Die Prävalenz von Fertilitätsproblemen nimmt weltweit zu. Gleichzeitig steigt der Wunsch nach natürlichen Therapien sowohl bei unerfülltem Kinderwunsch als auch während der Schwangerschaft. Naturheilkundliche Ansätze, die evidenzbasiert sind, können die konventionelle Medizin ergänzen.
In den vergangenen Jahrzehnten sind Umweltfaktoren zunehmend in den Fokus der Reproduktionsmedizin gerückt. Umweltchemikalien mit hormonähnlicher Wirkung, endokrine Disruptoren (EDs), können sowohl die weibliche als auch die männliche Fertilität beeinträchtigen. Diese hormonell wirksamen Substanzen sind u. a. in Pestiziden, Kosmetika und Industriechemikalien enthalten (Abb.). Besonders problematisch sind Phthalate, Bisphenol A (BPA), Parabene und Substanzen wie Triclosan, die in Desinfektionsmitteln und Zahnpasta zu finden sind.
Bei Frauen können endokrine Disruptoren die ovariellen Funktionen erheblich beeinträchtigen. Darüber hinaus können sie die Progesteronproduktion des Corpus luteum stören und die Rezeptivität des Endometriums verringern, was die Chancen auf eine erfolgreiche Implantation nach In-vitro-Fertilisation (IVF) reduziert [1]. Besonders in der Schwangerschaft können diese Substanzen die Entwicklung des Fetus negativ beeinflussen und langfristig die hormonelle Achse der Kinder stören.
Auch bei Männern haben EDs signifikante Auswirkungen auf die Fertilität. Die Substanzen können die Motilität und Funktion von Spermien beeinflussen. Beispielsweise stören Phthalate und Triclosan die Calciumkanäle (CatSper) der Spermien, die für ihre Beweglichkeit und die Akrosomreaktion erforderlich sind. Dies führt zu einer verringerten Befruchtungsfähigkeit der Spermien [1].
Mikrobiom und Fertilität
Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor bei unerfülltem Kinderwunsch ist das Mikrobiom des weiblichen Genitaltrakts. Ein gesundes Vaginalmikrobiom, das vorwiegend von Lactobacillus-Spezies dominiert wird, spielt eine zentrale Rolle für die Fruchtbarkeit. Laktobazillen produzieren Milchsäure und Wasserstoffperoxid, die das saure Milieu aufrechterhalten und vor pathogenen Keimen schützen.
Eine Dysbiose des Vaginalmikrobioms, gekennzeichnet durch das Ungleichgewicht der Bakterien, kann die Fertilität negativ beeinflussen. Studien zeigen, dass ein Mangel an Laktobazillen im Endometrium zu niedrigeren Implantations- und Schwangerschaftsraten bei IVF führt. Gleichzeitig erhöhen pathogene Keime wie Streptococcus viridans, Escherichia coli oder Staphylococcus das Risiko für Infektionen, die ebenfalls die Fruchtbarkeit beeinträchtigen können [2].
Eine gezielte probiotische Therapie hat das Potenzial, das Vaginalmilieu zu regenerieren und die Fruchtbarkeit zu verbessern. So konnte gezeigt werden, dass orale Probiotika mit Lactobacillus rhamnosus und Lactobacillus fermentum bei bis zu 80 % der Frauen mit Vaginaldysbiose eine gesunde Vaginalflora wiederherstellen [2]. Dies stellt eine vielversprechende naturheilkundliche Ergänzung zur Behandlung von Infertilität dar. Auch das intestinale Mikrobiom spielt eine Rolle bei der hormonellen Balance und Entgiftung. Eine gestörte Darmflora kann die Estrogen-Elimination beeinflussen und zur Akkumulation von Estrogen führen, was insbesondere bei Frauen mit hormonellen Störungen wie dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) problematisch ist.
