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Allgemeinmedizin

Seltene Erkrankungen

Behandlung der IgA-Nephropathie

Dr. med. Philipp Gauckler, PD Dr. med. Michael Rudnicki

13.2.2025

Die IgA-Nephropathie ist die häufigste Glomerulonephritis weltweit und tritt typischerweise im jungen Erwachsenenalter (30–50 Jahre) auf. Eine rasche und aggressive Therapie zur Senkung der Proteinurie ist entscheidend, um den weiteren Nierenfunktionsverlust zu verzögern.

Die IgA-Nephropathie (IgAN) tritt in Europa mit einer Prävalenz von 2,5 Personen pro 10 000 Einwohner und Einwohnerinnen auf [1]. Häufig werden im Zuge einer Gesundenuntersuchung eine Proteinurie und eine Mikrohämaturie diagnostiziert. Der nächste Schritt ist dann die Durchführung einer ­Nierenbiopsie, denn nur durch eine Biopsie kann eine IgAN zweifelsfrei festgestellt werden. Es gibt aber auch schwere Formen, die mit dem Bild eines nephrotischen Syndroms (Unterschenkelödeme, Hypertonie, Hypalbuminämie, Hyperlipidämie) oder einem raschen Nierenfunktionsverlust über wenige Monate („rapid progressive Glomerulonephritis“) auftreten.

Histologisch zeigt sich eine mesangioproliferative Glomerulonephritis mit IgA-Ablagerungen in der Immunfluoreszenz. Die IgAN ist eine Autoimmunerkrankung, die aus einer Störung der mukosalen IgA-Immunantwort folgt. Die Pathogenese wird allgemein in 4 Hits eingeteilt:

  1. Erhöhte Konzentrationen von pathologischem, Galactose-defizientem IgA1 (Gd-IgA1) im Blutkreislauf,
  2. Produktion von IgG-Antikörpern gegen das Gd-IgA1,
  3. Bildung von IgG-Gd-IgA1-Immunkomplexen,
  4. Ablagerung dieser Immunkomplexe im Glomerulum, was den Gewebeschaden an der Niere zur Folge hat.

Risiko Dialyse

Die Prognose der IgAN hängt maßgeblich vom Ausmaß der Proteinurie, dem arteriellen Blutdruck und der Nierenfunktion zum Zeitpunkt der Nierenbiopsie ab. Die Proteinurie kann gemessen werden als Protein/Kreatinin-Ratio (in g/g) im Spontan-Morgenharn, was mehr oder weniger der 24-h-Proteinurie entspricht. Ziel ist, die Proteinurie unter 0,5 g/g zu senken, nach den neuesten KDIGO(Kidney Disease: Improving Global Outcomes)-Richtlinien sogar unter 0,3 g/g. Gelingt das nicht, ist das Risiko für eine Dialyse erheblich: Bis zu 50 % der Patientinnen und ­Patienten erreichen das Stadium der terminalen Nierenerkrankung oder einer signifikanten Einschränkung der Nierenfunktion innerhalb von 8 Jahren [2].

Therapiemaßnahmen

Alle Patienten und Patientinnen mit einer Proteinurie > 0,5 g/g müssen mit einer Blockade des ­Renin-Angiotensin-Systems (ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptor-Blocker) und dem strengen Blutdruckziel < 130/80 mmHg (falls tolerierbar ggf. < 120 mmHg systolisch) behandelt werden (Abb.). Hier gilt, dass die maximale tolerierbare oder zugelassene Dosis des jeweiligen Medikaments eingesetzt werden sollte. Als nächster Schritt sollte eine Therapie mit einem SGLT2-Hemmer begonnen werden. Ergänzt werden die therapeutischen Empfehlungen um allgemeine Lebensstilmodifikationen, wie Kochsalzrestriktion, Nikotinkarenz, Gewichtskontrolle und körperliche Aktivität.

Persistiert die Proteinurie von > 1 g/Tag trotz optimaler supportiver Therapie, so wurde historisch eine Therapie mit systemischen Steroiden zur ­Kontrolle des Autoimmunprozesses empfohlen. Aufgrund negativer Studienergebnisse (STOP-IgAN-Studie) [3] oder erheblicher, potenziell lebens­bedrohlicher infektiöser Nebenwirkungen [4] wird eine systemische Steroidtherapie in den neuesten KDIGO-Richtlinien sehr restriktiv gehandhabt.

