Die Immunhyperthyreose vom Typ Morbus Basedow ist nach der Hashimoto-Thyreoiditis die zweithäufigste Schilddrüsen-Autoimmunerkrankung mit thyreoidaler und extrathyreoidaler Manifestation (endokrine Orbitopathie [EO], prätibiales Myxödem).
Etwa 3 % der Frauen und 0,5 % der Männer entwickeln einen M. Basedow im Laufe ihres Lebens. Neben dem weiblichen Geschlecht zählen eine genetische Suszeptibilität, virale Infektionen, Stress, Rauchen, eine vorherige Schwangerschaft und Jodexposition zu prädisponierenden Faktoren. Gegen den TSH-Rezeptor gerichtete Antikörper (TRAK) führen zur Stimulation der Schilddrüsenhormonsynthese und Schilddrüsenhyperplasie.
Neben stimulierenden TRAK mit zentraler Bedeutung für den M. Basedow existieren auch inhibierende TRAK, welche eine Hypothyreose bei einer Autoimmunthyreoiditis bedingen können. Aktivierte T-Helferzellen und B-Zellen sind, neben dem TSH-Rezeptor als zentrales Autoantigen, wesentlich an der TRAK-Bildung beteiligt. Histologisch konnte eine deutliche Lymphozyteninfiltration in Basedow-Schilddrüsen gezeigt werden.
Die Pathophysiologie der EO ist bis heute nicht hinreichend verstanden. Neben der nachgewiesenen Expression von TSH-Rezeptoren auf den Fibroblasten der Orbita vermutet man auch eine Beteiligung des IGF-1-Rezeptors, welcher mit dem TSH-Rezeptor interagiert und ebenfalls durch TRAK stimuliert werden kann. Passend dazu zeigte sich eine signifikante Besserung der EO nach Behandlung mit dem monoklonalen IGF-1-Rezeptor-Antikörper Teprotumumab (in Deutschland aktuell nicht zugelassen).
Bei Erstdiagnose liegt meist eine manifeste Hyperthyreose vor. Die Patienten berichten klassischerweise von einer ausgeprägten Nervosität und inneren Unruhe, gesteigerten Stuhlfrequenz, Schlaflosigkeit, Gewichtsabnahme trotz gesteigerten Appetits, Hitzeintoleranz und Herzrasen bzw. Herzstolpern. Bei der klinischen Untersuchung können häufig eine Tachykardie, eine Struma sowie ein Exophthalmus, als Zeichen einer bereits bestehenden EO, auffallen (Merseburger Trias: Kombination aus Tachykardie, Struma und Exophthalmus). Häufig ist über der Struma auch ein Schwirren auskultierbar. Die Tachykardien können sich bei entsprechender Prädisposition auch als Vorhofflimmern manifestieren. Weitere klinische Zeichen sind ein feinschlägiger Tremor, eine Hyperreflexie, warme und feuchte Haut, brüchige Haare und Nägel sowie in seltenen Fällen ein prätibiales Myxödem. Zur Diagnosesicherung ist die Bestimmung der TRAK essenziell, welche eine hohe Sensitivität und Spezifität von ca. 97 bzw. 98–99 % (je nach Assay) aufweisen. Die im klinischen Alltag zur Anwendung kommenden kompetitiven Assays der zweiten und dritten Generation ermöglichen lediglich einen quantitativen Nachweis von TRAK. Eine funktionelle Unterscheidung von stimulierenden und inhibierenden TRAK gelingt nur mit hochsensitiven, zellbasierten Bioassays. Der Nachweis von stimulierenden TRAK stellt, sofern verfügbar, einen hilfreichen prädiktiven Marker für extrathyreoidale Manifestationen sowie für die Entwicklung einer fetalen oder neonatalen Hyperthyreose in der Schwangerschaft dar. Zur Diagnosestellung sollte ergänzend eine Schilddrüsensonografie durchgeführt werden. Typischerweise zeigt sich eine diffus vergrößerte Schilddrüse mit inhomogener, echoarmer Binnenstruktur sowie eine ausgeprägte Hypervaskularisation („vaskuläres Inferno“). Eine Schilddrüsenszintigrafie ist bei positivem TRAK-Nachweis und einem klassischen sonografischen Befund im Regelfall nicht erforderlich. Sie wird jedoch zur funktionellen Charakterisierung von koexistierenden Schilddrüsenknoten oder vor Durchführung einer Radiojodtherapie (RJT) empfohlen.
