Die S3-Leitlinie zu Adipositas und Schwangerschaft beschäftigt sich nicht nur mit den Risiken für Mutter und Kind. Sie gibt auch durchaus Hinweise auf mögliche Lebensstilveränderungen vor und während der Schwangerschaft. Wenn man bereit ist, auch zwischen den Zeilen zu lesen.
Die noch bis Ende 2024 gültige Leitlinie zu Adipositas und Schwangerschaft hat klare Ziele definiert: Verbesserung und Vereinheitlichung von Prävention, Schwangerenvorsorge, Betreuung unter und nach der Entbindung unter Berücksichtigung der besonderen Risiken von Schwangeren mit Übergewicht oder Adipositas durch evidenzbasierte Empfehlungen für den ambulanten und stationären Bereich [1].
Das schafft sie auch, man muss nur ab und an zwischen den Zeilen lesen. Viele Kolleginnen und Kollegen stehen schon lange vor der Schwangerschaft einer Patientin mit Adipositas vor der Frage, ob sie das Übergewicht geflissentlich ignorieren sollen oder nicht. Die Antwort lautet: Auf keinen Fall. Auch wenn das nicht so da steht, stattdessen heißt es beim Punkt „Präkonzeptionelle Lebensstilintervention“ evidenzbasierte Empfehlung 2.E1, Evidenzgrad 1+, Empfehlungsgrad B, Konsensusstärke +++: Adipöse Frauen mit Kinderwunsch sollten zu einer präkonzeptionellen Lebensstilintervention motiviert werden.
Im Klartext heißt das: Wir sollten diesen Frauen die Chance geben, unter unserer ärztlichen Aufsicht – oder der anderer geeigneter Gesundheitsberufe – Kilos zu verlieren, zur Vermeidung perinataler Komplikationen. Angesichts der potenziellen Risiken bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 kann es uns nicht um die Vermeidung von Betroffenheitsgefühlen gehen. Denn spätestens bei der Schwangerenvorsorge kommen wir sowieso nicht umhin, die Patientin mit ihrem Problem zu konfrontieren.
Die Leitlinie widmet sich ausgiebig dem Thema Präeklampsie: Die Adipositas stellt einen bedeutenden Risikofaktor für Präeklampsie dar, ein BMI > 30 kg/m2 bedingt eine Risikoerhöhung um den Faktor 3–5. In einer retrospektiven Untersuchung an 1 687 Schwangeren zeigten adipöse Schwangere ein 7%iges Risiko einer Präeklampsie, bei gleichzeitig bestehender Hypertonie ergab sich ein Risiko von 19 %. Die Wahrscheinlichkeit einer fetalen Wachstumsretardierung lag bei 20 bzw. 27 %. Was dagegen hilft, ist Abnehmen vor der Schwangerschaft.
Lebensstilveränderungen in der Schwangerschaft
Im Vordergrund des Interesses steht zunächst die Gewichtszunahme während der Schwangerschaft, da das Ausgangsgewicht bei den Betroffenen ohnehin schon erhöht ist. Im Kapitel „Lebensstilintervention in der Schwangerschaft“ sagt die evidenzbasierte Empfehlung 4.E40 mit Evidenzgrad 1-, Empfehlungsgrad A und Konsensusstärke +++: Adipösen Schwangeren soll empfohlen werden, sich in der Schwangerschaft vermehrt und regelmäßig zu bewegen und die Ernährung nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung umzustellen. In der Praxis heißt das, dass die übergewichtige Schwangere spätestens ab der 20. Schwangerschaftswoche auf ein paar einfache Ernährungsprinzipien achten sollte:
Das wird möglicherweise nicht bei allen Patientinnen dauerhaft gelingen, trägt aber häufig zu einer Änderung des Bewusstseins bei. Motivierend ist es immer, wenn die Patientin versteht, wie entscheidend ihr eigenes Gewicht für die Prognose ihres Kindes ist. rm
1 Obesity and Pregnancy. Guideline of the German Society of Gynecology and Obstetrics (S3-Level, AWMF Registry No. 015/081, June 2019), http://www.awmf.org/leitlinien/de-tail/ll/015-081.html