Das Erkennen visueller Muster ist in der Dermatologie grundlegend für die Diagnosestellung, daher besitzt Künstliche Intelligenz hier ein großes Potenzial – insbesondere bei der Detektion von Hautkrebs oder der Quantifizierung chronischer Dermatosen. Erste Anwendungen werden bereits klinisch eingesetzt.
In den vergangenen Jahren haben Studien zur Anwendung Künstlicher Intelligenz (KI) in der Dermatologie für Aufsehen gesorgt. Anfang 2017 erreichte ein neuronales Netzwerk bei der Unterscheidung zwischen Keratinozytenkarzinomen und gutartigen seborrhoischen Keratosen sowie zwischen malignen Melanomen und gutartigen Nävi eine vergleichbare Sensitivität und Spezifität wie Dermatologen [1]. Zu ähnlichen Ergebnissen kam 2020 eine Studie zur Differenzialdiagnose der 26 häufigsten Hauterkrankungen in der Primärversorgung [2]. Grundlage der neuen Technologie sind die „Convolutional Neural Networks“ (CNN), die auf automatisierter Mustererkennung basieren und mit zunehmender Anzahl neuer Bilddaten dazulernen.
Bei der Erkennung von Hautkrebs, v. a. der Differenzierung von Muttermalen und Melanomen, hat die computergestützte Bildanalyse inzwischen klinische Relevanz erreicht. Auf Basis von Studienergebnissen, die für CNN eine höhere diagnostische Präzision als für die meisten dermatologischen Experten weltweit ergaben [3], wurde ein Bewertungsinstrument melanozytärer Läsionen für den klinischen Einsatz zugelassen.
Neben den standardisiert aufgenommenen dermatoskopischen Bildern können inzwischen aber auch klinische Bilder mittels CNN ausgewertet werden, z. B. bei der Risikobewertung von pigmentierten und nicht pigmentierten Hautläsionen, wobei die Ergebnisse stark von der Bildqualität abhängen. Auch in der dermatopathologischen Melanomdiagnostik können CNN eine wertvolle Hilfe darstellen.
Auch die Quantifizierung und Qualifizierung entzündlicher Dermatosen wie der Psoriasis durch computergestützte Entscheidungsfindung ist zum beliebten Forschungsthema geworden. So liefern KI-basierte Algorithmen reproduzierbare, standardisierte Bewertungen für PASI oder BSA, indem sie, ebenso gut wie geschulte Ärzte, den Anteil der psoriatischen Hautoberfläche sowie den Schweregrad von Erythem, Induration und Schuppung berechnen [4,5]. In einer chinesischen Studie erzielten CNN bei der Diagnosestellung der Psoriasis sogar überlegene Ergebnisse [6]. Auch im Bereich der Therapieplanung kommt die KI zum Einsatz: mithilfe des maschinellen Lernens konnte in einer Studie z. B. das langfristige Ansprechen auf die Biologika Tofacitinib und Etanercept vorhergesagt werden [7].
Bei der computergestützten Bilddiagnose von Ekzemerkrankungen besteht die Herausforderung neben der korrekten Unterscheidung zwischen gesunder und befallener Haut auch in der Differenzierung verschiedener Ekzemformen. Algorithmen hierfür benötigen eine große Datenmenge als Basis für den Lernprozess.
In der aktuellen Literatur finden sich vereinzelte Studien zur Erkennung von Ekzemfällen [8] oder zur Bestimmung potenzieller atopischer Patienten für Progression und Ansprechen auf eine Behandlung [9]. In Studien mit größerer klinischer Relevanz konnten Algorithmen verschiedene Formen von Ekzemen (z. B. seborrhoische Dermatitis, chronisches Ekzem) identifizieren [10] und waren in der Lage, zwischen ekzematösen und infektiösen Erkrankungen zu unterscheiden [11]. Allerdings ist die klinische Anwendbarkeit in der täglichen Praxis noch nicht gegeben.
Erste experimentelle Erfahrungen mit dem Einsatz von KI liegen auch für andere dermatologische Erkrankungen vor. Bei der Diagnose und Quantifizierung von Vitiligo, Acne vulgaris, Onychomykose und Allergien schnitt der Algorithmus ähnlich gut ab wie die Dermatologen.
Bisher wurden die meisten Studien von Informatikern und Ingenieuren geleitet, Dermatologen waren nur selten beteiligt. Dabei ist die Mehrheit der Dermatologen der KI gegenüber positiv eingestellt und befürwortet ihre Aufnahme in die medizinische Ausbildung. Nur wenige sind der Meinung, dass sie in absehbarer Zeit durch KI ersetzt werden – obwohl für die Kombination aus menschlicher und Künstlicher Intelligenz sogar die besten Studienergebnisse vorliegen, v. a. bei noch unerfahrenen Klinikern [12].
Dennoch sind die unter experimentellen Bedingungen gewonnenen Studienergebnisse nicht ohne Weiteres auf die Anwendung in der Praxis übertragbar, wo Aspekte wie Prozessintegration, technische Gegebenheiten oder fehlende Akzeptanz eine Rolle spielen.
1 Esteva A et al., Nature 2017; 542: 115–118
2 Liu Y et al., Nat Med 2020; 26: 900–908
3 Haenssle HA et al., Ann Oncol 2018; 29: 1836–1842
4 Fink C et al., Br J Dermatol 2019; 180: 390–396
5 Meienberger N et al., J Eur Acad Dermatol Venereol 2020; 34: 1362–1368
6 Zhao S et al., J Eur Acad Dermatol Venereol 2020; 34: 518–524
7 Tomalin LE et al., J Invest Dermatol 2020; 140: 1026–1034
8 De Guzman LC, 3rd International Conference on Artificial Intelligence, Modelling and Simulation (AIMS) 2015; 42–47
9 Gustafson E et al., IEEE Int Conf Healthc Inform 2017; 83–90
10 Bobrova M et al., Studies in health technology and informatics 2019; 261: 211–216
11 Han SS et al., J Invest Dermatol 2020; 140: 1753–1761
12 Hekler A et al., Eur J Cancer 2019; 120: 114–121