Lebensstil und Ernährung
Neben Umweltfaktoren und Mikrobiom hat auch der Lebensstil einen bedeutenden Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Ernährung, Bewegung und Stressmanagement sind entscheidende Faktoren. Eine ungesunde Ernährung mit stark verarbeiteten Lebensmitteln, Transfetten und Zucker erhöht oxidative Stressmarker, die sowohl die Qualität der Eizellen als auch der Spermien reduzieren. Bei Frauen mit PCOS wurde gezeigt, dass regelmäßiger Verzehr von Omega-3-Fettsäuren und Myo-Inositol die Oozytenqualität und Schwangerschaftsraten verbessert [3].
Auch bei Männern spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle. Oxidativer Stress ist ein zentraler Mechanismus bei männlicher Infertilität. Studien haben nachgewiesen, dass Supplemente wie Zink, Selen, Coenzym Q10 und Vitamin E die Qualität des Spermiogramms verbessern können. Insbesondere Coenzym Q10, in seiner aktiven Form Ubiquinol, führte in Studien zu einer signifikanten Erhöhung der Spermienmotilität und -konzentration.
Zusätzlich zur Mikronährstoffversorgung ist Bewegung ein Schlüsselfaktor. Ein moderates Bewegungsprogramm hilft, den Hormonhaushalt zu regulieren und Übergewicht zu reduzieren, das häufig mit hormonellen Dysbalancen einhergeht.
Mikronährstoffe bei Kinderwunsch
Omega-3-Fettsäuren gehören zu den essenziellen Fettsäuren und müssen über die Nahrung oder durch gezielte Supplementation zugeführt werden. Die beiden wichtigsten Vertreter, Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), sind vor allem in fettreichen Meeresfischen wie Lachs und Makrele sowie in Algen enthalten.
Studien zeigen, dass eine ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren sowohl die Eizellqualität als auch die Embryonalentwicklung positiv beeinflusst. Bei Frauen, die im Zuge einer IVF-Behandlung Omega-3-Fettsäuren supplementierten, waren die Schwangerschaftsraten signifikant höher als in Kontrollgruppen [3]. Darüber hinaus profitiert auch die männliche Fertilität von einer erhöhten Omega-3-Zufuhr. Eine Studie zeigte, dass Männer, die regelmäßig Omega-3-Fettsäuren einnahmen, ein größeres Hodenvolumen, eine höhere Spermienzahl und verbesserte Spermienparameter wie Motilität und Morphologie aufwiesen [4]. Omega-3-Fettsäuren wirken zusätzlich präventiv gegen Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie, Gestationsdiabetes und Frühgeburten. Durch die DHA-Komponente tragen sie zudem maßgeblich zur Entwicklung des kindlichen Gehirns und der Netzhaut bei. In diesem Kontext wird ein optimaler Omega-3-Index im Blut empfohlen, der zwischen 8 und 11 % liegen sollte.
Folsäure ist einer der bekanntesten Mikronährstoffe im Zusammenhang mit der Schwangerschaftsvorsorge. Zahlreiche Studien belegen, dass die präkonzeptionelle Supplementation von Folsäure das Risiko für Neuralrohrdefekte wie Spina bifida signifikant reduziert [5]. Trotz der klaren Evidenz nehmen nur etwa 20 % der Frauen Folsäure gemäß den empfohlenen Richtlinien ein, noch weniger beginnen die Supplementation bereits vor der Konzeption. Besonders vorteilhaft ist die Kombination von Folsäure mit Vitamin B12, da beide Vitamine im Homocystein-Stoffwechsel zusammenwirken und synergistisch die embryonale Entwicklung unterstützen. Ein diagnostischer Mangel an Vitamin B12 kann durch Messung von Holotranscobalamin und Methylmalonsäure festgestellt werden.
Alternativ zur Folsäure kann Metafolin (L-5-Methyltetrahydrofolat) eingesetzt werden, da es die bioaktive Form von Folat darstellt und bei genetischen Polymorphismen des MTHFR-Gens (Methylen-Tetrahydrofolat-Reduktase) besser verfügbar ist. Eine tägliche Zufuhr von 400 µg Folsäure oder entsprechendem Metafolin wird empfohlen.
