Impfskepsis bei Psoriatikern +++ Jeder zweite Europäer hautkrank +++ Urtikaria bei Kindern anders behandeln als bei Erwachsenen? +++ Künstliche Intelligenz für zuhause erkennt nicht alle Tumoren +++ Genetik bei Genitalwarzen +++ Blockade von IL-17A und IL-17F bei Plaque-Psoriasis: Schnelles und anhaltendes Therapieansprechen +++ Dosierung von Secukinumab bei Plaque-Psoriasis individuell anpassen
Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft hatte die Impfung gegen SARS-CoV-2 schon früh auch für Patienten mit immunmodulierenden Therapien empfohlen. Doch Patienten mit Psoriasis sind diesen auch in Europa breit ausgesprochenen Empfehlungen gegenüber skeptisch: Spanische Forscher analysierten 10 922 Beiträge in sozialen Medien zu Beginn des Jahres 2021 von Psoriasis-Patienten aus den USA, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland und Spanien. In den Postings waren Sicherheitsbedenken und eine befürchtete Verschlechterung der Grunderkrankung die wichtigsten Hemmnisse für eine Impfung.
Ein weiteres Fazit der Forscher: Die Patienten wussten wenig über Interaktionen zwischen dem Vakzin, ihrer Erkrankung und immunmodulierenden Medikamenten. Hier könnten gemeinsame Aufklärungsmaßnahmen ansetzen, so der Wunsch des Teams an die EADV.
González-Cantero A et al., Understanding real-world experiences and the impact of COVID-19 vaccination on the associated use of biologics in patients with psoriasis and psoriatic arthritis through social media monitoring. Abstract #181
Wie viele Menschen in Europa leiden eigentlich an Hautproblemen? Es gibt nur wenige solide Daten zur Prävalenz von Hautkrankheiten und ihren Auswirkungen auf die Lebensqualität, inklusive Stigmatisierung. Zum Jubiläumskongress gab die EADV eine Umfrage in Europa und angrenzenden Ländern (Norwegen, Schweiz, Vereinigtes Königreich) in Auftrag.
Bei 44 689 Erwachsenen aus 27 NEUKS-Ländern berichtete fast die Hälfte (47,9 %) der erwachsenen Allgemeinbevölkerung von Hautproblemen oder einer dermatologischen Erkrankung in den letzten 12 Monaten. Im Schnitt waren es zwei Hautkrankheiten, am häufigsten wurden Pilzinfektionen (9,07 %), Akne (5,49 %), atopische Dermatitis bzw. Ekzeme mit (5,34 %) und Alopezie (5,22 %) genannt. 20 % der Befragten beschrieben zudem unangenehme Symptome wie Spannungsgefühl und Juckreiz. Ziel des Projekts „The Burden of Skin Disease in Europe“ ist auch, die Auswirkungen von Hautkrankheiten auf die Patienten, die öffentliche Wahrnehmung und die Versorgungspraxis besser zu verstehen.
Pressemeldung EADV Press Office
Nicht nur die akute Form, sondern auch die chronische spontane Urtikaria (CSU) ist bei Kindern ein häufiges Problem und kann bei ihnen anders aussehen als bei Erwachsenen – so die Ergebnisse einer retrospektiven Analyse der Koç Universitätsklinik in Istanbul: Beim Vergleich der Krankengeschichten von 755 CSU-Patienten (171 Kinder, 580 Erwachsene) zeigten Kinder eine kürzere Krankheitsdauer (10,0 ± 18,2 Tage), dazu eine geringere Rate an Angioödemen (21,8 % vs. 59,8 %; p < 0,001) und Schilddrüsen-Autoimmunität (8,9 % vs. 25,4 %; p < 0,001) als die Erwachsenen.
Die Analyse zeigte auch, dass Kinder auf Antihistaminika besser ansprachen als Erwachsene. Wenn diese Substanzen nicht wirkten, wurde in der Kinder-Gruppe vor allem der Antikörper Anti-TPO nachgewiesen, ein Angioödem (p = 0,01) oder eine Eosinopenie. Bei den Erwachsenen war das Nicht-Ansprechen nur mit Eosinopenie assoziiert.
Kocaturk E et al., The Differences Between Childhood and Adult Chronic Spontaneous Urticaria: Shall We Manage Them Differently? Abstract #1329
Bei der Diagnostik von Hauttumoren hat sich die Unterstützung durch Künstliche Intelligenz (KI) in der dermatologischen Praxis in den letzten Jahren immer mehr bewährt. Eine Studie aus London zeigte jedoch, dass der Einsatz solcher selbstlernenden Geräte im Hausgebrauch noch zu große Unsicherheiten birgt: Zwei derartige Systeme wurden für die Analyse von 116 Bildern harmloser Hauveränderungen wie seborrhoischer Keratosen oder Hämangiome sowie seltene Hauttumoren eingesetzt.
Im ersten System wurden 17,9 % der Merkelzellkarzinome und 22,9 % der amelanotischen Melanome als Veränderungen mit geringem Risiko eingeschätzt. 62,2 % der gutartigen Läsionen wurden als Hochrisiko-Läsionen bewertet (Sensitivität 79 %, Spezifität 37,7 %). Das zweite System erkannte die Merkelzellkarzinome gar nicht in seinen Top-Diagnosen – die KI war wohl noch nicht für diesen Befund trainiert worden. Falsch-positive Diagnosen führen nur zu unnötigen Hautarztbesuchen. Mit falsch-negativen Befunden werden jedoch wachsende Tumoren übersehen, sodass die Forscher die Systeme aktuell nicht empfehlen würden. Bei allen KI-Systemen scheint das Training der Systeme mit einer Vielzahl von Bildern entscheidend.
