Fast jede Frau leidet irgendwann einmal unter einer Scheideninfektion mit Juckreiz, Ausfluss, Brennen und Schmerzen. Und viele Frauen schlagen sich immer wieder mit diesen quälenden Symptomen herum. Dann lohnt eine ganzheitliche Betrachtung der Patientin und ihres Mikrobioms.
Eine wichtige Rolle bei der vaginalen Besiedlung spielen Milchsäure-bildende Döderleinbakterien, die mit ihren Stoffwechselprodukten für ein saures Milieu sorgen (pH-Wert 3,5 – 4,5), das weitgehend vor pathogenen Keimen schützt. Candida-Pilze und Anaerobier verändern dieses Milieu und können damit Auslöser für Sekundärinfektionen sein. Für diese Veränderungen gibt es viele mögliche Auslöser. Vielen Patientinnen ist nicht bewusst, dass sie mit allzu sorgfältig betriebener oder falscher Intimhygiene ihre Vaginalflora schädigen. Das gilt für Reinigungsprodukte (v. a. solche mit basischem pH-Wert) ebenso wie für parfümierte und antibakterielle Slipeinlagen. Man sollte es tatsächlich gebetsmühlenartig wiederholen: Klares Wasser reicht zur Reinigung des Intimbereichs völlig aus. Dabei unbedingt immer von vorn nach hinten spülen, um keine Darmkeime in die Scheide zu verschleppen. Und wem das nicht reicht, der sollte auf gut verträgliche, milde Reinigungs- und Pflegeprodukte mit saurem pH-Wert (< 7) achten. Geschlechtsverkehr und Schwimmbadbesuche sollten für eine gesunde Scheidenflora im Normalfall kein Problem sein. Schlimmere Folgen hat oft die Benutzung von Tampons. Sie trocknen die Vaginalschleimhaut aus. Zudem wurden in vielen Tampons Chemikalien nachgewiesen, die über die Schleimhaut in den Körper aufgenommen werden.
Stress und Überlastung beeinträchtigen das Immunsystem und damit auch das Ökosystem der Haut und der Schleimhäute. Manche Frauen reagieren auf Stress mit Magen- oder Darmbeschwerden, andere mit Asthma, Neurodermitis oder rezidivierenden Infektionen. Dahinter können Partnerschaftsprobleme stecken, alle Arten von Ängsten, Erfolgsdruck bei Kinderwunsch und viele andere als belastend empfundene Situationen. Die vermehrte Produktion des Stresshormons Adrenalin schaltet den Stoffwechsel in den „Flucht- oder Kampf-Modus“, dadurch wird umgekehrt das Immunsystem zurückgefahren und die Durchblutung (mit Ausnahme der Skelettmuskeln) reduziert. Schleimhäute – inklusive der Vaginalschleimhaut – werden weniger durchblutet, dadurch trockener. Sie werden anfälliger für Viren und andere Erreger und vermindern nicht zuletzt die sexuelle Appetenz (> Sexualität). Und negative Gedanken wie „Diese Entzündungen geht nie mehr weg“ oder „Was mache ich denn, wenn es beim nächsten Mal Sex wieder so wehtut?“ halten die unselige Spirale von Angst, Anspannung und Schmerz am Laufen. Pflanzliche Heilmittel wie Johanniskraut, Baldrian oder Passionsblume können helfen, den gefühlten Stress zu reduzieren und so zur Reduktion von Infektion und Entzündung beitragen. Das Gleiche gilt für homöopathische Mittel und Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Yoga oder progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Auch das bewusste und verlangsamte Ein- und Ausatmen kann helfen: Beim Ein- und Ausatmen jeweils ganz langsam von eins bis vier zählen. Das kann jede Frau leicht in ihren Alltag einbauen und damit andere Therapieformen unterstützen. Partnerschaftskonflikte bergen ebenfalls ein hohes Potenzial für Entzündungen in sich. Eine Frau, die ihren Partner nicht mehr liebt, nicht mehr körperlich begehrt oder sich durch sein Verhalten abgestoßen fühlt, bringt ihren Widerstand gegen sexuelle Begegnungen häufig über Infektionen zum Ausdruck. Wenn es brennt, juckt, beißt oder schmerzt, muss immer auch thematisiert werden, was in der Partnerschaft die „Brennpunkte“ sind. Seelische Verletzungen und Traumata, die das Selbstwertgefühl als Frau dramatisch verletzen, schlagen sich häufig in Form schlecht oder nicht heilender Entzündungen der Vaginalschleimhäute nieder. Auch hohe Selbstansprüche und übermäßige Disziplin hinterlassen deutliche Spuren von Negativität im Körper und können dazu beitragen, dass Entzündungen viel hartnäckiger sind als ohne solche tief sitzende Belastung. Hier kann eine psychotherapeutische Behandlung unterstützen. Eine andere Lösung, um an solche unbewussten Glaubenssätze heranzukommen, ist die PSE (Positive Selbst-Entfaltung durch Psychosomatische Energetik), die mit energetischer Stärkung und homöopathischer Auflösung der seelischen Blockaden arbeitet. Dazu gehören auch „Hausaufgaben“ für die Patientin, wie einen Liebesbrief an sich selbst zu schreiben: „Liebe Edith, Dich finde ich ganz besonders reizend, weil …“ Und so ein Brief sollte wenigstens zwei bis drei Seiten umfassen. So kann die Aufmerksamkeit auf das gelenkt werden, was gut ist und weg von dem, was immer nervt oder wehtut: „Ich bin grundsätzlich in Ordnung, auch wenn ich im Moment noch eine Entzündung an der Scheide habe.“ Aber bevor man die Ursache auf die Psyche schiebt, sollte man wirklich eine klare Diagnose stellen. Oft kommen Frauen in die Sprechstunde und wollen wieder „die Zäpfchen gegen meinen Pilz“, die überhaupt keinen Pilz haben. Oft ist die Schleimhaut dann durch Pilzbehandlungen geschädigt oder es steckt eine Hormonstörung dahinter, die behandelt werden kann – und schon ist dann die „psychische Ursache“ aus dem Weg geräumt.
Wie die Mikrobiomforschung der vergangenen Jahre gezeigt hat, gibt es kaum einen Bereich in unserem Körper, der nicht durch unsere Darmflora beeinflusst wird. Wie wir heute wissen, führt die Fehlbesiedlung des Darms zu einer chronisch gereizten Darmschleimhaut und zu einem undichten Darm (Leaky-Gut-Syndrom). So gelangen Substanzen, die eigentlich im Darm bleiben sollten, in den Blutkreislauf und in den übrigen Körper, wo sie zu Allergien und chronischen Entzündungen führen können. Der Ausfluss über die Scheide spielt als Exkretionsweg eigentlich nur eine geringe Rolle. Normal ist ein leichter, im Monatszyklus schwankender Ausfluss. Nicht normal ist es, wenn dieser Ausfluss deutlich riecht oder Slipeinlagen mehrmals täglich gewechselt werden müssen. Das kann darauf hindeuten, dass eine stärkere Darmstörung durch eine erhöhte Entgiftung auf diesem Wege kompensiert wird. Stark verarbeitete Lebensmittel, Lebensmittelzusatzstoffe (E-Stoffe) und eine Fehlbesiedlung des Darms führen zur verstärkten Bildung von freier Flüssigkeit, die sich im Bauchraum sammelt und über die Eileiter, Gebärmutter und Scheide abfließt. Die basische Flüssigkeit begünstigt durch einen pH-Wert-Anstieg aufsteigende Scheideninfektionen. Auch wiederkehrende Blasenentzündungen können durchaus in diesem Zusammenhang stehen. Neben der richtigen Intimpflege und lokalen Maßnahmen zur Pflege der Scheidenflora (Milchsäurebakterien-haltige Vaginalzäpfchen) lohnt sich besonders, insbesondere bei Frauen, die immer wieder unter vaginalen Problemen wie Juckreiz, Scheidenpilzen usw. leiden, eine sorgfältige Darmsanierung. Diese umfasst in der Regel eine mehrmonatige Gabe von natürlicherweise im Darm siedelnden Bakterien (Symbionten, Probiotika). Frauen mit „Pilzerfahrung“ können zudem bei den ersten Anzeichen drei Tage lang Antimykotika einführen. Bei ernsteren Pilzinfektionen und geschwächtem Immunsystem kann es sein, dass die Pilzsporen, die sich tief ins Gewebe eingraben können, von einfachen Antipilzmitteln nicht erreicht werden. Dann sind Mittel nötig, die Pilze und Sporen abtöten (z. B. Fluconazol).
