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Schlafstörungen

Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel nicht unkritisch einnehmen

18.10.2024

Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit dem Inhaltsstoff Melatonin sollen laut Herstellerangaben das Einschlafen erleichtern und den Schlaf verbessern. Das Produktspektrum dieser in Drogerien, Apotheken und im Online-Handel erhältlichen NEM hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Mit der Aufnahme melatoninhaltiger NEM können unerwünschte gesundheitliche Effekte verbunden sein. Nach einer Bewertung der vorhandenen wissenschaftlichen Daten rät das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) insbesondere Schwangeren, Stillenden, Kindern, Jugendlichen oder Personen mit bestimmten Vorerkrankungen von der eigenständigen, unkontrollierten Verwendung melatoninhaltiger NEM ab.

„Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht unkritisch – insbesondere über einen längeren Zeitraum – eingenommen werden“, sagt BfR-Präsident Prof. Dr. Dr. med. vet. Andreas Hensel. „Wer unter Schlafstörungen leidet, sollte die Ursache dafür ärztlich abklären lassen.“

Melatonin ist ein körpereigenes Hormon, das unter anderem an der Steuerung des menschlichen Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt ist und in einem von Mensch zu Mensch unterschiedlichen Rhythmus in Abhängigkeit von Chronotyp, Alter und Entwicklungsphase gebildet wird. Zur zeitlich begrenzten Behandlung von Schlafstörungen ist Melatonin als Wirkstoff in bestimmten Arzneimitteln, die ärztlich verordnet werden müssen, bei Personen ab 55 Jahren sowie bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2 bis 18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung und/oder Smith-Magenis-Syndrom, sofern Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren, zugelassen.

Melatonin-Dosierung einiger NEM höher als bei zugelassenen melatoninhaltigen Arzneimitteln

Datenbank-Recherchen zeigen, dass das Produktspektrum der im Handel erhältlichen melatoninhaltigen NEM zugenommen hat, insbesondere seit dem Jahr 2020. Bei einem Teil der auf dem Markt erhältlichen NEM entspricht oder übersteigt die empfohlene Tagesdosis an Melatonin die übliche Dosierung zugelassener melatoninhaltiger Arzneimittel.

NEM sind Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Sie unterliegen daher im Gegensatz zu Arzneimitteln keiner Zulassungspflicht und werden somit nicht auf ihre Wirksamkeit, Sicherheit oder Verträglichkeit geprüft. Während die Einnahme von Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Melatonin unter ärztlicher Kontrolle erfolgt, ist davon auszugehen, dass Personen mit Ein- oder Durchschlafproblemen melatoninhaltige NEM auch langfristig unkontrolliert einnehmen. Gesundheitliche Risiken, die mit der Einnahme melatoninhaltiger NEM – insbesondere bei Langzeitanwendung – verbunden sein könnten, wurden bisher nur unzureichend untersucht. Die momentan verfügbaren wissenschaftlichen Daten zur Verwendung von Melatonin sprechen nach Ansicht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) gegen eine unkritische, unkontrollierte Einnahme melatoninhaltiger NEM, vor allem über einen längeren Zeitraum.

Kinder und Jugendliche, Schwangere, Stillende und Frauen mit Kinderwunsch, Personen mit Einschränkungen der Leber- und/oder der Nierenfunktion sowie Personen, die an einer Autoimmunerkrankung oder Epilepsie leiden, gehören zu den Personengruppen, die aus Sicht des BfR von einer unkontrollierten Einnahme melatoninhaltiger NEM ausgenommen werden sollten. Personen, die ein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes haben, wird eine ärztliche Beratung vor bzw. Kontrolle während der Verwendung melatoninhaltiger NEM empfohlen. Zudem können bestimme Personen oral aufgenommenes Melatonin vergleichsweise langsam abbauen, dies hängt mit dem Lebensalter und individuellen genetischen Merkmalen zusammen. Dadurch kann es bei einigen Personen zeit- und dosisabhängig zu länger andauernd überhöhten Spiegeln von Melatonin im Körper kommen. Daher sollten auch erwachsene Verbraucherinnen und Verbraucher, die im Allgemeinen gesund sind, melatoninhaltige NEM nicht unkontrolliert, insbesondere nicht regelmäßig über einen längeren Zeitraum, einnehmen.

Unerwünschte gesundheitliche Effekte

Aus den vorhandenen Studien geht hervor, dass bereits vergleichsweise niedrige Melatonin-Dosierungen (1 Milligramm pro Tag und weniger) unerwünschte gesundheitliche Effekte haben können. Zu den häufig beobachteten unerwünschten Wirkungen nach Einnahme von Melatonin durch gesunde Erwachsene gehörten Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, verringerte Aufmerksamkeit, verlängerte Reaktionszeit, Blutdruckabfall, Reduktion der Körpertemperatur, Alpträume, Kraftlosigkeit, morgendliche Benommenheit und Gangunsicherheit. Die schlaffördernde Wirkung von Melatonin hielt teilweise bis in den Folgetag nach der letzten Einnahme hinein an, was unter anderem die Teilnahme am Straßenverkehr oder die Befähigung, bestimmte Maschinen/Geräte zu bedienen, beeinträchtigen kann.

Untersuchungen an Erwachsenen weisen darauf hin, dass eine einmalige Einnahme von Melatonin in geringen Dosierungen zudem die Konzentration des Wachstumshormons GH (0,5 mg) bzw. den Blutzuckerspiegel (1 mg oder 4 mg Melatonin) akut beeinflussen kann. Ob damit bei langfristiger Einnahme das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen erhöht wird oder Längenwachstumsveränderungen bei Kindern und Jugendlichen auftreten könnten, ist momentan ungewiss und erfordert weitere Untersuchungen. Zudem ist unklar, inwiefern oral zugeführtes Melatonin einen Einfluss auf die individuelle hormonelle bzw. pubertäre Entwicklung haben könnte.

Darüber hinaus weist das BfR darauf hin, dass bei paralleler Einnahme von Melatonin und bestimmten Arzneistoffen, unter anderem bei bestimmten blutdrucksenkenden Mitteln und Gerinnungshemmern, Interaktionen auftreten können, die im Einzelfall die Wirkung der betreffenden Arzneimittel bzw. des Melatonins beeinflussen könnten.

Stellungnahme „Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel: BfR weist auf mögliche Gesundheitsrisiken hin“. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin, 8.8.2024 (https://www.bfr.bund.de/cm/343/melatoninhaltige-nahrungsergaenzungsmittel-bfr-weist-auf-moegliche-gesundheitsrisiken-hin.pdf).

* Pressemitteilung „Melatonin als unbedenkliche Einschlafhilfe?“ Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin, 8.8.2024 (https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2024/25/melatonin_als_unbedenkliche_einschlafhilfe_-316770.html).

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