Entsprechend der europäischen Leitlinie von 2018 stellt die Erstlinientherapie eine medikamentöse Therapie mit Thyreostatika dar, mit welcher bei einer empfohlenen Dauer von 12–18 Monaten
in ca. 50–55 % eine Remission erreicht werden kann. Die Thyreostatika vom Thionamidtyp (Methimazol [MMI, Synonym: Thiamazol], Carbimazol und Propylthiouracil [PTU]) bewirken eine dosisabhängige Hemmung der Schilddrüsenhormonsynthese. Zugrunde liegender Mechanismus ist die Blockierung der Thyreoperoxidase, welche die Jodisation von Tyrosin katalysiert. In höheren Dosen hemmt PTU zudem die periphere Konversion von Thyroxin zu Trijodthyronin. Carbimazol muss als „Prodrug“ von MMI zunächst in Darm und Blut in den aktiven Metaboliten umgewandelt werden, sodass MMI heutzutage vorgezogen wird. Aufgrund des insgesamt günstigeren Wirkprofils wird bei Erwachsenen, mit Ausnahme von Schwangeren in den ersten 16 Schwangerschaftswochen (SSW), primär der Einsatz von MMI gegenüber PTU empfohlen. Insbesondere ist die Möglichkeit einer einmaligen täglichen Einnahme aufgrund der längeren Halbwertszeit von Vorteil. Tab. 1 stellt die relevanten Aspekte der Pharmakodynamik und -kinetik von MMI und PTU gegenüber. Eine begleitende Therapie mit L-Thyroxin („block and replace“) zur Prävention einer iatrogenen Hypothyreose hat in Studien keinen Vorteil bezüglich der Remissionsrate gezeigt. Um die notwendige Dosis des Thyreostatikums mit Blick auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu minimieren, wird daher eine Monotherapie mit MMI favorisiert. Zur raschen Linderung adrenerger Symptome (Palpitationen, Tremor) empfiehlt sich die Hinzunahme eines Betablockers (z. B. Atenolol, Bisoprolol, Propranolol), insbesondere von Propranolol, welches in hohen Dosen zudem die periphere Konversion der Schilddrüsenhormone hemmt.
Im Verlauf kann dann bei sich beruhigender Immunhyperthyreose die thyreostatische Therapie reduziert werden. Bezüglich des Ausschleichens der Therapie wird spätestens nach 12–18 Monaten bei erreichter Euthyreose ein Auslassversuch empfohlen. Eine TRAK-Bestimmung vor Beendigung der Therapie ist hilfreich, da bei erhöhten Werten eine geringere Chance der Remission besteht. In einer retrospektiven Analyse ca. sechs Monate nach Krankheitsbeginn waren TRAK ≥ 10 IU/l mit einer nahezu ausgeschlossenen Remission verbunden.
Im Falle eines Rezidivs oder einer Persistenz der Hyperthyreose unter adäquater thyreostatischer Therapie wird eine ablative Therapie (RJT oder totale Thyreoidektomie [TT]) empfohlen. Prinzipiell müssen die jeweiligen Vor- und Nachteile gemeinsam mit dem Patienten abgewogen werden. Diese sowie Kontraindikationen beider Verfahren sind in Tab. 2 gegenübergestellt. Nach einer RJT normalisierte sich die Schilddrüsenfunktion innerhalb von drei bis zwölf Monaten bei 50–90 % der Patienten sowie das Schilddrüsenvolumen innerhalb von zwölf Monaten. Eine Empfehlung zur TT sollte bei koexistierenden Schilddrüsenknoten mit Malignitätsverdacht, gewünschter Konzeption in den nächsten sechs Monaten sowie bei schon bestehender, ausgeprägter EO ausgesprochen werden. Eine permanente Hypothyreose ist bei beiden Verfahren meist nicht vermeidbar, wobei sie sich bei der RJT erst im Verlauf entwickelt.
