Eine erste synoptische S2k-Leitlinie zum Thema „Harninkontinenz der Frau“ haben deutsche, schweizerische und österreichische Fachgesellschaften erarbeitet und veröffentlicht.
„Häufig ist, was häufig ist“, gilt eigentlich auch in der Medizin. Dennoch gibt es erst jetzt eine Leitlinie für die häufige Indikation „Harninkontinenz der Frau“, teilt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) mit. Harninkontinenz gehört zu den häufigsten Krankheitsbildern in der Gynäkologie und stellt bei hoher Prävalenz (ca. 30% aller Frauen) ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem für Frauen aller Altersklassen dar. Eine zum Teil massive Beeinträchtigung der Lebensqualität geht mit physischen, psychischen, sozialen und auch ökonomischen Folgen für die Betroffenen einher.
„Die vorliegende Leitlinie verfolgt das Ziel, alle wissenschaftlich relevanten Informationen zur Belastungsinkontinenz und überaktiven Blase (Dranginkontinenz) zu bündeln, die bislang in getrennten Leitlinien dargestellt wurden“, unterstreicht Professor Dr. Anton Scharl, Präsident der DGGG. Auch wurde der diagnostische Teil zur Beckenbodensonografie bei Harninkontinenz einer weiteren Leitlinie in diese zusammenfassende Handlungsempfehlung integriert. Der Fokus liegt auf den diagnostischen Ansätzen und unterschiedlichen Therapieformen von Harninkontinenz. Die Empfehlungen beziehen sich auf die Therapie von erwachsenen Frauen im ambulanten sowie stationären Versorgungsbereich. „Mit der neuen S2k-Leitlinie ist eine umfassende Darstellung der Harninkontinenz gelungen, die dazu beiträgt, eine angemessene Versorgung der betroffenen Frauen in Diagnostik und Therapie zu garantieren und individualisierte Behandlungsoptionen zu verbessern“, erklärt Professor Dr. Christl Reisenauer, Leitlinienkoordinatorin der DGGG.
Die ausführliche und sorgfältige Anamnese - so betonen die Autoren - ist der erste und grundlegende Schritt bei der Behandlung. Auch die Untersuchungs- und Behandlungserwartungen sollten in diesem Zuge ermittelt werden. Je nach Art der Erkrankung - Belastungsinkontinenz, Mischharninkontinenz oder Dranginkontinenz - wird zwischen konservativer, medikamentöser und operativer Therapie unterschieden. Die konservative Therapie erstreckt sich auf einfache klinische Maßnahmen und lebensstilbezogene Interventionen wie Koffeinreduktion, körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion und individuelle Verhaltens- und Physiotherapie. Je nach Ausprägung der Harninkontinenz wird der Einsatz von Arzneimitteln empfohlen. Führen konservative und medikamentöse Maßnahmen nicht zum erwünschten Erfolg, sieht die Leitlinie individuelle operative Therapien vor. Zuletzt widmet sich die Leitlinie der Diagnose und Behandlung von urogenitalen Fisteln, die eine Harninkontinenz herbeiführen können. PD Dr. Gert Naumann, Erfurt, ebenfalls DGGG-Leitlinienkoordinator, betont: „Diese Leitlinie bietet ein breites diagnostisches und therapeutisches Instrumentarium, dessen Anwendung sich am Leidensdruck und an der Therapiemotivation der Patientin orientiert. Eine fachgerechte Diagnostik und eine gut fundierte Beratung kann jeder betroffenen Frau die Chance auf eine individualisierte Behandlung eröffnen“.
Die Leitlinie steht online zum Download (PDF, nur Langfassung, 262 Seiten) zur Verfügung.
Pressemitteilung: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), März 2022