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Allgemeinmedizin

Pfeiffersches Drüsenfieber

Nicht unbedingt banal

Rainer H. Bubenzer

27.7.2021

Mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) steckt sich im Laufe des Lebens fast jeder an. Das Pfeiffersche Drüsenfieber bricht aber oftmals nicht aus oder verläuft unbemerkt. Erfolgt doch eine Erkrankung, ist sie nicht nur mit starker Symptomatik verbunden, sondern könnte auch zu schwerwiegenden Langzeitfolgen führen.

Seit den 80er-Jahren wird vermutet, dass das Pfeiffersche Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose) mehr ist als eine folgenlose Infektionskrankheit. So könnte z. B. die genomische Integration des auslösenden EBV oder andere Ursachen für bestimmte Langzeitfolgen nach der Infektion, wie das chronische Fatigue-Syndrom/myalgische Enzephalopathie (CFS/ME), onkologische Erkrankungen oder für die Multiple Sklerose verantwortlich sein. Zumindest hinsichtlich EBV und CFS/ME unterstützt eine aktuelle serielle Langzeitstudie mit 4 500 College-Studenten diesen, auch schon von anderen Gruppen geäußerten Verdacht. Die Studie zeigt, dass bei 5,3 % aller eingeschlossenen Studenten im vierjährigen Studienzeitraum ein Pfeiffersches Drüsenfieber auftrat. Und  immerhin erfüllten 23 % der Erkrankten sechs ­Monate später die Kriterien einer CFS/ME-Erkrankung, hatten also eine ausgeprägte Fatigue [1].

Infektionsweg und Pathogenese

Die infektiöse Mononukleose tritt endemisch auf, meist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Erreger ist überwiegend (> 90 %) das EBV, ein Herpesvirus, auf das 95 % aller Erwachsenen weltweit seropositiv reagieren (andere Auslöser: u. a. das Zytomegalievirus, HHV-6, HHV-7 oder HIV ). EBV wird durch Kontakt verbreitet. Alle EBV-Infizierten scheiden intermittierend Viren in großen Mengen mit dem Speichel aus. Die Dauer der oralen Ausscheidung ist nicht ganz klar, kann aber in hohem Maß bis zu sechs Monate nach Ausbruch der Krankheit anhalten. Die Übertragung erfolgt i. d. R. von Mensch zu Mensch. Auch eine sexuelle Übertragung erscheint möglich, da sich das Virus in Zervix-Abstrichen nachweisen lässt. Vereinzelt werden auch Infektionen durch Transfusion oder Transplantation beobachtet. Nur in solchen Fällen lässt sich die Inkubationszeit ­genauer festlegen – auf vier bis acht Wochen. Die Symptomatik wird nicht durch die Virusvermehrung ausgelöst, sondern durch die massive T-zelluläre Immunreaktion auf virusinfizierte Zellen. Dies erklärt die lange Inkubationszeit und das fehlende klinische Ansprechen auf eine antivirale Therapie.

Epidemiologie und Klinik

Die Altersgruppe mit der höchsten Erkrankungs­inzidenz sind 15- bis 24-Jährige („Studentenfieber“). Bei Erwachsenen ist eine Mononukleose eher ungewöhnlich: Lediglich etwa 2 % aller Racheninfekte sind bei ihnen darauf zurückzuführen. Im Herbst und Frühjahr erkranken besonders viele Personen. Die Klinik variiert je nach Alter der Patienten: Bei Kindern verläuft die Infektion meist ohne oder nur mit wenigen Beschwerden (z. B. Fieber), bei jungen Erwachsenen verläuft sie mit der klassischen Symptomentrias „Fieber, Pharyngitis und Lymphadenopathie“, bei älteren Menschen dominieren oft Fieber mit Transaminasen-Anstieg und Splenomegalie. Neurologische Komplikationen wie Radikulitis oder Enzephalitis sind selten. Bei der klassischen Symptomatik findet sich zudem eine Lymphozytose mit atypischen Lymphozyten (Pfeiffer-Zellen) im Differenzialblutbild. Etwa jeder zweite Erkrankte hat eine Splenomegalie, häufig kommt es auch zu einer ­Lebervergrößerung. Als Folge der Splenomegalie können im Zuge eines Hypersplenie-Syndroms Anämie und Thrombozytopenie auftreten. In Extremfällen kann es zur spontanen Milzruptur kommen. Bei einem Drittel der Patienten tritt ein vorwiegend periorbitales Gesichtsödem während der ersten Krankheitswoche auf, sowie bei der Hälfte der Betroffenen Petechien am Gaumen ab dem achten Krankheitstag. Bei ca. 10 % der Erkrankten kommt es zu einem urtikariellen, morbilliformen oder rubeoliformen Exanthem an Stamm und proximalen Extremitäten. Unter Antibiotikabehandlung entwickeln fast alle Patienten ein nicht allergisches Arzneimittel­exanthem, typischerweise acht bis zehn Tage nach Behandlungsbeginn. Als Folge einer Mononukleose kann es zu einer über Wochen und Monate anhaltenden postinfektiösen Müdigkeit kommen.

