konnten starke antiinflammatorische, anti­mikrobielle, antivirale und antiallergische Effekte gezeigt werden, die einen Einsatz bei inflammatorischen Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD rechtfertigen [14]. Primelöl zeigte ebenfalls starke antiinflammatorische Effekte und wird daher begleitend bei Patienten mit Asthma eingesetzt [15]. Die durch Weihrauch vermittelte Entzündungshemmung wurde in zahlreichen Studien beobachtet. Klinische Studien zu Weihrauch bestätigten die Wirksamkeit bei Patienten mit Asthma [16].

Das Expertenstatement

Univ.-Prof. Dr. med. Jost Langhorst
Chefarzt der Klinik für Integrative Medizin und Naturheilkunde, Stiftungslehrstuhl für Integrative Medizin der Universität Duisburg-Essen
Sozialstiftung Bamberg, Klinikum am Bruderwald

www.sozialstiftung-bamberg.de

Zur Behandlung der COPD gibt es in der Leitlinie ­keine explizite Empfehlung für die Phytotherapie, da es an randomisierten, kontrollierten Studien mangelt. Dennoch können Patienten pflanzliche Anti­tussiva und vor allem Expektoranzien im Zuge der Selbsthilfestrategie empfohlen werden. Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen empfehle ich Hustentees mit Thymian, Huflattich, ­Spitzwegerich, Königskerze, Schlüsselblume, Süßholzwurzel und/oder Lindenblüten. Auch Zubereitungen aus Eibisch, Malve, Isländisch Moos, Primel, Efeu und besonders Thymian sind von Vorteil, da sie mukolytische Wirkung entfalten. Das Thymol des Thymians scheint selbst in den Alveolen zu wirken, da es dort nachweisbar ist.

Zu dem aus Eukalyptusöl gewonnenen Cineol in Kapselform gibt es bei Asthma Daten aus randomisierten, kontrollierten Studien. Diese zeigen, dass durch den zusätzlichen Einsatz von Cineol akute Asthma­anfälle und Symptome bei steroidpflichtigem Asthma reduziert werden können. Auch bei COPD gibt es Hinweise auf eine verbesserte Lungenfunktion und reduzierte Häufigkeit von Exazerbationen durch Cineol. Die Kombination aus Cineol und Vitamin D scheint bei COPD synergistisch zu wirken: Es wurde eine Senkung von Entzündungsmarkern wie TNF-α beobachtet.

Generell ist die naturheilkundliche Therapie chronifizierter Atemwegserkrankungen patientenindividuell und multimodal. Begleitend zur leitliniengerechten Standardtherapie können Atemtherapie, entspannungs- und achtsamkeitsbasierte Verfahren oder eine antientzündliche Ernährung mit der Phytotherapie kombiniert werden. So kann die Lebensqualität der Patienten relevant verbessert werden. Bei COPD steht außerdem die Rauchentwöhnung im Vordergrund.

Fazit

Phytotherapeutika mit Pelargonie, Efeu, Thymian oder Sonnenhut sind für die Behandlung akuter Atemwegserkrankungen bei Asthma und COPD bzw. zur Prophylaxe obstruktiver Atemwegserkrankungen von Bedeutung. Cineol und Eukalyptus-Extrakte sowie Pelargonium-Extrakte können in der Adjuvanz zur Symptomlinderung obstruktiver Atemwegs­erkrankungen beitragen. Aufgrund ihrer stark antiinflammatori­schen Effekte kann die Therapiebegleitung mit Zubereitungen aus Fenchel, Kreuzkümmel, Primel oder Weihrauch von Vorteil sein.

1 Bundesärztekammer et al., Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma, 4. Aufl. Version 1; 2020
2 Bundesärztekammer et al., Nationale VersorgungsLeitlinie COPD, 2. Aufl. Version 1; 2021
3 Schmiedel V et al., Leitfaden Naturheilkunde – Methoden, Konzepte und praktische Anwendung, 7. Aufl. München: Elsevier; 2017
4 Kardos P et al., S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie von erwachsenen Patienten mit Husten. AWMF-Reg.-Nr.: 020-003; 2019
5 Hofmann D et al., Phytomedicine 2003; 10: 213–20
6 Nabissi M et al., Biomed Pharmacother 2018; 105: 1248–53
7 Šutovská M et al., J Ethnopharmacol 2015; 175: 163–71
8 Isbaniah F et al., J Clin Pharm Ther 2011; 36: 568–76
9 Tahan F et al., Phytomedicine 2013; 20: 148–50
10 Matthys H et al., Curr Med Res Opin 2018; 34: 1245–51
11 Matthys H et al., Respir Med 2013; 107: 691–701
12 Juergens LJ et al., Adv Ther 2020; 37: 1737–53
13 Beeh KM et al., Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2016; 11: 2877–84
14 Korinek M et al., Front Pharmacol 2021; 12: 674095
15 Timoszuk M et al., Antioxidants (Basel) 2018; 7: 108
16 Efferth T et al., NeuSemin Cancer Biol 2022; 80: 39–57

Bildnachweis: Man As Thep (gettyimages), privat

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