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Gynäkologie

Auf der Suche nach dem richtigen Weg

Ultraschall im Kontext von NIPT

Prof. Dr. med. Markus Hoopmann, Prof. Dr. med. Karl Oliver Kagan

9.2.2024

Die steigende Nachfrage nach nicht invasiven Pränataltests geht aktuell mit einem proportionalen Rückgang des Ersttrimesterscreenings einher. Eine durchaus besorgniserregende Entwicklung. Dieser Beitrag diskutiert Ansätze, wie die beiden Welten sinnvoll miteinander verknüpft werden könnten.

Seit Einführung des „nicht invasiven Pränataltests“ (NIPT) auf der Basis von zellfreier fetaler DNA (cfDNA) als zugelassenes Untersuchungsverfahren hat sich die Anwendung als Instrument für die Screeninguntersuchung auf Trisomie 21, 18 und 13 in der Schwangerschaft rasch verbreitet. Insbesondere durch die Einbindung in die Mutterschaftsrichtlinien und die Möglichkeit einer Kostenübernahme für gesetzlich versicherte Schwangere ist es zum sprunghaften Anstieg der Nachfrage seit Juli 2022 gekommen [1].

NIPT – vom Einzelfall zum Standard?

Gemäß G-BA ist die Kostenübernahme eigentlich auf „begründete Einzelfälle“ beschränkt, bei denen „im Rahmen der ärztlichen Schwangerenbetreuung die Frage entsteht, ob eine fetale Trisomie vorliegen könnte, und die Ungewissheit für die Schwangere eine unzumutbare Belastung darstellt“. Eine Überprüfung der resultierenden Inanspruchnahme ist zwar bei Beschlussfassung angedacht gewesen, aber die Umsetzung einer solchen Abfrage bleibt zurzeit noch offen. Die aktuelle Entwicklung, die sich aus den Zahlen einzelner Großlabore ergeben, lassen jedoch eine niederschwellige Indikationsstellung erwarten. Die Indikationsstellung ist an ein erhöhtes Risiko geknüpft, ohne jedoch einen Schwellenwert zu benennen. Eine vorangehende Ultraschalluntersuchung ist nicht vorgesehen.

Der Erfolg des Tests beruht maßgeblich auf der sehr guten Screeningperformance bezüglich Trisomie 21, 18 und 13. Hier werden in zahlreichen Studien Detektionsraten von 97–99 % belegt, bei einer Falsch-Positiv-Rate (FPR) von 0,1 % [2,3]. Diese Ergebnisse sind denen des klassischen kombinierten Ersttrimesterscreenings (ETS) als Risikokalkulation auf der Basis von Alter, Nackentransparenzmessung und Serumbiochemie (PAPP-A, β-hCG) signifikant überlegen. Die Detektionsraten sind zwar mit 92–96 % nur moderat niedriger, aber die FPR muss mit ca. 5 % als relevant höher eingestuft werden [4].  

Während ein ETS unabdingbar mit einer differenzierten Ultraschalluntersuchung des Feten verknüpft sein muss, bedingt die Durchführung eines NIPT lediglich eine Beratung gemäß dem Gendiagnostikgesetz und die Durchführung einer Blutabnahme. Die Beschränkung auf die reine Laboruntersuchung fokussiert die Ersttrimesterdiagnostik auf die Trisomie 21, 18 und 13. Jedoch entspricht dies weder dem expliziten Wunsch der Schwangeren noch der Zielsetzung der Mutterschaftsvorsorge als Instrument zur Erkennung von Risikofaktoren für die perinatale Morbidität und Mortalität von Mutter und Kind.

Die werdenden Eltern nehmen die Untersuchungen meist aus einer ungerichteten Sorge um die Gesundheit ihres Kindes wahr. Die NIPT-basierte ­Trisomiediagnostik wird hierbei aufgrund der aktuellen hohen öffentlichen Aufmerksamkeit fälschlicherweise als wichtigster Aspekt zur Absicherung der kindlichen Gesundheit eingeschätzt. Ungefähr 80 % der Fehlbildungen sind jedoch strukturell-anatomischer ­Natur, nicht mit Trisomien assoziiert und ausschließlich durch eine differenzierte sonografische Diagnostik der fetalen Anatomie detektierbar. Bespielhaft seien hier Herzfehler, Neuralrohrdefekte, Extremitätendefekte oder Lippen-­Kiefer-Gaumen-Spalten genannt. Weiterhin bleibt bei einem Trisomie-zentrierten Screening – wie vom G-BA vorgesehen – unberücksichtigt, dass weitere chromosomale Pathologien (seltene Trisomien, ­Mikrodeletionen/-duplikationen, Translokationen, uniparentale Disomien) und auch das große Feld der Einzelgendefekte durch den „Kassen-NIPT“ ­unberührt bleiben.

