Die nach herkömmlicher Diagnostik angesetzten Therapien gegen Allergien schlagen häufiger nicht zufriedenstellend an. Hier kann die gezielte Detektion der auslösenden Einzelallergene hilfreich sein. Im Gegensatz zum EBM können nach GOÄ nur Einzelleistungen abgerechnet werden.
Die molekulare Allergiediagnostik hat die allergologische Diagnostik deutlich verbessert. Dazu werden Allergie-Testextrakte verwendet, die meistens aus rekombinant hergestellten Allergenkomponenten bestehen, die gentechnisch mithilfe von entsprechend veränderten Mikroorganismen oder in Zellkulturen hergestellt werden. Damit lässt sich die Allergiediagnostik gezielt auf Einzelallergene bzw. Allergenkomponenten ausrichten und eben nicht auf die gesamten möglichen Allergieauslöser. Die Konzentration der Diagnostik auf bestimmte Allergenkomponenten führte auch zu dem Begriff der „Komponentendiagnostik“.
Die Abrechnung
Im Zusammenhang mit der Leistungsabrechnung hat sich dadurch weder in der GOÄ noch im EBM etwas geändert. Das liegt daran, dass es sich auch bei der molekularen Allergiediagnostik letztendlich um die Bestimmung des IgE gegen molekulare Allergenkomponenten handelt.
Die Bestimmung des IgE ist nach EBM mittels der GOP 32427 zu berechnen. Diese ist für die „Untersuchung auf allergenspezifische Immunglobuline in Einzelansätzen (Allergene oder Allergengemische) anzusetzen. Nach GOÄ ist die Bestimmung des IgE nach GO-Nr. 3891 abzurechnen. Hier ist der Mehraufwand für die Bestimmung mehrerer Allergenkomponenten über die Anwendung der Faktorsteigerung (§ 5 GOÄ) geltend zu machen.
Allergiediagnostik in der GOÄ
Im Gegensatz zum EBM stehen in der GOÄ keine „allergisch-diagnostischen Komplexe“ zur Verfügung, sondern die entsprechenden Einzelleistungen. Danach sind die Tests nach den GO-Nrn. 385 (1. bis 20. Test – je Test), 386 (vom 21. bis 40. Test – je Test) und 387 (vom 41. bis 80. Test – je Test) abzurechnen.
Indikationen
Nahrungsmittelallergien sind das typische Einsatzgebiet der molekularen Allergiediagnostik. Durch sie ist es möglich einzuschätzen, durch welche einzelne Substanz ein Anaphylaxierisiko für Betroffene besteht. Das lässt sich anhand des Sensibilisierungsprofils darstellen. Patienten und Patientinnen mit einer Sensibilisierung auf Birkenpollen zeigen z. B. in der Hauttestung oft auch eine Sensibilisierung auf Erdnüsse, sie sind polysensibilisiert. Hier stellt sich nun die Frage, ob es sich „nur“ um ein orales Allergiesyndrom handelt, oder ob eine Anaphylaxiegefahr besteht. In diesem Fall hilft die molekulare Allergiediagnostik, das Allergen auf der molekularen Ebene genau zu bestimmen und danach die entsprechende Hyposensibilisierung bzw. die spezifische Immuntherapie durchzuführen.
Die Rhinitis allergica stellt gerade im Frühjahr und im Frühsommer ein fast alltägliches Praxisproblem dar. Sie ist definiert als eine von Frühjahr bis Herbst als Pollinosis oder perennial auftretende wässrige Rhinitis mit Nasenatmungsbehinderung, Niesreiz und Konjunktivitis wechselnder Ausprägung, z. T. in Kombination mit einem allergischen Asthma bronchiale. Ursache ist eine Atopie gegenüber Pollen oder anderen inhalativen Allergenen wie Hausstaubmilben, Bettfedern, Schimmelpilzen oder Tierhaaren. Aber auch Nahrungsmittel und andere Substanzen können zu teils schweren allergischen Reaktionen führen.
