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Gynäkologie

Rezidivierende Kandidosen

Porträt eines Überlebenskünstlers

Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz

3.11.2020

Die durch Candida albicans verursachte Vaginalkandidose ist leicht zu behandeln. Doch der Erreger passt sich an und überlebt auch viele Therapien, was häufig zu Rezidiven führt. Dadurch gehören wiederkehrende Pilzinfektionen zu den häufigsten Behandlungsfällen in der gynäkologischen Praxis.

Candida albicans ist ein besonderer Erreger: Einerseits stimuliert er das Immunsystem, andererseits entsteht durch eine Infektion keine Immunität. Daher gibt es auch keine Schutzimpfung, wie z. B. gegen das humane Papillomvirus (HPV). Die Infektion kann potenziell immer wieder kommen, was für alle Mykosen gilt. Vaginale Kandidosen durch C. albicans überwiegen in der ersten Lebenshälfte. Der Erreger wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits unter der Geburt von der Mutter auf das Kind übertragen. 95 % der so infizierten Kinder erkranken danach auch an Mund- und Windelsoor. Zwar ist dieser Soor gut heilbar, doch danach siedelt der Erreger lebenslang in Mund und Darm. Durch die Hormonumstellung während der Schwangerschaft leiden auch viele werdende Mütter unter einer Pilzinfektion. Im Verdachtsfall ist ein Abstrich spätestens in der 35. Schwangerschaftswoche indiziert. Sogar ein generelles Candida-Screening ist im Gespräch, da im Falle einer chronischen Kandidose ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt vermutet wird.

Hormonabhängige Rezeptoren

Eine wichtige Rolle spielt auch die genetische Prädisposition. Grundlage jeder Infektion ist das Vorhandensein von Rezeptoren auf der Vaginalhaut, an die sich der Erreger festsetzen kann. Die Rezeptoren sind estrogenabhängig, weshalb manifeste Infektionen frühestens mit der Geschlechtsreife eintreten und in der Postmenopause wieder verschwinden. Die Anzahl der Rezeptoren kann schwanken, womit es zu unterschiedlichen Intensitätsphasen der Infektion kommen kann. Zu den Einflussfaktoren gehören weiter Stress, Rauchen und orale Kontrazeptiva. Hinzukommen hautschädigende Faktoren und die Ernährung spielt eine – wenn auch überschätzte – Rolle. Die Kandidose ist eine opportunistische Infektion und bedarf neben der Candidakolonisation einer Disposition des Wirtsorganismus. Bei Frauen besteht prämenstruell wegen der progesteronbedingten Zytolyse eine hohes Angebot an Glykogen, das durch Lactobazillen zu Säure und kurzkettigen Zuckern abgebaut wird. Ein Paradies für Pilze, was den typischen Ausbruch der Vaginalkandidose in der zweiten Zyklushälfte erklärt. Pilze und Lactobazillen sind häufig vergesellschaftet, Ausnahmen sind Antibiotikatherapien, nach denen die Keime vorübergehend fehlen können. Aus diesem Grund haben Mykose-Patientinnen fast nie eine Blasenentzündung. Die Bakterien einer gesunden Vaginalbesiedlung schließen das aus. Andererseits fördern sie den Pilz. Das liegt auch an der enormen pH-Resistenz von C. albicans. Der Keim widersteht nicht nur dem pH-Wert von 2,5 im Magen, er kann auch in Symbiose mit anaeroben und basophilen Bakterien wie Gardnerella vaginalis leben. Der Pilz hat aber im sauren Milieu sein größtes Wachstumspotenzial. Hier bildet er sein hochvirulentes Myzel, welches die typischen Symptome auslöst: Rötung, Juckreiz, cremiger, säuerlich riechender und mit dem Abstrich leicht abstreifbarer Fluor bzw. Belag (Abb. 1).

