Pilzinfektionen spielten im Bereich der sexuell übertragbaren Erkrankungen (STI) lange Zeit keine Rolle. Doch seit 2015 häufen sich auch in Deutschland Fälle einer sehr hartnäckigen und narbenträchtigen Hautpilzinfektion, die nahezu ausnahmslos junge, sexuell aktive Menschen befällt – im Genitalbereich. Eine neue STI?
Die ersten Fälle der genitalen Pilzinfektion traten ausschließlich im Zusammenhang mit Südostasienaufenthalten und vor allem nach dortigen sexuellen Kontakten auf, doch inzwischen häufen sich die Infektionen hierzulande auch ohne diesen anamnestischen Zusammenhang. Nur rechtzeitiges Erkennen und frühzeitige Behandlung können die folgenschweren Residuen für die Betroffenen verhindern und die Ansteckung anderer vermeiden. Ob es sich um eine STI per definitionem handelt, ist Gegenstand der Diskussion. Im Folgenden soll anhand einer Kasuistik die Problematik des ursprünglich als „Thailandpilz“ bezeichneten Erregers erläutert werden.
Der Fall: Der 22-jährige Müllwerker der Berliner Stadtreinigung beklagte eine seit 2 Wochen zunehmende, starke, schmerzhafte Entzündung im Schambereich. Zudem bestand eine Temperaturerhöhung. Die Schmerzhaftigkeit schränkte ihn sogar beim Gehen ein. Er war inzwischen – erfolglos – mit mehreren Antibiotika behandelt worden. Ein Südostasienaufenthalt in der vorangegangenen Zeit wurde verneint, ebenso Kontakt zu Haustieren. Allerdings würde er regelmäßig den Fitnessclub besuchen. Er wäre in einer lockeren Partnerschaft, hätte aber auch anderweitige sexuelle Kontakte.
Untersuchungsbefunde
Klinisch: In der rechtsbetonten Schamhügelregion fand sich ein großflächiges, heftig entzündliches Infiltrat mit deutlicher Druckschmerzhaftigkeit (Abb. 1 a, b). Zudem war eine rechtsbetonte, schmerzhafte inguinale Lymphknotenschwellung palpabel.
Paraklinik: CRP und Leukozyten waren moderat erhöht, das restliche Routinelabor unauffällig.
Mikrobiologie: Im bakteriologischen Abstrich E+R wurden geringe Mengen von Staphylcoccus epidermidis und Proteus ssp. nachgewiesen, die Nativ-Mikroskopie ergab keinen mykologischen Befund.
In der Pilzkultur wurde nach 3 Wochen ein Dermatophyt, ähnlich Trichophyton (T.) mentagrophytes, nachgewiesen, der in der PCR als neuer Genotyp von T. mentagrophytes bestätigt wurde.
Histologie: Bereits in der HE-Färbung fielen multiple Hyphen und Sporen im kollagenen Bindegewebe auf, ebenso multiple Lymphozyten und Histiozyten.
Therapie und Verlauf
Die Manifestation eines heftigen entzündlichen Infiltrates im Bereich der Schamregion bei irrelevantem bakteriellem Keimnachweis und die bislang erfolglose antibiotische Therapie machte die Diagnose einer Pyodermie unwahrscheinlich. Die Histologie erbrachte noch vor Eintreffen der Befunde der mykologischen Diagnostik den Nachweis einer Pilzinfektion. Ungewöhnlich waren die schon in der HE-Färbung massenhaft sichtbaren Pilzelemente. Kulturell gelang die Anzucht eines Dermatophyten mit phänotypischer Ähnlichkeit zum zoophilen T. mentagrophytes („Meerschweinchenpilz“) und zum anthropophilen T. tonsurans („Ringerpilz“), der allerdings den bekannten Dermatophyten sowohl kulturell als auch differenzierend mikroskopisch nicht eindeutig zuzuordnen war. In Vorkenntnis der bereits aus der Schweiz berichteten ähnlichen klinischen Fälle wurde die Verdachtsdiagnose der damals als „Thailandpilz“ bezeichneten Erkrankung gestellt. Erst 4 Jahre später wurde der Erreger als neuer Genotyp von T. mentagrophytes erstbeschrieben [1].
Im vorliegenden Fall wurde schon aufgrund der Verdachtsdiagnose einer Dermatophytose eine systemische antimykotische Therapie mit Terbinafin eingeleitet, zudem eine unterstützende lokale antimykotisch-antiinflammatorische Behandlung mit Miconazol und Flupredniden in Fixkombination. Wegen der anfänglich progredienten heftigen Entzündung erfolgte außerdem ein kurzer systemischer Prednisolon-Stoß, beginnend mit 80 mg über 5 Tage. Unter dieser Therapie kam es zu einer protrahierten Besserung. Da ein Absetzversuch der Lokaltherapie nach 10 Tagen wieder zur Verschlechterung des Befundes geführt hatte, wurde diese über 3 Wochen ausgedehnt. Nach 12 Wochen schließlich wurde die klinische Heilung erzielt, allerdings mit Residuen im Sinne einer narbigen Alopezie, teils eingesunkener Atrophie und postinflammatorischer Hyperpigmentierung (Abb. 1 c,d). Die mykologische Kontrolle mittels Pilzkultur und PCR konnte auch die mikrobiologische Abheilung nachweisen.
