Ein sicheres und effektives Management der Migräne stellt gerade während Schwangerschaft und Stillzeit eine besondere Herausforderung dar, da neben der Mutter vor allem auch das Wohl des exponierten Kindes bei der Auswahl der Medikation eine zentrale Rolle spielt.
Die Prävalenz der Migräne erreicht bei Frauen im gebärfähigen Alter ihren Höhepunkt [1]. Daher betreffen behandlungsbedürftige Migränekopfschmerzen häufig auch Schwangere und Stillende.
Angesichts des steigenden Estradiolspiegels in der Schwangerschaft kommt es bei 60–80 % der Migränepatientinnen bis zum zweiten Trimenon zu einer spontanen Remission der Intensität und Häufigkeit der Beschwerden [2]. Durch den raschen Estrogenabfall nach der Entbindung treten die Kopfschmerzen schnell wieder auf, auch wenn die Häufigkeit menstruationsbedingter Migräne bei ausbleibenden Regelblutungen in der Stillzeit reduziert wird.
Bei primärem Kopfschmerz gelten nicht pharmakologische Maßnahmen in der Schwangerschaft als unbedenkliche Methoden der Wahl. Dazu gehören Änderungen des Lebensstils wie das Vermeiden von Triggern, Entspannungstechniken, angemessener Schlaf, Stressbewältigung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, kognitive Verhaltenstherapie, Akupunktur oder Biofeedback [3].
Unbedenkliche und kontraindizierte Pharmaka
Als Initialtherapie akuter Beschwerden ist Paracetamol (z. B. 1 000 mg oral; max. 3 × tgl.) in allen Phasen der Schwangerschaft vertretbar. In den vergangenen Jahren wurde in mehreren epidemiologischen Auswertungen wiederholt der Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Anwendung von Paracetamol in der Schwangerschaft und unterschiedlichen Komplikationen bei den Nachkommen geäußert, z. B. Asthma bronchiale, Hodenhochstand und Verhaltensstörungen (ADHS, Autismus). Erst 2024 gab eine große schwedische Studie mit fast 2,5 Millionen Kindern Entwarnung: Eine Zunahme kindlicher Entwicklungsstörungen nach intrauteriner Exposition gegenüber Paracetamol bestätigte sich nicht [4]. Der kurzfristige Einsatz von nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAID) wie Ibuprofen (z. B. 600 mg) gilt für die Akutbehandlung vor dem letzten Schwangerschaftsdrittel als unbedenklich. Da Prostaglandinsynthesehemmer zu einem vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus sowie Einschränkungen der fetalen Nierenfunktion führen können, sind sie im letzten Trimenon zu meiden. Als Begleittherapie bei Übelkeit eignen sich Metoclopramid 10 mg (oral, i. v.) bzw. Diphenhydramin 25 mg (oral, i. v.). Eine Metaanalyse zur Sicherheit von Triptanen in der Schwangerschaft umfasste 6 Studien mit 4 208 Kindern nach mütterlicher Migränetherapie: Es zeigte sich kein Anstieg von kongenitalen Anomalien, Frühgeburten oder Spontanaborten im Vergleich zu Migränepatientinnen unter anderen Therapien [5].
Ergotalalkaloide sind während der gesamten Schwangerschaft absolut kontraindiziert, da sie eine uteruskontrahierende und vasokonstriktive Wirkung besitzen. Dadurch besteht die Gefahr einer verminderten Plazentadurchblutung und der Auslösung vorzeitiger Wehen.
Prophylaxe
Zur medikamentösen Migräneprophylaxe in der Schwangerschaft haben sich die Betablocker Metoprolol und Propranolol sowie das trizyklische Antidepressivum Amitriptylin bewährt. Die monoklonalen Antikörper aus der Gruppe der CGPR-Antagonisten (Erenumab, Galcanezumab, Fremanezumab und Eptinezumab) besitzen eine relativ neue Zulassung zur Migräneprophylaxe. Die Erfahrungen zur Anwendung in der Schwangerschaft sind noch sehr begrenzt.
Die beiden zur Migräneprophylaxe eingesetzten Antikonvulsiva Valproat [6] und Topiramat [7] sind bei Kinderwunsch bzw. Schwangerschaft wegen des erhöhten Risikos für Fehlbildungen und langfristige neurologische Entwicklungsstörungen der Nachkommen absolut kontraindiziert.
Optionen in der Stillzeit
Während der Stillzeit gilt Ibuprofen mit Maximaldosen von 1 800 mg pro Tag wegen des geringen Übergangs in die Muttermilch neben Paracetamol als Mittel der Wahl, bei Übelkeit ergänzt durch Metoclopramid. Bei Versagen therapeutischer Alternativen wäre auch der vorübergehende Einsatz von Triptanen – insbesondere Sumatriptan – in der Stillzeit vertretbar. Bei den monoklonalen Antikörpern (z. B. Erenumab) handelt es sich um große Proteinmoleküle, die wenig in die Muttermilch übergehen. Da das Immunglobulin im Magen-Darm-Trakt des Säuglings weitgehend zerstört wird, ist nicht von einer umfangreichen Resorption durch den Säugling auszugehen [8]. Klinische Studien in der Stillzeit fehlen jedoch bislang.
Die Abwägung von Nutzen und Risiken hängt von den Beschwerden der Patientin sowie ihren Präferenzen ab. Es wird daher eine individuelle, gemeinsame Entscheidungsfindung empfohlen [9].
Der Autor
Dr. med. Wolfgang E. Paulus
Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie
Universitätsfrauenklinik Ulm
Bildnachweis: privat