Therapieprinzipien

Die Phase der Myzelbildung ist zugleich auch die Schwachstelle des Erregers, da er in diesem Moment viele Angriffspunkte für Antimykotika bietet, die auf Ebene der Ergosterol-Synthese angreifen: Clotrimazol, Fluconazol und Itraconazol. Dies wird therapeutisch genutzt, z. B. durch Zusatz von Milchsäure in der Clotrimazol-Vaginaltablette. Das ist auch insofern intelligent, da im Sauren nicht nur der Pilz am empfindlichsten ist, sondern auch die Antimykotika am wirksamsten sind. Da nach überstandener Infektion keine Immunität besteht, ist es für den Therapieerfolg entscheidend, den Erreger möglichst vollständig zu eliminieren. Grundstein ist eine gründliche Lokalbehandlung. Diese muss vaginal sowie in der unmittelbaren Umgebung der Scheide, um die Klitoris, unter der Vorhaut der Patientin bis hin zum Po erfolgen, da auch dort Pilze siedeln, die unbehandelt zu einem erneuten Rezidiv führen könnten. Die topische Therapie ist eine Kombination aus äußerer Creme und Vaginaltabletten, als 1- bzw. 3-Tagestherapie. Ratsam ist eine Rasur der Intimbehaarung vor der Therapie, da die Keime auch dort siedeln können. Körperfern überlebt C. albicans nur wenige Minuten, sodass weder die Textilien noch Haushaltsgegenstände wie Toiletten desinfiziert werden müssen.

Kandidosen durch C. albicans sind aber auch deshalb hartnäckig, weil der Pilz tief im Gewebe liegende, therapieresistente Sporen bilden kann. Diese Chlamydosporen sind von einem dicken Mantel umhüllt, die dem Erreger das Überleben sichern. Sie gehören damit zu den echten Sporen, wie man sie von umweltresistenten Bakterien wie Tetanus und Gasbrand kennt (Abb. 2). Sie können auch auf Hormonspiralen, Verhütungsringen, Vaginalpiercings sowie im Mund auf Zahnstein und Belägen siedeln, welche im Zuge der Therapie entfernt werden müssen.

Systemische Therapie

Das Herzstück bei chronischen Infektionen ist die systemische Langzeittherapie. Mittel der Wahl sind Itraconazol und Fluconazol, anfangs drei Tage täglich, danach eine Dosis pro Woche über mindestens sechs Monate. Viele Patientinnen sind damit über lange Zeit beschwerdefrei und bekommen ein gutes Stück Lebensqualität zurück. Dies gilt insbesondere für Itraconazol, welches in den vergangenen Jahren eine bedeutende galenische Verbesserung erfahren hat. Als erstes Antimykotikum wurde es in eine Dispersion eingebracht, die nicht mehr vom gastrischen pH-Wert und Mahlzeiten beeinflusst wird. Diese als SUBA (Super-Bio-Availability)-Technologie bekannte Herstellung steigert zudem die Löslichkeit, Bioverfügbarkeit und Resorption des Antimykotikums derart, dass die Dosis für die Behandlung der chronischen Vaginalmykose auf 200 mg gesenkt werden kann – die Hälfte niedriger als bei konventionellem Itraconazol. In der heutigen Dosierung von einmal 200 mg Itraconazol pro Woche ist die systemische Therapie nicht nur hoch effektiv, sondern in der Regel auch ausgesprochen gut verträglich. Dieses Therapie­schema gilt inzwischen für die meisten chronischen Mykosen, die Onychomykose (siehe Kasten Seite 16), die Tinea capitis bei Kindern oder die Pityriasis versicolor.

Ein weiterer Vorteil der gering dosierten Langzeittherapie besteht darin, dass wir als behandelnde Ärzte in dieser Zeit die Möglichkeit haben, die potenziellen Quellen der Infektion zu identifizieren und zu behandeln. Unter diesem Schutz kann z. B. auch eine neue Spirale eingesetzt werden, ohne dass es dabei gleich zu einer erneuten Kontamination kommt. Die langzeitige Intervalltherapie schafft es auch, indirekt alle Sporen zu beseitigen. Deren biologische Bestimmung besteht darin, permanent auszukeimen, wozu es am Ende der Therapiewoche kommt. In dieser Phase ist die Spore, die einen Keimschlauch bildet, hoch empfindlich gegenüber Itraconazol, Fluconazol oder Clotrimazol. Je länger die Therapie dauert, desto wahrscheinlicher ist es, dass jede Spore beseitigt ist und die Infektion nicht zurückkehrt. Sind alle Reservoire saniert, kann die systemische Therapie beendet werden. Die wichtigste Quelle für einen Rückfall ist der Darm, die meisten Patientinnen sind dort von Geburt an besiedelt.