Etwa 6 Wochen nach Erstvorstellung des Patienten meldete sich dessen Partnerin mit progredienten entzündlichen Hautveränderungen, ebenfalls im Schambereich (Abb. 2). In der sofort durchgeführten PCR konnte der gleiche Erreger nachgewiesen werden. Durch den frühzeitigen Therapiebeginn mit Terbinafin systemisch und der Fixkombination aus Miconazol und Flupredniden lokal wurde nahezu eine Restitutio ad integrum mit nur geringer postinflammatorischer Hyperpigmentierung erzielt.
Diskussion
Der „Thailandpilz“ konnte in der PCR mittels ITS-Sequenzanalyse für Dermatophyten als neuer Subtyp VII von T. mentagrophytes verifiziert und von Kupsch, Czaika, Deutsch und Gräser an der Berliner Charité erstmals publiziert werden [1]. Die zeitliche und räumliche Ausbreitung zeigt, dass es sich um keine erst vor Kurzem entstanden Mutation handelt. Der bereits in den 1970er-Jahren bei Vietnamsoldaten in Asien nachgewiesene Dermatophyt hatte vermutlich schon damals den Übergang vom Tier auf den Menschen vollzogen. Durch die zunehmende Globalisierung war es dann zur Verbreitung auch nach Europa im Sinne eines protrahierten Epidemieausbruchs gekommen.
Allein von Januar 2016 bis Juli 2017 waren 43 Fälle in der Charité-Hautklinik Berlin vorstellig: 17 Frauen (20–46 Jahre) und 26 Männer (21–57 Jahre). Alle Betroffenen hatten sich zuvor intimrasiert, bei allen waren die Schamregion, nicht aber das Genitale oder gar die Schleimhäute direkt betroffen und es hatten nahezu keine Tierkontakte bestanden. Viele der Betroffenen waren aktive Fitnessclubbesucher. In allen Fällen hatte es im Gegensatz zu üblichen Dermatophytosen, insbesondere durch T. mentagrophytes, einer langwierigen systemisch-antimykotischen und lokal antimykotisch-antiinflammatorischen Therapie bedurft. In den meisten Fällen war es zu Defektheilungen gekommen, auch weil die Pilzinfektionen zu lange nicht erkannt worden waren.
Letztlich lässt sich bei dem neuen Subtyp VII von T. mentagrophytes eine zoophile-anthropophile Zwischenform vermuten, die noch nicht voll an den Menschen adaptiert ist und daher hochinflammatorische Reaktionen verursacht. Die Zugehörigkeit des „Thailandpilzes“ zu den STI kann durchaus kontrovers diskutiert werden. Unstrittig handelt es sich um eine primäre Infektion im Genitalbereich und Ansteckungen sind wie auch im vorliegenden Fall nachvollziehbar. Betroffen sind Personen im sexuell aktiven Alter mit anamnestisch bestätigten, meist wechselnden Partnerschaften. Bei den ersten Fällen von Thailandreisenden waren Kontakte zu lokalen Prostituierten eruiert worden. Andere endogene Pilzreservoire wie Tinea pedis oder Haustierkontakte können ausgeschlossen werden. Andererseits jedoch ist das Genitale selbst nicht betroffen, auch gaben einige Betroffene glaubwürdig geschützten Geschlechtsverkehr an. Es betraf auch keine für STI typischen Risikogruppen. Hartnäckige inguinale Dermatophytosen in tropischen Ländern (Tinea of the groin) sind bekannt, zudem tritt die Infektion zunehmend auch bei negativer Reiseanamnese auf.
Auch wenn eine Geschlechtskrankheit nach strenger STI-Definition nicht klar vorliegt, wird der „Thailandpilz“ in der Patientenbewertung doch so wahrgenommen und sollte daher auch im sinnvollen klinisch-praktischen Kontext so behandelt werden. Aufgrund der Ausbreitung der Infektion in der Bevölkerung ist eine Meldepflicht zu fordern.
Der als „Thailandpilz“ bekannte Trichophyton mentagrophytes Typ VII verursacht hochentzündliche und narbenträchtige Infektionen im Genital- und Perianalbereich. Er ist hochkontagiös und kann am ehesten durch sexuellen Kontakt übertragen werden. Der ursprünglich aus Südostasien stammende Pilz hat sich im Zuge der Globalisierung inzwischen auch nach Europa ausgebreitet und nimmt insbesondere in Ballungszentren Epidemiecharakter an. Nur das rechtzeitige Erkennen und die frühzeitige systemische und lokale antimykotische und antiinflammatorische Behandlung können folgenfreie oder folgenarme Abheilung erzielen.
Der Autor
Dr. med. Viktor Alexander Czaika
Facharzt für Dermatologie,
Venerologie und Innere Medizin
12439 Berlin
Czaika VA et al., Kurzlehrbuch Dermatologie. Infektionskrankheiten der Haut: Erkrankungen durch Pilze. 3. Aufl. Stuttgart, New York: Thieme; 2023. S. 68 ff.
Bildnachweis: Dr. med. Viktor A. Czaika; privat