Neben der fetalen Diagnostik bietet das ETS auch ein Screening auf Präeklampsie, IUGR und Frühgeburtlichkeit. Diese Schwangerschaftskomplikationen übertreffen in ihrer Prävalenz die fetalen Fehlbildungen um ein Vielfaches. Insbesondere das Präeklampsiescreening bietet durch die Option einer Aspirin-Gabe eine nachweislich effektive Präventionsmaßnahme für Hochrisiko-Patientinnen [5].

Folglich muss die Frage aufgeworfen werden, wie man die unbestreitbare Trisomie-Screening-Performance des NIPT so in ein Konzept einbindet, dass man den Nutzen des bis dato etablierten ETS bezüglich anatomischer Fehlbildungsdiagnostik, triagierter genetischer Diagnostik und Präeklampsiescreening nicht fahrlässig über Bord wirft.

Im Folgenden möchten wir einige denkbare ­An­sätze diskutieren. Dabei berücksichtigen wir ausschließlich medizinische und teils volkswirtschaftliche Aspekte. Die Frage, inwieweit welche Ultraschall-Leistung ­flächendeckend von der gesetz­lichen Krankenversicherung gedeckt wird, muss zukünftigen Entscheidungen des G-BA überlassen bleiben.

Neue Ansätze diskutieren

Ein denkbarer Ansatz wäre, dass vor der Veranlassung eines NIPT bei frühestens 10+0 SSW lediglich ein Ersttrimester-Ultraschall gemäß den Mutterschaftsrichtlinien erfolgt. Dieser Ultraschall wird frühestens 8+0 SSW durchgeführt. Die strukturelle Fehlbildungsdiagnostik zum Ausschluss Nicht-Trisomie-assoziierter Fehlbildungen fokussiert in diesem Fall ausschließlich auf den Zweittrimester-Ultraschall (18+0–21+6 SSW). Der Frühultraschall ab 8+0 SSW ist bezüglich der Beurteilung der fetalen Anatomie sehr limitiert, liefert trotzdem unverzichtbare Informationen, die in bis zu 10 % der Untersuchungen das Management des angestrebten NIPT verändern [6]. Dies betrifft die Vitalität der Schwangerschaft, die Überprüfung des Gestationsalters, die Detektion von Mehrlingsschwangerschaften sowie die Erkennung grober Auffälligkeiten (z. B. früher Hydrops oder Body-Stalk-Anomalie). Dies muss als Mindeststandard angesehen werden.

Vorteil einer solchen Strategie mit Fokus der Fehlbildungsdiagnostik auf das zweite Trimenon wäre, dass sie kosten- und personalschonend wäre. Der organdiagnostische Ultraschall würde ausschließlich zum Zeitpunkt seiner besten Aussagefähigkeit durchgeführt, sodass das Risiko falsch-positiver oder verunsichernder Befunde gesenkt würde.

Diesen Überlegungen entgegengestellt werden muss das nachgewiesene Potenzial der sonografischen Organdiagnostik bei 11+0–13+6 SSW. Es finden sich zahlreiche Surrogatparameter, die Risiko­kollektive definieren, bei denen gezielt und frühzeitig auf bestimmte Fehlbildungen und Anomalien geachtet werden muss. Wichtigster und einfachster dieser Parameter bleibt die Vermessung einer verdickten Nackentransparenz (NT). Eine NT von 3,5 mm (> 99. Perzentile) steigert das Risiko sowohl für die häufigen Trisomien wie auch für alle anderen chromosomalen bzw. genetischen Veränderungen, sodass nur eine diagnostische Punktion und Einbindung ­moderner genetischer Methoden (Array-CGH, Trio-­Whole-Exome-Sequencing) eine adäquate Diagnose­findung ermöglichen [7].

