Der Bedarf an einzelnen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen steigt schon zu Beginn der Schwangerschaft schnell. Die Supplementierung sollte daher idealerweise schon im Zuge einer Kinderwunschbehandlung thematisiert und initiiert werden.
Verzehrstudien zeigen, dass wichtige Mikronährstoffe wie Folsäure, Vitamin D, Eisen und Jod bei vielen jungen Frauen ungenügend durch die Ernährung aufgenommen werden [1,2]. Es existieren erhebliche Diskrepanzen bezüglich dieser wichtigen Nährstoffe, die in der Schwangerschaft vermehrt gebraucht werden (Abb.). Auch wissenschaftliche Reviews zeigen, dass die Aufnahme von Folat und Jod unzureichend ist [3,4]. Mehr als die Hälfte aller Schwangeren ist von Erbrechen und Übelkeit betroffen, hauptsächlich zu Beginn der Schwangerschaft. Häufig können sich diese Frauen nicht an die normalen Ernährungsempfehlungen halten.
Folat ist entscheidend für die Entwicklung des fetalen Nervensystems. Die Empfehlung für Frauen im gebärfähigen Alter bei Kinderwunsch und mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels lautet mindestens 400 µg Folsäure/Tag zu supplementieren [5]. Mit der Folsäureprophylaxe sollte bereits vor der Schwangerschaft begonnen werden. So lassen sich Neuralrohrdefekte weitgehend vermeiden. Bis zur 20. Woche ist auch die Schilddrüse noch nicht funktionsfähig und der Fetus vollständig von der Versorgung mit mütterlichem Thyroxin abhängig. Dies erfordert eine um 50 % höhere Aktivität der mütterlichen Schilddrüse und damit auch höhere Jodversorgung. Bereits eine moderate Unterversorgung kann zu einer eingeschränkten kognitiven Entwicklung des Kindes beitragen [6]. Die Prävalenz des Jodmangels ist auch in Deutschland hoch. Allen Schwangeren wird daher eine zusätzliche Jodeinnahme von 100–200 μg täglich empfohlen [7]. Als Risikofaktoren für einen zu niedrigen Vitamin-D-Level werden Alter der Mutter, Body-Mass-Index (BMI), Hautfarbe, Herkunft und Jahreszeit angegeben. Eine Unterversorgung hat sowohl Konsequenzen für die Schwangere (Gestationsdiabetes, Präeklampsie) als auch für die Entwicklung des Fetus (Skelett- und Muskelsystem) [8]. Um einen ausreichenden Vitamin-D-Spiegel zu erreichen, wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eine Supplementation von mindestens 600–800 IE pro Tag für alle Schwangeren empfohlen [9].
Eine Schwangerschaft führt zu einem vergleichsweise hohen Nettoverlust von 600–700 mg Eisen, was besonders bei bereits bestehender Unterversorgung kritisch werden kann. Die tägliche Zufuhr liegt in Europa lediglich bei 60 % des angenommenen durchschnittlichen Bedarfs (estimated average requirement, EAR) für Schwangere [10,11]. Etwa 25 % aller Schwangeren in Europa haben einen Eisenmangel. Eine unbehandelte Anämie ist mit Frühgeburten, intrauteriner Wachstumsretardierung, erhöhtem Infektionsrisiko bei der Mutter und verminderten Blutreserven bei Geburt assoziiert. In den ersten beiden Fällen sind die Eisenspeicher gering und gefährden damit die Entwicklung des Kindes [12]. Besonders dramatisch kann sich dieses Defizit bei Patientinnen auswirken, die sich vegan ernähren. Schätzungen zufolge sind das 1,3 Millionen Menschen in Deutschland, davon sind 81 % weiblich [13]. Der Verzicht auf tierische Produkte jeder Art kann in der Schwangerschaft zu Mangelzuständen führen, wenn nicht auf die Nährstoffeinnahme geachtet wird. Neben Eisen sollte insbesondere auf die Supplementation von Vitamin B12 und Zink geachtet werden [14,15]. Eine Substitution mit Eisen kann die Rate von Eisenmangel um 57 % und Anämie um 70 % am Termin reduzieren [16]. Dennoch wird in vielen europäischen Ländern keine allgemeine Supplementation mit Eisen in der Schwangerschaft mehr empfohlen, stattdessen eine Überprüfung des Eisenstatus bei der ersten Schwangerschaftskontrolle empfohlen. Bei einem Serum-Ferritinwert < 30 μg/l sollte mit einer Eisensubstitution begonnen werden. Da bei veganer Ernährung auch auf eine ausreichende Vitamin-B12-Zufuhr geachtet werden muss, wurden spezielle Nahrungsergänzungsmittel entwickelt, die den Bedarf an diesen beiden Mikronährstoffen supplementieren. Während Schwangerschaft und Stillzeit wird ein gesteigerter Umsatz von Biotin beobachtet [17]. Eine Ursache könnte die starke Anreicherung von Biotin in den fetalen Geweben sein. Von den Spurenelementen stehen Calcium und Zink im Fokus. Ist die Zufuhr nicht adäquat, so kommt es bei der Mutter zu einer Abnahme der Knochendichte und beim Fetus zu Wachstumsstörungen und niedrigem Geburtsgewicht. Zink ist für fetales Wachstum und die postnatale Entwicklung besonders wichtig [18]. Für die neurologische Entwicklung des Kindes sind auch die langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie Docosahexaensäure (DHA) von großer Bedeutung. Diese Fettsäuren sollten in ausreichender Menge mit der Nahrung oder als Supplemente aufgenommen werden.
1 Gose M et al., Br J Nutr 2016; 115: 1498–1507
2 https://www.mri.bund.de/de/institute/ernaehrungsverhalten/forschungsprojekte/nvsII/, Stand: 11.01.2021
3 Schäfer E, J Nutr Disorders Ther 2016; 6: 199
4 Felghaus S, Gynäkol Endokrinol 2018; 16: 115–122
5 Koletzko B, Dtsch Arztebl 2013; 110: A-612 / B-544 / C-544
6 Puig-Domingo L et al., Curr Clin Pharmacol 2013; 8: 97–109
7 GBA 2003, Mutterschafts-Richtlinien
8 Hollis BW et al., Am J Clin Nutr 2006; 84: 273–279
9 DGE 2017, Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr
10 Bothwell TH, Am J Clin Nutr 2000; 72: 257–264
11 Blumfield ML et al., Nutr Rev 2013; 72: 118–132
12 Chaparro CM, J Nutr 2008; 138: 2529–2533
13 Gätjen E, Gynäkologe 2019; 52: 732–738
14 Piccoli GB et al., Brit J Obstet Gyn 2015; 122: 623–633
15 Richter M, Ernährungs Umschau 2016; 63: 92–102
16 Pena-Rosas JP et al., Cochrane Syst Rev 2015; 7: CD4736
17 Perry CA et al., J Nutr 2014; 144: 1977–1984
18 WHO: Vitamin and mineral requirements in human nutrition 2004