Die Zahl der Arbeitsfähigkeits-(AU)-Bescheinigungen von Pflegekräften 2021 um ein vielfaches zu den Vorjahren erhöht. Der subjektive Eindruck aus manchen Praxen wird durch den Pflegereport 2022 der Barmer Ersatzkasse bestätigt. Der Haupttreiber bleibt COVID-19.
Im März 2022 erreichte die Zahl von Arbeitsunfähigkeits- (AU-)Bescheinigungen mit 158 je 10.000 Pflegefachkräfte im Pflegeheim die bisherige Spitze seit Beginn der Pandemie. Im Vergleich zum März 2021 waren dies 14-mal so viele Krankmeldungen (11 je 10.000). Im Juli dieses Jahres waren es sogar fast 40-mal so viele wie im selben Zeitraum 2021 (118 und 3 je 10.000). Aber auch die Pflegebedürftigen in Heimen waren stark von den jeweiligen Corona-Wellen betroffen. Zu Beginn der Pandemie waren 50-60% der mit COVID-19 Verstorbenen stationär Pflegebedürftige. „Für viele Menschen hat SARS-CoV-2 seinen Schrecken verloren. Corona-Maßnahmen werden immer weiter heruntergefahren bis hin zur Aufhebung der Isolationspflicht in einigen Bundesländern. Doch Pflegeheime sind nach wie vor Pandemie-Hotspots. Hier finden sich besonders vulnerable Gruppen. Wir brauchen auch weiterhin ein Corona-Konzept mit Augenmaß vor allem für besonders Schutzbedürftige“, fordert Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Ersatzkasse. Die strikte Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln bleibe weiterhin erforderlich.
Wie aus dem Pflegereport weiter hervorgeht, sind gerade zu Beginn der Pandemie weniger Pflegebedürftige vollstationär gepflegt worden. Die Anzahl der Menschen, die von der häuslichen Pflege in die stationäre Pflege wechselten, sank von jeweils über 25.000 im April der Jahre 2018 und 2019 auf rund 17.000 im Mai 2020. Das entspricht einem Minus von rund einem Drittel. Erst im späteren Verlauf der Pandemie ist die Zahl der Menschen, die vom häuslichen in das stationäre Setting wechselten, wieder gestiegen. „Zu Beginn der Pandemie sind auch deswegen weniger Menschen ins Pflegeheim gekommen, weil die Angehörigen Angst um deren Gesundheit hatten. Durch die Impfungen und das Einhalten der Abstands- und Hygieneregeln konnte das Corona-bedingte Sterberisiko aber deutlich gesenkt werden. Die Pflegeheime müssen aber für weitere Corona-Wellen gewappnet sein“, sagt der Autor des Pflegereports, Prof. Dr. Heinz Rothgang (Bremen). Dazu sollten Eventualplanungen getroffen werden für den Fall, dass sich weitere Virusvarianten durchsetzen, die womöglich wieder zu schweren Verläufen führen.
Doch nicht nur die Pflegebedürftigen und die Pflegefachkräfte hat die Pandemie enorm belastet. Der Pflegereport zeigt auch massive Auswirkungen auf die Finanzierung durch die soziale Pflegeversicherung. So gab es in den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen einerseits Mehrausgaben, etwa für Sachmittel sowie Personal, und andererseits Mindereinnahmen, unter anderem durch nicht belegte Heimplätze. Dafür stellten die Einrichtungen seit März 2020 bei den Pflegekassen Anträge auf Erstattung in Milliardenhöhe. Ein weiterer massiver Kostenblock waren die Ausgaben für Antigen-Tests ab Oktober 2020. Unter dem Strich haben sich die Beträge für Pflege-Rettungsschirme, Antigen-Tests und die Corona-Pflegeprämie bis zum ersten Quartal 2022 auf mehr als neun Milliarden Euro belaufen. Trotz nachträglicher Steuerzuschüsse sind davon 6,4 Milliarden Euro zum Ende des ersten Quartals 2022 offengeblieben. Die Pflegeversicherung ist bei den Milliarden schweren Corona-Ausgaben in Vorkasse gegangen und das in einer ohnehin angespannten Situation. Der Bund ist aufgefordert, heißt es in einer Pressemitteilung der Barmer Ersatzkasse, die noch offenen Gelder schnell an die soziale Pflegeversicherung zu erstatten. „Wenn in diesem Winter die Fallzahlen wieder nach oben gehen sollten, werden die Belastungen für die Pflegekräfte wieder enorm sein. Es ist also an der Zeit, jetzt dafür zu sorgen, dass Pflegebedürftige und Pflegekräfte möglichst glimpflich durch den Corona-Winter kommen“, so Straub.
Pressemitteilung Barmer Ersatzkasse, November 2022
Heinz Rothgang et al.; Barmer Pflegereport 2022, Barmer, November 2022