Mit einer großen multinationalen Studie mit über 266000 Teilnehmern aus sieben europäischen Ländern haben Ernährungswissenschaftler der Universität Wien in Zusammenarbeit mit der International Agency for Research on Cancer (IARC) bestätigt, dass ein hoher Konsum von hochverarbeiteten Lebensmitteln („ultra-processed foods“ – UPFs), mit einem höheren Risiko für Multimorbidität von Krebs und kardiometabolischen Erkrankungen verbunden ist. Die Studie wurde jetzt in The Lancet Regional Health – Europe publiziert.
UPFs sind industriell hergestellte Produkte, die modifizierte Lebensmittelbestandteile umfassen, die mit einer Vielzahl von Zusatzstoffen neu kombiniert werden, die in dieser Form nicht zu Hause zubereitet werden können. Die Studie, durchgeführt von Reynalda Córdova von der Abteilung für Ernährungswissenschaften der Universität Wien und DOC-Stipendiatin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), basiert auf Daten der Studie „European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC, https.//epic.iarc.fr)“. Córdovas Fazit: Ein erhöhter Konsum von UPFs ist mit einem Anstieg des Risikos für Multimorbidität von Krebs und kardiometabolischen Erkrankungen verbunden.
Die Studie liefert auch Hinweise auf einen differenzierten Zusammenhang zwischen Untergruppen von ultra-verarbeiteten Lebensmitteln und Multimorbidität. Insbesondere wurde ein Zusammenhang mit hochverarbeiteten tierischen Produkten sowie mit Süßstoff und mit Zucker gesüßten Soft-Drinks festgestellt. Andere Untergruppen, wie hochverarbeitete Getreideprodukte oder pflanzliche Alternativprodukte, zeigten keinen Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko. Zudem fand das Forscherteam heraus, dass der Zusammenhang von hohem UPF-Konsum und dem Risiko von Multimorbidität für Männer und Frauen, Raucher und Nichtraucher sowie in unterschiedlichen europäischen Ländern gleichermaßen gültig ist. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, sich mit den Auswirkungen von hochverarbeiteten Lebensmitteln zu befassen und wie wichtig es ist einen universellen Zugang zu frischen und weniger verarbeiteten Lebensmitteln zu gewährleisten“, betont Córdova.
Frage nach der Kennzeichnung kritischer Lebensmittel
Multimorbidität ist nicht nur in Europa, sondern in immer mehr Regionen der Welt ein wachsendes Gesundheitsproblem. Durch die neuen Erkenntnisse können präventive Strategien für die Verringerung des Risikos der Multimorbidität von Krebs und kardiometabolischen Erkrankungen durch Ernährungsempfehlungen, gesundheitspolitische Maßnahmen und Interventionen verbessert werden. Studienmitautor Prof. Dr. Karl-Heinz Wagner von der Universität Wien sagt: „Die Ergebnisse unserer Studie können mit bestehenden Ernährungsempfehlungen, möglichst Fleischprodukte zu reduzieren und sich hauptsächlich von pflanzenbasierten Lebensmitteln zu ernähren, gut in Einklang gebracht werden“.
Besonders bei UPFs und anderen kritischen Lebensmitteln ist eine Kennzeichnung wichtig. Dr. Heinz Freisling, Mitautor und Studienleiter bei der IARC sagt dazu: „Kritikerinnen und Kritiker der Klassifizierung von manchen Lebensmitteln als UPF meinen, dass die Definition unpraktisch sei und dass manche als UPF definierte Lebensmittel einen wichtigen Beitrag zur Nährstoffversorgung von bestimmten Bevölkerungsgruppen leisten (z.B. bei älteren Menschen). Unsere Studie unterstreicht, dass man nicht vollständig auf UPF verzichten muss, um einem etwaigen Multimorbiditätsrisiko entgegenzuwirken, sondern lediglich den Verzehr so weit möglich einschränken sollte“.
Hintergrund: Hochverarbeitete Lebensmittel sind Teil eines modernen Lebensstils und machen in Deutschland ca. 46 % der täglichen Energieaufnahme aus. Querschnitts- und Kohortenstudien belegen Assoziationen zwischen dem Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel und nichtübertragbaren Erkrankungen (Übergewicht, Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Depressionen). Als Ursache für diesen Zusammenhang werden neben einer hohen Energiedichte und einer veränderten Lebensmittelmatrix eine ernährungsphysiologisch unausgewogene Zusammensetzung, ein hoher glykämischer Index, sowie abträgliche Zusatzstoffe und Kontaminanten durch Verarbeitung und Verpackung diskutiert (Fedde S et al., DMW, 2022).
Pressemitteilung „Hochverarbeitete Lebensmittel erhöhen das Krankheitsrisiko“. Universität Wien, 14.11.2023 (https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/hochverarbeitete-lebensmittel-erhoehen-das-krankheitsrisiko/).
Cordova R et al.: Consumption of ultra-processed foods and risk of multimorbidity of cancer and cardiometabolic diseases: a multinational cohort study. The Lancet Regional Health - Europe. Online 14. Nov. 2023 (DOI 10.1016/j.lanepe.2023.100771).