Mit ihrer hohen Morbidität und der zunehmenden Resistenzentwicklung stellt die Gonorrhö ein weltweites Problem dar. Prävention ist gefragt, jedoch gibt es bis dato keine effektive spezifische Impfung. Inwieweit sich durch Kreuzimmunität bei der Meningokokken-Impfung Schutz bietet, ist Gegenstand der aktuellen Forschung.
Durch die Homologie einzelner Oberflächenantigene von Neisseria (N.) gonorrhoeae und N. meningitidis besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer induzierten Kreuzimmunität bei Verabreichung des gegen Meningitis eingesetzten Vierkomponenten-Impfstoffs 4CMenB. Beobachtungsstudien in Australien und den USA ergaben nach zweimaliger 4CMenB-Impfung eine moderate Effektivität von 33 % bzw. 46 % innerhalb von 2 bis 3 Jahren, in einer kanadischen Studie lag sie bei 59 % (keine statistische Signifikanz bei geringen Fallzahlen) und in einer italienischen Fall-Kontroll-Studie mit HIV-Positiven bei 44 %. Allerdings hielten diese Daten der Überprüfung in einer randomisierten, open-label klinischen Studie in Frankreich (DOXYVAC) nicht stand: Unter 544 MSM mit erhöhtem Infektionsrisiko zeigte sich nach 4CMenB-Impfung eine Inzidenz von 58,3 Gonorrhö-Fällen pro 100 Personenjahre (PJ) versus 77,1/100 PJ ohne Impfung, resultierend in einer Hazard Ratio von 0,78 (95%-KI 0,60–1,01) – und damit kein signifikanter Unterschied. Laut der Autorengruppe könnte dies ebenfalls an einer zu geringen Fallzahl liegen. Weitere Studien zur Effektivität bei Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko laufen.
Für Einschätzungen zur Dauer der Protektivität durch die 4CMenB-Impfung liegen aktuell nicht genügend Daten vor. Somit sind Aussagen zu Gesamt-Effekt und Kosten-Effektivität einer Impf-Intervention auf Populationsebene kaum möglich. Erste Hinweise gibt eine australische Studie, die eine geringere Effektivität 36 Monate nach Impfung zeigen konnte (vs. 6–36 Monats-Zeitraum). Modellierungsstudien ergaben aber, dass ein entsprechendes Impfangebot in Populationen mit erhöhtem Risiko (MSM, Sexarbeiter, Personen mit hoher Partnerzahl und/oder kondomlosem Sex, HIV-PrEP-Nutzer) effektiv sein dürfte. Daher erachtet es die DSTIG als sinnvoll, dass bei Personen mit hohem Risiko eine Impfung mit 4CMenB (2 Dosen, Mindestabstand: 1 Monat) als zusätzliche Präventionsmaßnahme nach individueller Risiko-Nutzen-Abschätzung auf Wunsch eingesetzt wird. Damit soll neben der individuellen Minimierung des Gonorrhö-Risikos auch der invasiven Meningokokken-B-Infektion vorgebeugt werden, für die besonders MSM gefährdet sind. Wichtig: Es handelt sich hier um einen Off-Label-Use, außer bei Vorliegen einer HIV-Infektion. Die breite Implementierung in der Population kann die DSTIG aktuell aufgrund der heterogenen Datenlage nicht empfehlen.
Brockmeyer NH et al., Stellungnahme der DSTIG zum Einsatz eines Impfstoffs gegen Meningokokken der Serogruppe B (MenB) zur Vermeidung von Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae. Version 1; 2024