Auch das Risiko fetaler Herzfehler steigt signifikant, insbesondere wenn die NT-Erweiterung mit einem pathologischen Flow im Ductus venosus und/oder über die Tricuspidalklappe assoziiert ist, sodass bei diesen Feten eine gezielte und frühzeitige fetale Echokardiografie die Folge sein sollte [8]. Weiteres Beispiel ist die Spina bifida aperta: bei dieser Fehlbildung kann in bis zu 79 % der Fälle eine frühzeitige Diagnosestellung durch Beurteilung von Veränderungen im Bereich der Fossa posterior (inner translucency (IT), BS/BSOB-Ratio, Cisterna magna) im 1. Trimenon erfolgen [9].

Die Detektionsrate struktureller Fehlbildungen ist von der Prävalenz schwerer Fehlbildungen im untersuchten Kollektiv abhängig. Sie reicht von 32 % in Low-risk-Kollektiven bis über 60 % in High-risk-­Kollektiven [10,11]. Die direkte sonografische Erkennung folgender Fehlbildungen ist in 11+0–13+6 SSW nahezu immer möglich und sollte daher bei Durchführung eines Ultraschalls innerhalb dieses Zeitraumes diagnostiziert werden: Akranie/Exencephalie, große Encephalocele, alobäre Holoprosencephalie, Omphalozele, Gastroschisis, Body-Stalk-Anomalie/ Cantrellsche Pentalogy und Megazystis.

Würde man also bewusst auf diese diagnostischen Möglichkeiten im Zeitfenster 11+0–13+6 SSW verzichten, würde sich in den meisten Fällen die Diagnosestellung auf einen differenzierten Zweittrimesterschall verlagern. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf den Zeitpunkt eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei vielen Fehlbildungen zur Prognoseeinschätzung eine diagnostische Punktion und vollständige genetische Aufarbeitung erforderlich ist. Während eine Karyotypisierung bis zum vollständigen Ergebnis in der Regel 2 Wochen in Anspruch nimmt, benötigen Array-CGH und Trio-Whole-Exome-Sequencing ebenfalls mehrere Wochen. Wenn man diese Untersuchungen sequenziell startet, sind Untersuchungszeiten von 4–10 Wochen bis zum Endergebnis möglich. Folglich kann sich die Befundstellung bis in die Lebensfähigkeit des ungeborenen Kindes verzögern.

Sollte die Diagnose für die werdenden Eltern zum Entschluss für einen Schwangerschaftsabbruch führen, ist das Gestationsalter von großer Bedeutung. Zum einen ist die Frage, ob der Abbruch mittels Saugkürretage noch durchführbar ist. Nach dem 1. Trimenon wird im Regelfall eine medikamentöse Abortinduktion erfolgen, im Bereich der Lebensfähigkeit in Kombination mit einem Fetozid. Die verfügbaren Kliniken für Abbrüche in hohen Schwangerschaftswochen sind limitiert. Doch nicht nur logistische Probleme und die psychologische Belastung sind zu beachten, die maternale Morbidität und Mortalität im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen ist relevant und steigen mit zunehmendem Gestationsalter signifikant [12].

Was spricht für, was gegen frühe Diagnostik?

In Anbetracht dieser Argumente fällt es schwer nachzuvollziehen, warum einer Schwangeren ein NIPT unter Verzicht dieser diagnostischen Möglichkeiten angeboten werden soll. Wenn man also eine frühe Fehlbildungsdiagnostik durchführt, bliebe noch die Frage, ob man diese nach einem bereits in 10+ SSW durchgeführten NIPT durchführt, oder grundsätzlich vor der Abnahme der NIPT. Vorteil der ersten Option wäre eine frühzeitige Beruhigung von verunsicherten Patientinnen mit erhöhtem Hintergrundrisiko. Weiterhin würde es im Falle eines Testversagens, welches in bis zu 2–5 % der NIPT-Untersuchungen auftritt, die Alternative eines Ersttrimesterscreenings ermöglichen [13].