Myo-Inositol ist ein weiteres vielversprechendes Nahrungsergänzungsmittel, insbesondere bei Frauen mit polyzystischem Ovarialsyndrom. Myo-Inositol verbessert die Insulinsensitivität und unterstützt die hormonelle Balance, was zu einer besseren Oozytenqualität, einer verbesserten Embryonalentwicklung und höheren Schwangerschaftsraten führt. Die Kombination verschiedener Mikronährstoffe in niedriger Dosierung zeigt häufig bessere Ergebnisse als die isolierte Gabe einzelner Vitamine oder Mineralien. Eine gezielte Mikronährstoffsupplementation sollte idealerweise mindestens 3 Monate vor der geplanten Konzeption beginnen.
Naturheilkunde in der Schwangerschaft
Vitamin D trägt zur Regulierung des Calcium- und Phosphatstoffwechsels bei und unterstützt die Skelettentwicklung des Babys sowie die Immunfunktion der Mutter. Ein Vitamin-D-Mangel während der Schwangerschaft ist mit einem erhöhten Risiko für Präeklampsie, Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht verbunden [6]. In der Praxis sollte der Vitamin-D-Status bei Schwangeren regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf durch eine gezielte Supplementierung optimiert werden. Die Dosierung orientiert sich am individuellen Blutspiegel.
Magnesium spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle in der Schwangerschaft, vor allem für die Muskelfunktion und den Glucosestoffwechsel. Ein Magnesiummangel ist mit einem erhöhten Risiko für Präeklampsie, Gestationsdiabetes, Frühgeburten und uterine Blutungen assoziiert. Studien zeigen, dass eine frühzeitige Magnesiumsupplementierung vor der 25. Schwangerschaftswoche das Risiko für Frühgeburten um 23 % reduzieren kann. Zudem wird die Wahrscheinlichkeit für untergewichtige Neugeborene gesenkt. Allerdings sind die Ergebnisse zur Magnesiumsupplementierung nicht immer konsistent, sodass eine gezielte Substitution auf Basis der Laborwerte empfohlen wird.
Eisen ist ein weiterer kritischer Nährstoff, da der Eisenbedarf während der Schwangerschaft stark ansteigt. Eisenmangel kann zu Anämie, Wachstumsverzögerungen beim Fetus und Frühgeburten führen. Frauen mit diagnostizierten Eisenmängeln sollten frühzeitig mit einer adäquaten Substitution beginnen, idealerweise in Kombination mit Vitamin C.
Eine ausgewogene Darmflora unterstützt die Immunmodulation und reduziert das Risiko für Entzündungen sowie metabolische Störungen wie Gestationsdiabetes. Studien zeigen, dass die Einnahme von Probiotika in der Schwangerschaft positive Effekte auf die Mutter-Kind-Gesundheit haben kann. Die Teilnehmerinnen der Probiotika-Gruppe zeigten signifikant weniger Symptome von postpartaler Depression und Angstzuständen im Vergleich zur Placebo-Gruppe [7]. Auch das Risiko für Atopien und Asthma bei Kindern kann durch die mütterliche Einnahme von Probiotika gesenkt werden. Eine italienische Studie zeigte, dass die kindliche Darmflora nach der Geburt signifikant gesünder war und eine höhere Anzahl von Lactobacillus- und Bifidobacterium-Stämmen enthielt.
Die Einnahme von Probiotika unterstützt zudem die Vaginalflora, die für die Geburt von großer Bedeutung ist. Eine gesunde vaginale Mikrobiota schützt vor Infektionen und begünstigt eine natürliche Geburt, während eine Dysbiose mit einem erhöhten Risiko für Frühgeburten und bakterielle Vaginose assoziiert ist.
Die naturheilkundlichen Therapien bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Unterstützung bei unerfülltem Kinderwunsch. Sie wirken auf verschiedenen Ebenen – von der Hormonregulation über die Immunmodulation bis zur Verbesserung der Eizell- und Spermienqualität. Eine individuelle Therapieplanung in Kombination mit einer umfassenden Diagnostik und Lebensstiloptimierung sind essenziell, um die besten Erfolgsaussichten zu erzielen.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard
Albert-Überle-Straße 11
69120 Heidelberg