Falls eine RJT oder Operation nicht sinnvoll erscheint (Alter, Patientenwunsch), kann auch eine niedrig dosierte Langzeittherapie mit Thyreostatika erwogen werden. Im direkten Vergleich zur RJT erwies sich eine Langzeittherapie mit MMI (2,5–7 mg täglich) effizient in Bezug auf eine stabile Euthyreose, wirkte sich günstiger auf das Outcome einer bestehenden endokrinen Orbitopathie aus und war dabei bezüglich Komplikationen und Kosten nicht unterlegen. Rauchern sollte aufgrund der starken Risikoerhöhung für ein Rezidiv sowie Inzidenz und Progredienz einer EO dringend ein sofortiger Rauchstopp empfohlen werden.
Die erforderliche Thyreostatikadosis richtet sich nach der Ausprägung der Hyperthyreose und der Jodversorgung. Üblicherweise beträgt die initiale Dosis von MMI 10–30 mg/Tag und von PTU 100 mg alle acht Stunden. Zu beachten ist der um sechs bis acht Tage verzögerte Wirkungseintritt aufgrund der langen Halbwertszeit von T4 im Blut. Bei starker Symptomatik ist daher die begleitende Gabe von Propranolol (20–40 mg alle sechs Stunden) hilfreich. Eine erste Kontrolle der Schilddrüsenwerte sollte nach drei bis vier, bei ausgeprägter Hyperthyreose bereits nach ein bis drei Wochen erfolgen. Die Thyreostatika können abhängig von der Schilddrüsenfunktion schrittweise auf eine Erhaltungsdosis reduziert werden (MMI 2,5–10 mg/Tag, PTU 50–100 mg alle acht Stunden). Richtungsgrößen sind hierbei die freien Schilddrüsenwerte, da sich der TSH-Wert meist erst nach Wochen bis Monaten normalisiert.
„Schrittweise Reduktion bei der Therapieeinstellung auf Erhaltungsdosis möglich und sinnvoll.“
Das Auftreten Thyreostatika-assoziierter Nebenwirkungen ist dosisabhängig. Häufig (1–5 %) sind Hautausschlag, Urtikaria und Arthralgien. Bei mildem, häufig passagerem Arzneimittelexanthem können orale Antihistaminika unter Fortführung des Thyreostatikums eingesetzt werden. Andernfalls wird die Umstellung auf ein alternatives Präparat empfohlen (nicht bei schweren allergischen Reaktionen). Bezüglich der gefürchteten, seltenen Nebenwirkungen Agranulozytose und Hepatitis/Cholestase ist eine gute Patientenaufklärung essenziell. Vor Therapiebeginn sollte darüber informiert werden, dass bei Fieber, Pharyngitis, oralen Ulcera, zystitischen Beschwerden, Ikterus, dunklem Urin oder entfärbtem Stuhl umgehend eine ärztliche Vorstellung erfolgen sollte. Bei laborchemischer Bestätigung einer Agranulozytose (Neutrophile
Insbesondere in der 6.–10. SSW sollten Thyreostatika aufgrund des teratogenen Potenzials möglichst vermieden werden. Liegt aber eine therapiebedürftige, manifeste Hyperthyreose bei M. Basedow vor, sollte in den ersten 16 SSW PTU bevorzugt werden, danach eher MMI. Grund ist das mildere Spektrum assoziierter Fehlbildungen bei ähnlicher Inzidenz von 2–3 bzw. 2–4 % (PTU vs. MMI), z. B. Gesichts-/Halszysten bei PTU im Vergleich zu Choanal-/Ösophagusatresie bei MMI. Bei Therapiefortführung nach der 16. SSW existiert in den aktuellen American Thyroid Association(ATA)-Leitlinien aufgrund mangelnder Evidenz keine klare Empfehlung für eine Umstellung auf MMI. Therapieziel ist ein hochnormales/leicht erhöhtes fT4 mit der niedrigsten erforderlichen Therapiedosis. Ein „block and replace“-Konzept ist in der Schwangerschaft obsolet, mit Ausnahme des seltenen Falls einer isolierten fetalen Hyperthyreose.
Die Autorin
Dr. med. Charlotte Wernicke
Ärztin
Medizinische Klinik für Endokrinologie,
Stoffwechsel und Ernährungsmedizin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Der Autor
Univ.-Prof. Dr. med. Knut Mai
Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie, Ernährungsmedizin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Literatur bei den Autoren