Am Weltadipositastag, dem 04. März, soll der Fokus auf das weltweit zunehmende Problem der Adipositas gelenkt werden. Denn oft erhalten Betroffene trotz deutlicher gesundheitlicher Probleme keine Diagnose und keine Behandlung.
Allein in Deutschland sind 13,9 Mio. Erwachsene betroffen. Experten rechnen bis 2025 mit weiteren drei Millionen Adipösen. Auch Typ-2-Diabetiker im Kindes- und Jugendalter sind schon lange keine Seltenheit mehr. In Mexiko sind rund 60% der Kinder unter zwölf Jahren adipös. Insbesondere Ärzte wissen um die Folgen für die Gesundheit und die Lebensqualität. So ist Adipositas mit etwa 200 Komorbiditäten und Komplikationen assoziiert. Die Gründe sind ebenso vielfältig wie die Folgen. Am Ende haben Menschen mit Adipositas eine bis zu zehn Jahre reduzierte Lebenserwartung. Bei adipösen Schwangeren ist das Abortrisiko um bis zu 50% gegenüber Normgewichtigen erhöht. Obwohl Adipositas seit dem Sommer 2020 sogar vom Deutschen Bundestag als Krankheit anerkannt ist, wird sie oft nicht hinreichend diagnostiziert und behandelt.
Ein Grund dafür ist die verbreitete Stigmatisierung der Adipositas. Sie verhindert oft, dass Ärzte und Patienten das offene Gespräch suchen. Laut einer Umfrage des Markforschungsinstituts Appinio aus dem Frühjahr 2022 glaubt nur ein knappes Drittel der Ärzte, dass ihre Patienten überhaupt motiviert seien, Gewicht zu verlieren. Rund 71% der Befragten sprechen ihre Patienten deswegen nicht auf eine Gewichtsreduktion an. Menschen mit Adipositas wünschen sich zwar, von ihrem behandelnden Arzt auf das starke Übergewicht angesprochen zu werden, aber nur 51% der Betroffenen würden das Thema von sich ansprechen. „Es gibt bei der Thematik große Berührungsängste und eine Stigmatisierung der Betroffenen. Als Vertrauenspersonen müssen wir Ärzte um der Gesundheit Willen offen und neutral mit dem Patienten kommunizieren und Handlungsoptionen aufzeigen“, sagt Dr. Sylvia Weiner, Chefärztin der Klinik für Bariatrische und Metabolische Chirurgie am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main. Sie wirbt für einen wertschätzenden und behutsamen Umgang ihrer Kollegen mit Menschen mit Adipositas.
"Nicht warten, bis der BMI bei 40 ist"
Prof. Dr. Frank Louwen, Chefarzt am Universitätsklinikum der Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, sieht zumindest für den weiblichen Teil der Bevölkerung die Frauenärzte in der Pflicht. Diese haben den Vorteil, auch gesunde Patientinnen in regelmäßigen Abständen zu sehen und bei beginnender Adipositas zeitnah gegensteuern zu können. Wichtig ist der empathische Ansatz für das Gespräch. „Wenn Sie einer 30-Jährigen mit BMI 35 sagen, sie müsse jetzt mal abnehmen, kann das hoch kontraproduktiv sein. Sie wird vielleicht anfangen zu weinen, aber nicht wiederkommen – denn sie hat dieses Problem seit Jahren und ist immer wieder gescheitert, wir müssen das trotzdem ansprechen und den Frauen dann den Weg zu einer interdisziplinären Therapie weisen“, so Louwen. Es gibt keinen „Point of no return“ beim BMI. „Wer mit einem BMI von 27 auf 25 zurückkommen will, hat das gleiche Problem wie jemand, der von 42 auf 40 runter möchte. Deshalb ist es wichtig, dass man in der Adipositasbehandlung früh einsteigt und nicht wartet, bis der BMI bei 40 ist“, ergänzt Prof. Arya Sharma von der University of Alberta.
Spätestens 2024 soll ein Disease Management Programm für Adipositas etabliert sein. Solange müssen Ärzte lernen, dass die chronische Krankheit Adipositas auch dauerhaft therapiert werden muss – wie Diabetes oder Hypertonie. Davon sei man jedoch noch weit entfernt, sagt Sharma.
Pressemitteilung Novo Nordisk Pharma, März 2022
Pressekonferenz Novo Nordisk Pharma, Oktober 2021