Zu bedenken ist jedoch, dass die bewusst frühe Durchführung des NIPT diese Versagerquote erhöht. Problematisch wäre weiterhin, dass im Falle von auffälligen Befunden doppelte Kosten durch die kombinierte Durchführung von NIPT und diagnostischer Punktion entstehen würden. Nicht zuletzt ist zu beobachten, dass auffällige NIPT-Befunde auch ohne weitere Abklärung und adäquate humangenetische Beratung über den Weg der Fristenregelung gemäß § 218a Abs. 1 StGB noch einem Abbruch zugeführt werden. Die Rate der Eltern, die sich in der Regel eigeninitiativ für diesen Weg ohne geklärte Diagnose entscheiden, ist nicht objektiv zu erheben, aber ein real existierendes Problem. Dabei stellt ein auffälliger zellfreier DNA-Befund keine diagnostische Untersuchung dar, sondern ist auch weiterhin als auffälliges Ergebnis einer Screening-Untersuchung zu werten, das noch Raum für eine normale Entwicklung des Feten gibt.

Insofern erscheint eine frühe Feindiagnostik des Feten im Zeitfenster 11+0–13+6 SSW vor der Durchführung eines NIPT als rationalster Ansatz. Es kann zu diesem Zeitpunkt die Kombination mit einem Präeklampsiescreening erfolgen. Bei Auffälligkeiten im Sinne einer deutlich erweiterten NT oder strukturellen Fehlbildungen kann zielgerichtet eine diagnostische Punktion zur frühzeitigen Erhebung einer verlässlichen genetischen Diagnose ohne Zeitverlust angeboten werden. Bei unauffälligem Ultraschall kann mit den Eltern diskutiert werden, ob ein kombiniertes ETS mit PAPP-A/β-hCG durchgeführt wird, und NIPT nur bei Befunden mit resultierendem intermediärem Risiko (1 : 11–1 : 1 000) second-line erfolgt.

Mit diesem Kontingent-Konzept, wie es in vielen Ländern wie der Schweiz etabliert ist, sind Detektionsraten von 98,7 % bei einer FPR von 0,7 % für Trisomie 21 belegt. Alternativ kann allen Patientinnen mit unauffälligem Ultraschall NIPT (mit ­G-BA-konformer Indikation) angeboten werden. Die Detektionsrate wird dadurch jedoch nicht ­signifikant im Vergleich zum Kontingent-Ansatz erhöht [14].  Dies sollte gerade bei Schwangeren mit niedrigem Hintergrundrisiko als Option an­gesprochen werden.

Fazit

Die Durchführung eines differenzierten Ultraschalls bei 11+0–13+6 SSW bietet eine optimierte Herangehensweise für die Triage weiterer diagnostischer Optionen (inklusive NIPT) und für die Beratung der Eltern. Eine weitreichende Verdrängung dieses wertvollen, diagnostischen Tools durch die Anwendung von NIPT würde zweifelsfrei zu einem Rückgang der Versorgungsqualität führen.

Der Autor

Prof. Dr. med. Markus Hoopmann
Universitätsfrauenklinik Tübingen
Bereich Pränatalmedizin

markus.hoopmann@med.uni-tuebingen.de

Der Autor

Prof. Dr. med. Karl Oliver Kagan
Universitätsfrauenklinik Tübingen
Bereich Pränatalmedizin

Karl.Kagan@med.uni-tuebingen.de

1 Merz E et al., Ultraschall Med - Eur J Ultrasound 2023; 44: 600–5
2 Taylor-Phillips S et al., BMJ open 2016; 6: e010002-13
3 Rose NC et al., Genet Med 2022; 24: 1379–91
4 Santorum M et al., Ultrasound Obstet Gynecol 2017; 49: 714–20
5 Rolnik DL et al., Ultrasound Obstet Gynecol 2017; 50: 492–5
6 Brown I et al., Prenat Diagn 2020; 40: 1439–46
7 Bardi F et al., Prenat Diagn 2020; 40: 197–205
8 Minnella GP et al., Ultrasound Obstet Gynecol 2020; 55: 637–44
9 Mace P et al., BJOG Int J Obstetrics Gynaecol 2021; 128: 354–65
10 Karim JN et al., Ultrasound Obst Gyn 2017; 50: 429–41
11 Farraposo S et al., J Perinat Med 2014; 42: 141–9
12 Spingler T et al., Ultrasound Obstet Gynecol 2023; 62: 88–93
13 Lüthgens K et al., Prenat Diagn 2023; 43: 1536–43
14 Prodan NC et al., Fetal Diagn Ther 2022; 49: 85–94

Bildnachweis: Prof. Dr. med. Markus Hoopmann, privat

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