Das Urteil des US-Supreme Court zur Abschaffung des Bundesrechtes auf Schwangerschaftsabbruch hat bereits jetzt noch viel weitere Konsequenzen: Der Zugang zu bestimmten Medikamenten wird erschwert; auch Probleme für Medizinstudenten entstehen.
Natürlich wirkt sich das Urteil des US-Supreme Courts auf die Abschaffung des seit 49 Jahren geregelten Bundesrechtes auf einen Schwangerschaftsabbruch in den USA primär auf betroffene, schwangere Frauen aus, heißt es in einer Stellungnahme von „Kaiser Permanente“, einem der größten US-Gesundheitsorganisationen. Doch, so kritisiert das Unternehmen weiter: Die Entscheidung hat noch viele weitere Folgen, die auch und vor allem die medizinische Versorgung in den USA tangieren werden.
Wenn beispielsweise bereits jetzt Einrichtungen, die bislang auch Abtreibungen angeboten haben, in zahlreichen Bundesstaaten mit Abtreibungsverboten belegt werden, deshalb ihre Tätigkeit einstellen müssen und daraufhin die betreffenden Bundesstaaten verlassen, nehmen sie auch sehr viel medizinisches Fachwissen mit, das dann - besonders in dünn besiedelten Regionen - nicht mehr zur Verfügung steht. Sei es Know-how zum Umgang mit Risikoschwangerschaften oder routinemäßigen Geburten. Sei es Expertise zum Zugang zu lang wirkenden Empfängnisverhütungsmitteln, zur Früherkennung und Behandlung von Krebs oder zu sexuell übertragbaren Krankheiten.
Konsequenzen in der Ausbildung
Vor dem gleichen Hintergrund dürften jetzt auch zahlreiche Medizinstudenten und Mediziner ihre Aus- und Weiterbildung nicht mehr in Bundesstaaten mit Abtreibungsverbot beginnen oder fortsetzen, weil sie dort keine Abtreibungsmethoden mehr erlernen können (die im übrigen häufig mit der Behandlung von Fehlgeburten identisch sind). Damit droht ein Mangel an Ärzten, die qualifiziert ausgebildet sind, Patientinnen bei einer sicheren Geburt zu helfen, wodurch immer mehr Frauen gezwungen sind, Schwangerschaften vollständig auszutragen.
Ein bereits jetzt vorkommendes - wohl von den Bundesrichtern nicht intendiertes - Problem ist der Stopp der Abgabe der „Pille danach“ an Frauen mit akutem Verhütungswunsch durch Kliniken. Einfach deshalb, weil selbst Entscheider im Gesundheitswesen offenbar den Unterschied zwischen der „Abtreibungspille“ Mifepriston und der „Pille danach“ (ein hormonelles Verhütungskonzept) nicht kennen. Schließlich sind auch Frauen mit anderen Erkrankungen von der Entscheidung des obersten Gerichtes betroffen: Menschen mit schwerer Psoriasis, Lupus oder anderen Autoimmunerkrankungen berichten bereits jetzt von Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Methotrexat, einem Medikament der ersten Wahl für diese Beschwerden, das auch zum medikamentösen Abort verwendet werden kann (in den USA - früher - v. a. in Kombination mit Misoprostol).
Nachricht: Kaiser Health News (KHN), Juli 2022