Von ganz besonderer Bedeutung ist das weibliche Mikrobiom während der Schwangerschaft. Lange galt es als gesichert, dass die erste Kolonisierung während der Geburt im Vaginalkanal erfolgt, denn die Darmflora von Neugeborenen ist geprägt von Bakterien der Gattungen Lactobacillus, Prevotella und Sneathia, die auch im vaginalen Mikrobiom dominant sind. Mittlerweile gibt es Hinweise, dass der Fetus bereits in utero mit Bakterien in Kontakt kommt. So oder so wird er aber in erster Linie vom mütterlichen Bakterien besiedelt. Dabei ist dann auch die Frage spannend, ob der weibliche Fortpflanzungstrakt unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften jenseits der Vagina beherbergt – und wenn ja, welche? Eine Studie mit 110 Frauen im gebärfähigen Alter untersuchte die Art der Kolonisierung durch Sequenzierung der 16S rRNA und fand unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften in Zervixkanal, Uterus, Tuben und Peritonealflüssigkeit, die sich von denen der Vagina unterscheiden. Die Ergebnisse spiegeln ein Mikrobiota-Kontinuum entlang des weiblichen Fortpflanzungstrakts wider, was auf eine nicht sterile Umgebung hinweist. Schwangere, die zu vaginalen Infektionen neigen, können zur Kontrolle selbst regelmäßig den Säuregrad ihrer Scheide kontrollieren. Dafür gibt es spezielle Handschuhe mit pH-Messplättchen an der Fingerspitze. Wenn keine Risikoschwangerschaft besteht, kann sie auch prophylaktisch jeden Abend Vitamin C tief in die Scheide einführen. Im Übrigen gelten dieselben Pflege- und Vorsorgetipps wie außerhalb der Schwangerschaft.
Vaginal- und Harnwegsinfektionen der Frau
Scheideninfektionen gehen in der Regel mit einer reduzierten Zahl an H2O2-produzierenden Laktobazillen einher. Gardnerella vaginalis vermehrt sich besonders auf mangelhaft aufgebauter Scheidenschleimhaut. Diese Infektion kommt in der Postmenopause oder unter niedrig dosierten KOK vor. Der Ausfluss ist eher klar und dünnflüssig und riecht nach Fisch. Juckreiz kann, muss aber nicht in diesem Zusammenhang auftreten. Bei rezidivierenden Infekten im Vaginalbereich sind ätherische Öle im Zusammenhang mit einer ganzheitlichen Behandlung eine wertvolle Hilfe. Dabei ist es sinnvoll, ein Aromatogramm anzulegen und nach diesen Ergebnissen eine individuelle Zubereitung herzustellen. Nach überstandener Akutinfektion bieten sich unterstützende Maßnahmen an, z. B. die vaginale Applikation von Vitamin C. Unter dem Einfluss des Vitamin C kann sich die eigene Scheidenflora wieder regenerieren und auch mit Milchsäurebakterien lässt sich das Scheidenmilieu verbessern. Diese Bakterien werden nicht unbedingt sesshaft. Sie können das Vaginalmilieu aber so positiv verbessern, dass die körpereigene verbliebene Restflora sich dadurch wieder ausbreiten kann. In den Leitlinien zur Prävention rezidivierender Harnwegsinfektionen (HWI) heißt es: „Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau soll vor jeder medikamentösen Langzeitprävention eine ausführliche Beratung der Patientin zur Vermeidung von Risikoverhalten erfolgen (Ib-A). Wurden diese Präventionsmaßnahmen adäquat umgesetzt und bestehen weiterhin rezidivierende HWI, sollte vor Beginn einer antibiotischen Langzeitprävention das Immunprophylaktikum Uro-Vaxom® (OM-89) oral über drei Monate eingesetzt werden (Ia-B), ebenfalls kann das Immunprophylaktikum StroVac® parenteral mit drei Injektionen in wöchentlichen Abständen verwendet werden (Ib-C). Bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau kann darüber hinaus Mannose empfohlen werden (Ib-C).“ Alternativ empfiehlt die Leitlinie als Phytotherapeutika Präparate aus Bärentraubenblättern, Kapuzinerkressekraut / Meerrettichwurzel (Ib-C). Präparate mit Bärentraubenblättern enthalten verschiedene Stoffgruppen, die für die Bekämpfung unkomplizierter HWI relevant sind. Das Phenolglykosid Arbutin wirkt dabei beispielsweise antibakteriell. Die enthaltenen Tannine verhindern das Andocken der Bakterien an die Urothelzellen und vermindern so deren Virulenz. Gleichzeitig fördern Bärentraubenblätter das Ausspülen der Erreger mit dem Harnstrahl. Red.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard
Albert-Überle-Straße 11
69120 Heidelberg
[1] Chen C et al., Nat Commun 2017; 8: 875
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