Diagnostik
Die gezielte Anamnese ist eine wichtige diagnostische Grundlage bei V. a. eine Allergie und umfasst Fragen nach:
Die Inspektion von Nase, Rachen, Ohren, Konjunktiven und Haut sowie die Untersuchung der Lungen einschließlich ggf. der Lungenfunktion helfen diagnostisch oft schon weiter, bevor mittels der molekularen Allergiediagnostik nach der eigentlichen Ursache gesucht wird.
Eine ggf. nachfolgend durchzuführende molekulare Allergiediagnostik dient vor allem der differenzialdiagnostischen Abgrenzung der allergischen Reaktion. Durch die Testung mit spezifischen Komponenten können eine Primärsensibilisierung nachgewiesen und entsprechend die geeignete Immuntherapie ausgewählt werden.
Der Fall
Nahrungsmittelallergie neben allergischer Rhinitis
Ein 36-jähriger Patient stellt sich wegen eines extrem starken Fließschnupfens, verbunden mit Juckreiz in der Nase und vor allem in den Augen vor. Die Anamnese ergibt, dass diese für den Patienten äußerst heftige Reaktion seit etwa 6–7 Jahren von März bis etwa Ende Mai auftritt. Dabei zeige sich zuerst ein Juckreiz in der Nase und dieser typische Fließschnupfen mit dünnflüssigem, klarem Sekret. Danach würde der Juckreiz in den Augen auftreten, verbunden mit einem sandartigen Reibegefühl und starker Rötung der Augen. Der Aufenthalt im Freien, vor allem im Garten und in der Natur, würden die Beschwerden deutlich verstärken.
Heute sei die Symptomatik jedoch zum ersten Mal in der Mittagspause nach dem Verzehr von Nusseis aufgetreten. Anamnestisch werden Haustiere (Tierhaarallergie) verneint, die Wohnung sei trocken (Schimmelpilzallergie), kein Teppichboden (Hausstaubmilben), keine Verschlechterung in der Nacht. Nahrungsmittelallergien seien bisher nicht bekannt, Medikamente würden keine eingenommen. Bei der körperlichen Untersuchung zeigen sich ein leicht erniedrigter Blutdruck (RR 110/60 mmHg) mit erhöhter Herzfrequenz (88/min), hyperämisch angeschwollene Nasenschleimhäute sowie eine Rötung und ein starkes Ödem der Bindehaut. Stirn und Oberkiefer zeigen keinen Klopfschmerz, Gehörgänge und Trommelfelle sind frei, die Haut ist unauffällig, es besteht kein Ekzem der Ellen- und Kniebeugen, die Auskultation der Lunge ergibt ein scharfes Atemgeräusch mit einer diskreten Spastik. Die derzeitige Pollenflugsituation einerseits sowie eine mögliche Kreuzallergie andererseits werden mit dem Patienten besprochen, ebenso wie die weiteren notwendigen Schritte: Lungenfunktion, EKG sowie eine Blutentnahme zur molekularen Allergiediagnostik. Dazu wird das Blut an ein Speziallabor weitergeleitet.
Zur Soforttherapie werden ein Antiallergikum verordnet, ein Nasenspray sowie Augentropfen. Das Krankheitsbild der allergischen Rhinitis und mögliche Kreuzallergien werden mit dem Patienten besprochen und ein Termin zur Erörterung der Untersuchungsergebnisse sowie zur Kontrolluntersuchung vereinbart.
Der Autor
Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Schlüter
Arzt für Allgemeinmedizin
Arzt für Naturheilverfahren
76684 Tiefenbach
schlueter@vital-arzt-praxis.de
www.vital-arzt-praxis.de
Dr. Dr. Peter Schlüter ist promovierter Naturwissenschaftler und Mediziner. Seit 1982 ist er als Arzt für Allgemeinmedizin mit betriebswirtschaftlich optimierter Praxis niedergelassen. Als Berater zu allen Fragen der Praxisorganisation, Praxismanagement und Abrechnung ist er seit 1987 tätig.
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