Aus der Praxis, für die Praxis – Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes, beantwortet ausgewählte Fragen.
Ist eine Kündigung per WhatsApp gültig?
Herr Dr. P. aus Heinsberg wendet sich mit folgender Frage an uns:
„Ich musste einer Mitarbeiterin fristlos kündigen, weil sie betrunken zur Arbeit erschienen ist. Ich habe sie sofort aufgefordert, nach Hause zu gehen. Sie wollte die Praxis aber anfangs nicht verlassen und ist erst gegangen, als ich drohte, die Polizei zu rufen. Ich habe ihr dann das Kündigungsschreiben, das ich unterschrieben und fotografiert habe, per WhatsApp geschickt. Die Mitarbeiterin hat mich jetzt verklagt, da die Kündigung aus ihrer Sicht nicht der erforderlichen Schriftform entsprach und fordert von mir Lohn. Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?“
Frau Schannath: „Die per WhatsApp zugestellte fristlose Kündigung ist leider unwirksam, da sie gegen das Schriftformerfordernis verstößt. Das hat das Landesarbeitsgericht München in einem vergleichbaren Fall am 28.10.2021 (Az.: 3 Sa 362/21) entschieden. Eine Kündigung muss schriftlich versendet werden, damit sie gültig ist. Das soll Rechtssicherheit für die Vertragsparteien garantieren. Eine elektronisch übermittelte Ablichtung des Kündigungsschreibens, etwa per Fax oder Messenger, erfüllt die Anforderung laut Urteil nicht.
Das Schriftformerfordernis ist erst dann erfüllt, wenn das Kündigungsschreiben vom Arbeitgeber eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wurde. Diese Urkunde muss dem Empfänger dann entsprechend zugehen. Auch das Argument des Arbeitgebers, dass der Beschäftigte seine aktuelle Anschrift nicht mitgeteilt habe, sodass er die Kündigung nicht per Post zustellen konnte, ließ das Gericht nicht gelten. Der Arbeitgeber hatte weder dargelegt, wann noch wie er den Beschäftigten dazu aufgefordert hatte, seine aktuelle Anschrift mitzuteilen. Eine Ausnahmesituation sei entsprechend nicht begründet worden. Die Kündigung ist also unwirksam.“
Muss Urlaub in Quarantäne nachgewährt werden?
Frau Dr. P. aus Bernau stellt diese Frage:
„Eine Mitarbeiterin von mir musste während ihres Urlaubs in Quarantäne, weil sie Kontakt zu ihrer mit COVID-19-infizierten Tochter hatte. Auch sie selbst wurde positiv getestet, Symptome hatte sie keine. Die Quarantäne-Anordnung des Gesundheitsamts enthielt den Hinweis, dass sie als Kranke anzusehen sei. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt hat sie sich aber nicht ausstellen lassen. Jetzt verlangt sie von mir nochmals die zehn Tage Urlaub. Muss ich die gewähren?“
Frau Schannath: „Wer in einem Urlaub in Quarantäne muss, kann Urlaubstage nachgewährt bekommen. Das gilt allerdings nur, wenn man auch nachweislich arbeitsunfähig war. Wer kein ärztliches Attest vorlegen kann, bekommt während einer Quarantäne keine Urlaubstage gutgeschrieben.
Das hat das Landesarbeitsgerichts Düsseldorf am 15.10.2021 (Az.: 7 Sa 857/21) entschieden. Ist bereits Urlaub bewilligt, kann der nur erstattet werden, wenn ein ärztliches Attest vorliegt, das die Arbeitsunfähigkeit belegt. Eine Erkrankung mit COVID-19 führe aber bei einem symptomlosen Verlauf – wie in dem oben geschilderten Fall – nicht automatisch zu einer Arbeitsunfähigkeit, so die Richter. Der Urlaub muss daher nicht nochmalig gewährt werden.“
Wann ist man verhandlungsunfähig?
Frau Dr. M. aus Koblenz wendet sich mit folgendem Problem an uns:
„Ein Patient von mir ist wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Körperverletzung und Beleidigung angeklagt. Einen Tag vor der Verhandlung war er bei mir in der Praxis. Aufgrund seiner angegebenen Beschwerden habe ich ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen einer Gastroenteritis und Colitis für den Verhandlungstag ausgestellt. Das Gericht ist nun der Ansicht, dass dies nicht ausreichend sei und hat ein Versäumnisurteil ausgesprochen, weil der Patient unentschuldigt nicht zur Verhandlung erschienen ist. Ist das rechtens?“
Frau Schannath: „Leider ja, so hat auch das Oberlandesgericht Hamm am 22.02.2022 (Az.: 5 Ws 28/22) in einem vergleichbaren Fall entschieden. Gastroenteritis und Colitis begründen für sich genommen auch bei Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Verhandlungsunfähigkeit. Beruft sich ein Angeklagter auf eine Erkrankung, genüge es nicht, dass er ein Attest beibringt, in dem ihm eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird. Vielmehr müsse die Art der Erkrankung unter Angabe der Symptomatik angegeben werden. Aus der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergebe sich nicht, welche konkreten körperlichen Beeinträchtigungen der Angeklagte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung hatte. Eine Gastroenteritis und Colitis sei nicht immer mit Erbrechen und Durchfall verbunden. Vielmehr könne der Charakter und der Schweregrad der Symptome variieren. Auch das Argument der Ansteckungsgefahr zähle nicht, da der Ansteckungsgefahr durch entsprechende Schutzmaßnahmen begegnet werden könne.“
Die Expertin
Andrea Schannath
Rechtsanwältin und Justiziarin des VirchowBunds
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