Eine Alternative zur systemischen Steroidtherapie ist die „targeted-release formulation“ (TRF) ­Budesonid, die bei Patientinnen und Patienten mit IgAN und hohem Progressionsrisiko (in Europa ist das definiert durch eine Proteinurie > 1 g/Tag) zur Behandlung zugelassen ist. Bei dieser Therapie besteht ein Behandlungszyklus aus 16 mg TRF-Budesonid einmal täglich für 9 Monate, mit einer Nachbeobachtung für 15 Monate [5,6]. Es zeigten sich sowohl bei der Proteinurie als auch bei der eGFR signifikante Unterschiede während des Therapiezyklus, wobei es im Nachbeobachtungszeitraum ohne Therapie wieder zu einem Anstieg der Proteinurie gekommen ist. Es ist unwahrscheinlich, dass ein einzelner 9-Monats-Behandlungszyklus zu einem anhaltenden Therapieansprechen führt bzw. es ist wahrscheinlicher, dass Patienten und Patientinnen mehrere Behandlungszyklen oder eine ­Erhaltungstherapie mit einer reduzierten ­Dosis von TRF-Budesonid benötigen werden.

Eine weitere Therapieoption für an IgAN Erkrankte mit einer Proteinurie von > 1 g/Tag (oder einem Protein/Kreatinin-Quotienten im Urin von > 0,75 g/g) stellt der duale Endothelin-Angiotensin-Rezeptorantagonist Sparsentan dar. Hintergrund: Endothelin-1 und Angiotensin II verstärken gemeinsam die entzündliche Zytokinreaktion und führen zu einer Potenzierung der glomerulären Dysfunktion, tubulointerstitiellen Schädigung und Gefäßdys­funktion, was zu einer Verschlechterung der Protein­urie und einem fortschreitenden Rückgang der ­Nierenfunktion führt. In den Zulassungsstudien senkte Sparsentan im Vergleich zu Irbesartan die Proteinurie um 41 % und auch der eGFR-Abfall konnte verlangsamt werden [7,8].

Während systemische Steroide und TRF-Budesonid den Autoimmunprozess der IgAN beeinflussen, setzt Sparsentan bei der intrinsischen Progression der chronischen Nierenerkrankung an und erweitert damit das Spektrum supportiver Therapie­optionen.

In zahlreichen Phase-III-Studien werden gerade ­verschiedene Substanzklassen untersucht: Die ­gezielte Unterdrückung von B-Zellen, die Gd-IgA1- und Anti-Gd-IgA1-Antikörper produzieren, ist ein attraktiver therapeutischer Ansatz. Rituximab scheint keine ­Wirkung bei IgAN zu haben. ­Hingegen zeigen erste Ergebnisse von Phase-II-­Studien von Antikörpern gegen CD38 auf Plasmazellen ­(Felzartamab, Mezagitamab) vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Reduktion von Gd-IgA1 und der Proteinurie.

Die Produktion von IgA und auch Gd-IgA1 hängt von den B-Zell-stimulierenden Zytokinen BAFF und APRIL ab, welche bei Erkrankten mit IgAN im Blut erhöht sind. Anti-APRIL- (Sibeprenlimab, Zigakibart) oder kombinierte Anti-APRIL /Anti-BAFF-Therapien ­(Atacicept, Telitacicept und Povetacicept) zeigen in Phase-­II-Studien eine Reduktion von Gd-IgA1 und ebenso eine Senkung der Proteinurie bei Personen mit IgAN.

Nach Ablagerung der Immunkomplexe im Glomerulum kommt es zur Aktivierung des Komplementsystems, welches eine Hauptrolle bei der Progression der Inflammation in der Niere spielt. Weitere ­Komplementfaktor-Inhibitoren wurden entwickelt bzw. gerade in Phase-III-Studien eingesetzt. Hier zeigt vor allem der Faktor-B-Inhibitor Iptacopan überzeugende Ergebnisse in der Proteinurie-Senkung [9].

Mit der RAS-Blockade und der SGLT2-Hemmung besteht somit eine optimale supportive Therapie der Basistherapie für alle an IgA-Nephropathie Erkrankte. Neue Therapien wurden gerade zugelassen (TRF-­Budesonid, Sparsentan) bzw. werden in der ­Zukunft das therapeutische Repertoire ­erweitern (Anti-CD38, BAFF-APRIL-Inhibitoren, Komplementhemmer).

Der Autor

Dr. med. Philipp Gauckler
Facharzt
Innere Medizin IV
Universitätsklinik Innsbruck

philipp.gauckler@i-med.ac.at

Der Autor

PD Dr. med. Michael Rudnicki
Leitender Oberarzt
Innere Medizin IV
Universitätsklinik Innsbruck

michael.rudnicki@i-med.ac.at

  1. Willey CJ et al., Nephrol Dial Transplant 2023; 38: 2340–9
  2. Rauen T et al., Kidney Int 2020; 98: 1044–52
  3. Rauen T et al., N Engl J Med 2015; 373: 2225–36
  4. Lv J et al., JAMA 2022; 327: 1888–98
  5. Barratt J et al., Kidney Int 2023; 103: 391–402
  6. Lafayette R et al., Lancet 2023; 402: 859–70
  7. Heerspink HJL et al., Lancet 2023; 401: 1584–94
  8. Rovin et al., Lancet 2023; 402: 2077–90
  9. Perkovic et al., N Engl J Med 2024; DOI 10.1056/NEJMoa2410316

Bildnachweis: privat

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