Diagnostik  

Die typische klinische Präsentation erlaubt zumeist eine Verdachtsdiagnose. Eine Labordiagnose ist bei Verdacht auf Mononukleose immer indiziert – zum einen bei atypischen Verläufen und bei Exanthemen nach Antibiotikagabe zur Diagnosesicherung, zum anderen weil bei typischen Verläufen außer EBV unter anderem auch HIV als Ursache infrage kommt, und diese Ursache sicher ausgeschlossen werden muss. Im Differenzialblutbild lassen sich bei klassischem Verlauf lymphomonozytäre Reizformen (­Pfeiffer-Zellen) nachweisen. Mit dem Nachweis heterophiler Antikörper kann die klassische Mononukleose oft nachgewiesen werden, versagt jedoch bei nicht typischen Verläufen. Differenzialdiagnostisch kommen vor allem Streptokokken-Infektionen und lymphoproliferative Erkrankungen infrage.

Therapie und Prophylaxe  

Die Therapie der EBV-Infektion erfolgt allein sympto­matisch. Die Gabe antiviraler Substanzen hat sich klinisch nicht als erfolgreich erwiesen. Ausreichend Trinken, Ruhe und gute Ernährung sind ratsam. Zur Verhinderung des Antibiotika-assoziierten Exanthems ist es wichtig, bei fieberhafter Infektion mit Lymphknotenschwellung vor Antibiotikagabe eine EBV-­Infektion auszuschließen bzw. eine Infektion des Pharynx mit z. B. β-hämolysierenden Streptokokken oder anderen bakteriellen Erregern nachzuweisen (durch Kultur oder Schnelltest).

DAS EXPERTENSTATEMENT

Prof. Dr. med. Ben Z. Katz
Northwestern University
und DePaul University Chicago

Impfstoff noch in weiter Ferne

„Die infektiöse Mononukleose kann bei schwerem Verlauf chronische Fatigue auslösen – wie derzeit auch bei Langzeit-COVID-19. Denkbar wäre, bei Vorhersage eines hohen Risikos für einen schweren Verlauf zum Zeitpunkt der Diagnose auch Maßnahmen zur Vorbeugung von ME/CFS treffen zu können. ­Natürlich wären dazu kontrollierte Studien notwendig. Hinsichtlich präventiver Maßnahmen wie etwa unter Corona-Bedingungen ist unklar, ob z. B. Masken oder Distanzierung zum verringerten Auftreten von infektiöser Mononukleose führen, trotz vielleicht seltenerem Küssens. Ein geeigneter Impfstoff ist noch Jahre entfernt. Ob komplementärmedizinische Ansätze, z. B. Immunstimulation mit Pflanzenextrakten, helfen, ist hinsichtlich des Pfeifferschen Drüsen­fiebers unklar. Wenn Patienten dadurch keinen Schaden erleiden, gibt es aber eigentlich nichts gegen einen Selbstbehandlungsversuch einzuwenden.“

[1] Jason LA et al., Clin Infect Dis 2020 Dec 25; doi: 10.1093/cid/ciaa1886

Bildnachweis: privat

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