Partnertherapie oft erforderlich

Bei gesunden Männern sind die Abstriche vom ­Penis nahezu 100%ig negativ. Das Reservoir ist vielmehr der Mund, häufig von Geburt an ein unauffälliger Keimträger. Ob eine Mund- und Darmbehandlung notwendig ist, sollte abgeklärt werden. Hierzu gehören Abstriche vom Mund beider Partner, von der Zunge und unterhalb der vorderen Zahnhälse, sowie drei Stuhlproben der Patientin von drei verschiedenen Tagen. Dies ist erforderlich, da die Pilze im Darm nicht gleichmäßig verteilt sind. Die Stuhlproben dürfen nicht im Kühlschrank gelagert werden. Sind die Ergebnisse positiv aus­gefallen, ergeben sich während der systemischen Langzeittherapie folgende weitere Behandlungsschritte:

• Gründliche professionelle Zahnreinigung beim betroffenen Partner. So lassen sich die auf Belägen oder in kariösen Läsionen befindlichen Keime beseitigen und die Partnerin wird nicht immer wieder infiziert, z. B. beim Oralverkehr.

• Danach Mundbehandlung mit Lutschtabletten (Amphotericin B).

• Danach Darmbehandlung mit Dragees oder Filmtabletten, die Nystatin bzw. Amphotericin B enthalten, 2 x 2 täglich über 25 Tage.

Sinnvoll ist es, die Darmsanierung erst nach der Mundbehandlung zu beginnen, weil dadurch der Nachschub der Pilze aus dem Mund entfällt. Ratsam ist eine Behandlung von eventuellen Zahnspangen über Nacht in Lösungen mit Desinfektionsmitteln. Suspensionen oder Tropfen sind für eine Darmbehandlung ungeeignet, da diese den Wirkstoff nicht vor der Magensäure schützen. Auch systemische Antimykotika wirken im Darm nicht, da sie vollständig resorbiert werden. Nystatin kann aufgrund der fehlenden Resorption auch bei Schwangeren eingesetzt werden.

Pilze gegen Pilze

Noch wirksamer als eine medikamentöse Darmbe­handlung kann eine biologische Therapie des Darmes mit Hefepilzen wie Saccharomyces cerevisiae sein. Denn die Bäckerhefe ist imstande, C. albicans biologisch zu verdrängen. Probiotika mit Milchsäurebakterien bewirken durch Säuerung des Milieus oft leider nur das Gegenteil, mit einer kürzlich entdeckten Ausnahme: Lactobacillus plantarum. Dieses Bakterium benutzt den gleichen Rezeptor wie C. albicans und blockiert damit die Andockstelle. L. plantarum kann daher zur biologischen Langzeitprophylaxe vaginal eingesetzt werden. Manchen Ernährungsmythen, die Patientinnen mit Pilzinfektionen aus den Medien mitbringen, sollten Sie klar entgegentreten: Eine gänzlich zuckerfreie Diät ist kontraproduktiv und ungesund, da auch keine Früchte gegessen werden dürfen, weil sie Fructose enthalten. Zudem kann der Pilz sich auf Fette und Eiweiß umstellen. Stattdessen wird bei Zuckerabstinenz die Phagozytose gestört, da die Rezeptoren der Makrophagen überwiegend aus Lektinen (und die wiederum aus Zuckern) bestehen. Durch drastischen Zuckerentzug wird in diesem Fall nicht der Pilz, sondern die Abwehr gestört. Zu empfehlen ist eine zuckerreduzierte und an Ballaststoffen reiche Kost. Gelegentliches Naschen ist erlaubt und zwar ohne schlechtes Gewissen, denn entscheidend sollte in allen Belangen die wieder gewonnene Lebensqualität sein.

