Aus der Praxis, für die Praxis – Rechtsanwältin Andrea Schannath, Justiziarin des Virchowbundes, beantwortet ausgewählte Fragen.
Stört eine Praxis mehr als eine Wohnung?
Frau Dr. K. aus München steht vor folgender Problematik:
„Mein Mann ist Eigentümer einer Wohnung und möchte mir diese jetzt als Praxis vermieten. Laut der Teilungserklärung ist nur eine Wohnnutzung gestattet. Die Wohnungseigentümergemeinschaft möchte die Vermietung als Arztpraxis verhindern und droht sogar mit einer Unterlassungsklage gegen meinen Mann als Vermieter und mich als Mieterin. Hätte die Klage Aussicht auf Erfolg?“
Schannath:
„Ja, leider hat die Klage Erfolgsaussichten. Denn die Nutzung einer Arztpraxis ist wegen des damit verbundenen erhöhten Besucheraufkommens störender als eine Wohnnutzung. Zumal handle es sich bei den Besuchern der Praxis um kranke Personen, die mit den Eigentümern in keinen persönlichen Beziehungen stehen. Eine derartige Nutzung unterscheide sich von einer Wohnnutzung grundlegend.
Der Wohnungseigentümergemeinschaft kann daher ein Unterlassungsanspruch auf Nutzung der Räume als Arztpraxis zustehen. Dies hat das Landgericht Frankfurt a. M. am 31.03.2022 in einem ähnlichen Fall (Az.: 2 13 S 131/20) entschieden.“
Gilt ein Kündigungsschreiben mit Einwurf in den Briefkasten als zugegangen?
Herr Dr. O. aus Paderborn wendet sich mit dieser Frage an uns:
„Ich habe mir neue Praxisräume gesucht. Um die Kündigungsfrist einzuhalten, habe ich am letzten Tag der Kündigungsmöglichkeit die Kündigung in den Briefkasten des Vermieters geworfen. Zudem habe ich dem Vermieter, der im gleichen Haus wohnt, über die Gegensprechanlage mitgeteilt, dass ich die Kündigung in seinen Briefkasten geworfen habe. Der Vermieter nahm jedoch das Kündigungsschreiben erst am Folgetag aus dem Briefkasten. Nun streiten wir darüber, wann die Kündigung dem Vermieter zugegangen ist. Wer hat Recht?“
Schannath:
„Leider Ihr Vermieter, denn eine um 22:30 Uhr in den Briefkasten geworfene Kündigung geht erst am nächsten Tag zu. Der Zugang der Kündigung wird auch nicht durch die mündliche Information über den Einwurf der Kündigung in den Briefkasten des Empfängers bewirkt. Dies hat das Landgericht Krefeld am 21.09.2022 (Az.: 2 S 27/12) entschieden. Dabei sei vollkommen unerheblich, ob der Mieter dem Vermieter den vollständigen Inhalt der Kündigung mitgeteilt hat. Eine solche mündliche Kündigung wäre wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 568 BGB unwirksam.
Es sei nach den gewöhnlichen Verhältnissen auch nicht zumutbar, um 22:30 Uhr den Briefkasten daraufhin zu überprüfen, ob rechtserhebliche Erklärungen eingeworfen wurden. Die mündliche Information über den Einwurf ändere daran nichts. Dem Empfänger sei zuzugestehen, sich zur Nachtzeit der Kenntnisnahme des Inhalts eines Schreibens zu entziehen.“
Ist Strafe wegen vorzeitiger Kündigung zulässig?
Frau Dr. R. aus Reine möchte folgendes Problem geklärt haben:
„Ich habe meine Weiterbildung zur Fachärztin für Dermatologie und Venerologie in einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft begonnen. Dort sollte ich 42 Monate ausgebildet werden.
Mein Arbeitgeber wollte sicherstellen, dass ich nicht vorzeitig kündige, damit er mit Fortschreiten der Ausbildung meine Arbeitskraft besser nutzen kann. Im Arbeitsvertrag wurde daher eine Vertragsstrafe von drei Brutto-Monatsgehältern festgelegt, falls ich nach der 5-monatigen Probezeit und vor Ende der 42-monatigen Weiterbildung kündige. Ich möchte jetzt aber aus familiären Gründen in eine andere Stadt ziehen und daher den Vertrag vorzeitig kündigen. Muss ich tatsächlich die Vertragsstrafe zahlen?“
Schannath:
„Nein, das müssen Sie nicht. In einem Arbeitsvertrag einer Weiterbildungsassistentin ist die pauschale Vertragsstrafe von drei Brutto-Monatsgehältern bei Abbruch nach der Probezeit nicht ohne Weiteres möglich, so hat das Bundesarbeitsgericht am 20.10.2022 (Az.: 8 AZR 332/2) entschieden. In solchen Arbeitsverträgen sind Vertragsstrafen im Falle einer vorzeitigen Kündigung zwar nicht tabu. Sie müssen aber angemessen ausfallen. Eine Klausel ist aber unangemessen und daher unwirksam und benachteiligt die Mitarbeiterin, wenn der Arbeitgeber unabhängig vom Ausbildungsfortschritt bei einer Arbeitnehmer-Kündigung generell eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Brutto-Monatsgehältern verlangt.
Zwar sei eine Vertragsstrafe von mehr als einem Brutto-Monatsgehalt nicht generell unangemessen. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob ein Arbeitnehmer durch die Höhe der Vertragsstrafe unangemessen benachteiligt werde. Dies sei hier der Fall, da die Vertragsstrafe bei einer Kündigung sowohl direkt nach der Probezeit als auch kurz vor Ende des Ausbildungsabschnitts immer gleich hoch sei.
Gerade nach Ende der Probezeit sei der Ausbildungsaufwand aber noch überschaubar, eine pauschale Vertragsstrafe von drei Brutto-Monatsgehältern daher nicht gerechtfertigt. Hinzu komme, dass während der Probezeit bei einer Kündigung überhaupt keine Vertragsstrafe fällig werde.“
Die Expertin
Andrea Schannath
Rechtsanwältin und Justiziarin des VirchowBunds
Chausseestr. 119 b
10367 Berlin
Tel.: +49 (0)30 - 288 774 125
Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands berät seine Mitglieder in Niederlassung und Anstellung in allen Rechtsbereichen, insbesondere im Berufs-, Arbeits-, Miet- und Gesellschaftsrecht.
Bildnachweis: privat