Aus den gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit ergeben sich im Gesundheitswesen häufig arbeitsrechtliche Konflikte. Einerseits werden aufgrund zahlreicher Überstunden immer wieder Gesetze verletzt und andererseits wird oft nicht klar kommuniziert, was überhaupt als Arbeitszeit anzusehen ist und was nicht.
Im Arbeitszeitgesetz ist verankert, was unter dem Begriff Arbeitszeit zu verstehen ist. Demnach ist Arbeitszeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG der Zeitraum vom Beginn bis zum Ende der Arbeit abzüglich der Ruhepausen. Erlaubt sind laut § 3 ArbZG 8 Stunden Arbeit pro Tag an 6 Tagen die Woche, also 48 Stunden pro Woche. Fällt in die normale Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst, dürfen Tarifvertragsparteien vorsehen, dass die Arbeitszeit von 10 Stunden am Tag weiter überschritten wird, § 7 Abs. 1 Nr. 1a) ArbZG (Opt-out-Regelung). Diese Regelung entspricht einer Mehrarbeitsklausel, bei der Ärztinnen und Ärzte durch Einwilligung freiwillig auf den Schutz ihrer Arbeitszeiten verzichten. Sie dürfen also im Zusammenhang mit Bereitschaftsdiensten und einem Tarifvertrag länger als die nach dem Arbeitszeitgesetz erlaubten 48 Stunden arbeiten, genau genommen 58 Stunden. Die Einwilligung können sie binnen 6 Monaten widerrufen. Arbeitgebende sind verpflichtet, dem Widerruf an dieser Stelle zuzustimmen. Wer sich außerdem von Beginn an gegen die Opt-out-Regelung entscheidet oder sie später widerruft, darf laut § 7 Abs.7 ArbZG dadurch keine beruflichen Nachteile haben. In der Realität sieht es leider häufig so aus, dass einige Arbeitgebende die Einwilligung in die Opt-out-Regelung von Vornherein voraussetzen, wenn sie eine Stelle zu vergeben haben.
Was gilt im Einzelfall?
Im Bereich des Gesundheitswesens lohnt es sich, folgende Sonderfälle des Arbeitsrechts etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Was gilt als Arbeitszeit und was nicht?
Bereitschaftsdienst
Während des Bereitschaftsdienstes ist in einem festgelegten Zeitraum ein Aufenthalt am Arbeitsort oder zumindest in direkter Nähe nötig. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der Bereitschaftsdienst unter die Arbeitszeit fällt.
Abend- und Nachtdienst
Abend- und Nachtdienste sind generell als Arbeitszeit anzusehen.
Rufbereitschaft
Bei der Rufbereitschaft ist der Aufenthaltsort unerheblich. Allerdings muss die Erreichbarkeit gegeben sein und die Möglichkeit, den Arbeitsort aufzusuchen. Aus diesem Grund stellt sie keine klassische Arbeitszeit dar, sondern zählt zur Ruhezeit. Die Ruhezeit ist der Zeitraum zwischen dem Ende der täglichen Arbeitszeit und der Wiederaufnahme der Tätigkeit. Davon zu unterscheiden sind die Ruhepausen, also Arbeitsunterbrechungen während der normalen Arbeitszeit. Die Rufbereitschaft zählt erst zur Arbeitszeit, wenn jemand zu einem Einsatz gerufen wird, wobei immer zu berücksichtigen ist, was im Einzelfall für eine Anwesenheits- und Abwesenheitsverpflichtung besteht. Wie schnell muss beispielsweise die Einsatzbereitschaft hergestellt sein? Wie häufig finden Einsätze statt und wie viel Zeit nehmen sie in Anspruch? Zu berücksichtigen ist außerdem, ob die persönlichen und sozialen Interessen während der Rufbereitschaft stark eingeschränkt sind.
Was zählt zur Arbeitszeit in der Arztpraxis?
Jacke aufhängen, Kleidung wechseln, Computer und Praxisverwaltungssystem hochfahren – zählt diese Rüstzeit zur Arbeitszeit? Da die Rüstzeit gesetzlich nicht geregelt ist, gibt es um diese Frage oft Streit. In einigen Tarifverträgen sowie Betriebsvereinbarungen existieren entsprechende Regelungen. Im Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte sind sie jedoch nicht enthalten. Hat der Praxisinhaber bzw. die -inhaberin im Arbeitsvertrag keine Regelung getroffen, lohnt ein Blick auf die Rechtsprechung.
An- und Ausziehen der Jacke
Es handelt sich um eine eigennützige Tätigkeit, da sie nicht im Interesse des Arbeitgebenden, sondern des Arbeitnehmenden liegt. Das An- und Ausziehen von Mänteln oder Jacken fällt daher nicht unter die Arbeitszeit.
An- und Ausziehen von Praxiskleidung
Ist das Tragen von Arbeitskleidung fremdnützig, gehört das An- und Ausziehen zur Arbeitszeit. Eine Fremdnützigkeit liegt vor, wenn das Tragen der Kleidung nicht im Interesse des Beschäftigten liegt, sondern allein in dem des Arbeitgebenden. Die Rechtsprechung hat hierzu Folgendes entschieden:
Kann die Kleidung, die in der Praxis getragen wird, auch als Freizeitkleidung getragen werden (z. B. T-Shirt und weiße Hose), liegt grundsätzlich erst einmal eine Eigennützigkeit vor, denn das Umziehen dient dem Schutz der privaten Kleidung. Die Zeit für das Wechseln der Kleidung würde somit eigentlich nicht zur Arbeitszeit zählen. Eignet sich die Kleidung jedoch prinzipiell als Freizeitkleidung, lässt aber eine eindeutige Identifikation mit der Firmenkultur des Arbeitgebenden zu, dann ist das An- und Ausziehen dieser Kleidung als fremdnützig anzusehen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn alle Praxismitarbeitende die gleiche weiße Hose und das gleiche T-Shirt tragen. In diesem Fall ist auch das An- und Ausziehen der Dienstkleidung Arbeitszeit, erst recht, wenn der Praxisinhaber oder die -inhaberin vorgibt, dass die Arbeitskleidung in der Praxis angezogen werden soll.
Anlegen von Schutzkleidung
In einigen Praxen ist das Tragen besonderer Schutzkleidung erforderlich. Das Anziehen spezieller Schutzkleidung, die gesetzlich vorgeschrieben ist, stellt Arbeitszeit dar.
Hochfahren des Praxiscomputers und des Praxisverwaltungssystems
Derartige Tätigkeiten sind zur Erledigung der eigentlichen Arbeit erforderlich und können nur am Arbeitsort ausgeführt werden. Sie zählen daher zur Arbeitszeit.
Gang zur Toilette und kurze Pausen
Der Gang zur Toilette oder andere kurze Pausen, beispielsweise um sich etwas zu Trinken zu holen, zählen zur Arbeitszeit. Eine Ausnahme bildet die Raucherpause, die laut Rechtsprechung nicht als Arbeitszeit gewertet wird.