Onychomykose – ein Thema auch in der Frauenarztpraxis

Onychomykosen sind keine vornehmlich gynäkologische Indikation – und trotzdem sind sie ein Thema in vielen Frauenarztpraxen. Denn beim „Hausarzt der Frau“ kommen gesundheitliche Themen aller Art zur Sprache, schon ganz bestimmt, wenn es ums Aussehen geht. Auch die Nägel gehören zu den Visitenkarten einer Frau. Speziell bei einem Pilz ist der Leidensdruck hoch (Abb.). Dieser ist zudem nicht nur ein kosmetisches Problem, sondern eine Infektionskrankheit, die übertragbar ist: von Mensch zu Mensch, von der Mutter zum Kind, von der Oma zur Enkelin, von Nagel zu Nagel, vom Nagel zur Haut, von Fuß bis Kopf – eine aus vielen Gründen therapiewerte Erkrankung. Der häufigste Erreger ist Trichophyton rubrum. Er wächst im Unterschied zu den Vaginalpilzen sehr langsam und hat sein Lebensoptimum bei circa 25 °C, befällt damit nur die Haut, Haare und Nägel. In der Vagina oder im Organsystem über­lebt er nicht. Die Chancen auf Heilung sind auch bei der Onychomykose heute besser denn je. Grundsätzlich ist Nagelpilz in jeder Lebensphase heilbar, vorausgesetzt der Erreger wird gründlich eliminiert und die Diagnose stimmt. Sollten Zweifel an der Blickdiagnose bestehen, einzelne Nägel bleiben bei einer Mykose naturgemäß immer verschont, ist es ratsam, eine mykologische Diagnostik durchzuführen. Am besten viele feine Späne, ohne vorherige Desinfektion der Entnahmestelle, auf ein Blatt Papier raspeln, zusammenfalten und ins Labor schicken. Lacke, Cremes oder Spray etwa vier Wochen vor der Probenentnahme absetzen, damit kein falsch-negativer kultureller Befund entsteht. Allerdings besteht auch hier inzwischen eine unabhängige Gendiagnostik, die PCR. Weil der Pilz, wie jeder andere Täter auch, am Ort des Geschehens eine DNA-Spur hinterlässt. Die privaten Kassen erstatten diese moderne Art der Diagnostik.

In drei Schritten zum Erfolg

Der Schlüssel zum Heilerfolg liegt wie bei der Vaginalkandidose im Zusammenspiel von topischen und systemischen Therapien. Die sicherste Methode, um einen nachhaltigen Heilerfolg zu erreichen, ist im ersten Schritt das schmerzfreie Abtragen der vom Pilz geschädigten Nagelmasse mit einer 40%igen Harnstoffsalbe, die nachfolgende tägliche Therapie mit einem sporoziden und wasserlöslichen Nagellack, beides aus der Apotheke und in Eigenregie. Bei einem schweren Befall des Nagels von mehr als 50 %, bzw. sind mehr als drei Nägel gleichzeitig betroffen, erfolgt eine zusätzliche, gut verträgliche, innere Therapie, ebenfalls mit dem neuen SUBA-Itraconazol (200 mg): anfangs über sieben Tage täglich, danach eine Dosis pro Woche, bis zur klinischen Heilung, unter Beibehaltung der wasserlöslichen Lacktherapie. Auf diese Weise wird der Erreger effektiv von zwei Seiten in die Zange genommen. Itraconazol hat das breiteste Wirkspektrum, welches sowohl gegen Vaginal- als auch gegen alle Nagelpilze wirkt und damit in der gynäkologischen Praxis von hoher Relevanz ist. Denn viele Patientinnen besitzen eine hohe Prädisposition gegen beide Mykosen. Häufig besteht auch eine Kleienflechte der Haut, hervorgerufen durch den Hefepilz Malassezia furfur, bei dem die Azole ebenfalls Mittel der Wahl sind. Meist ist die Freude der Patientinnen über einen geheilten Nagel und die auch hier wiedergewonnene Lebensqualität hoch. Ebenso beim Therapeuten.

Fazit

Vaginale Kandidosen durch C. albicans überwiegen in der ersten Lebenshälfte. Grundlage jeder Infektion ist das Vorhandensein von Rezeptoren auf der Vaginal­haut, an die sich der Erreger festsetzen kann. Die Rezeptoren sind estrogenabhängig, manifeste Infektionen treten frühestens mit der Geschlechtsreife ein und verschwinden in der Postmenopause wieder. Ein Baustein der Therapie ist die gründliche Lokal­behandlung. Diese muss vaginal sowie in der unmittelbaren Umgebung der Scheide, um die Klitoris, unter der Vorhaut der Patientin bis hin zum Po erfolgen, da auch dort Pilze siedeln, die unbehandelt zu einem erneuten Rezidiv führen könnten. Das Fundament für einen nachhaltigen Heil­erfolg bei chronischen Kandidosen ist die systemische Langzeittherapie. Im Rahmen dieser sollte überprüft werden, ob bei der Patientin oder ihrem Partner eine Sanierung von Mund und Darm erforderlich ist. Eine biologische Therapie mit Hefepilzen kann dabei durchaus eine sinnvolle Alternative sein.

Der Autor

Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz
Mycoclinic Berlin
Luisenstraße 50
10117 Berlin

Literatur beim Autor

Bildnachweis: Dr_Microbe (iStockphoto); Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Tietz

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