Steele L et al., Do AI Models recognise rare, aggressive skin cancers? An assessment of a direct-to-consumer app in the diagnosis of Merkel Cell Carcinoma and amelanotic carcinoma, Abstract #1935
Ob Menschen Genitalwarzen bekommen, hängt mit ihrem HLA-System (human leukocyte antigen) zusammen – jenem Teil des Immunsystems, der bei der Regulierung der Immunantwort eine wichtige Rolle spielt. Condylomata acuminata bilden sich bei Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV): Mehr als 80 % der sexuell aktiven Bevölkerung bekommt bis zum Alter von 45 Jahren mindestens eine HPV-Infektion, die meist subklinisch verläuft. Bei der Analyse von HLA-Genen fanden dänische Forscher 12 protektive Gen-Variationen (Odds Ratios [OR] 0,4–0,8) und 7 Risikoallele (OR 1,1–1,3) in einer Patientenkohorte von 65 791 Blutspendern.
Sie wollen noch weiter untersuchen, ob diese protektiven HLA-Typen spezifische HPV-Proteine erkennen können. Diese Beobachtung stellt die Basis für eine mögliche Impfstoffentwicklung mit einem mRNA-Impfstoff gegen Genitalwarzen-auslösende HPV-Stämme dar.
Lindsø Andersen P et al., The Human Leukocyte Antigen System in Genital Warts. Abstract #2199
Bimekizumab bietet als neue Therapieoption, die selektiv die Interleukine IL-17A und IL-17F hemmt, noch mehr Patienten mit Plaque-Psoriasis die Chance auf das Erreichen eines PASI 100 – bei lang andauernder Wirksamkeit und ohne Abstriche bei der Verträglichkeit.
Präsentiert wurde ein Studiendaten-Update zum Langzeitansprechen und Sicherheitsprofil von Bimekizumab. Erst im August war der Inhibitor von IL-17A und IL-17F für die Therapie von Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis zugelassen worden. Im Studienprogramm hatte Bimekizumab seine Wirksamkeit im Vergleich zu Placebo sowie zu den aktiven Vergleichssubstanzen Adalimumab, Ustekinumab und Secukinumab unter Beweis gestellt. Mehr Patienten als in den Vergleichsgruppen konnten unter Bimekizumab eine Verbesserung des Psoriasis-Scores um 100 % (PASI 100) erreichen. Die schnelle und lang anhaltende Wirksamkeit bietet vielen Menschen, die mit Psoriasis leben, die Chance auf eine Erscheinungsfreiheit ihrer Haut.
Der alleinigen IL-17A-Inhibition überlegen
Mit der Hemmung von IL-17A und IL-17F könne man bei Patienten mit Psoriasis die von Keratinozyten sezernierten Zytokine deutlicher verringern als bei einer alleinigen Hemmung von IL-17A, beschrieb Richard Warren (Manchester, UK) den pathophysiologischen Wirkansatz. In den klinischen Studien zeigte sich dieser deutlich überlegen: Prof. Diamant Thaçi von der Universität Lübeck hob beim Überblick zu den Studiendaten Geschwindigkeit und Dauer des Ansprechens hervor. Eine Verbesserung durch Bimekizumab war bereits nach einer einzigen Dosis in Woche 4 sichtbar. Das in Woche 16 erzielte klinische Ansprechen konnte in allen Studien aufrechterhalten werden.
Nach 16 Wochen erreichten mit Bimekizumab 61,7% der Anwender einen PASI 100.
Im direkten Vergleich mit Secukinumab war Bimekizumab dem reinen IL-17A-Inhibitor überlegen. Nach 16 Wochen erreichten 61,7 % der Bimekizumab-Anwender einen PASI 100, mit Secukinumab waren es nur 48,9 %. Insgesamt konnte durch die zusätzliche Inhibition von IL-17F im Vergleich zur IL-17A-Hemmung alleine bei der Mehrheit der Teilnehmer eine vollständig erscheinungsfreie Haut erreicht werden.
Auch im weiteren Verlauf zeigte sich eine anhaltende Wirksamkeit von Bimekizumab über einen Zeitraum von zwei Jahren. Selbst bei Patienten, die innerhalb der Studien nach der Therapie mit Adalimumab oder Ustekinumab auf Bimekizumab gewechselt hatten, wurden eine Verbesserung der PASI-Werte und eine lang andauernde Wirksamkeit beobachtet.
Das Verträglichkeitsprofil von Bimekizumab ist vergleichbar mit dem der anderen Vertreter innerhalb der IL-17-Klasse, beschrieb Thaçi. Auch ein Update der Sicherheitsdaten zeigte in den noch laufenden Studien bislang diesbezüglich keine weiteren neuen Signale.
Virtuelles Symposium „Awards Night! New Advances in Treating Psoriasis“ (Veranstalter: UCB)
Aktuelle Studiendaten dokumentieren, dass der Interleukin-17A-Inhibitor Secukinumab sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen patientenindividuell eingesetzt werden kann. Ein besonderes Augenmerk wurde auf eine gewichtsadaptierte Dosisanpassung gelegt.
„Um Psoriasis-Patienten möglichst wirksam therapieren zu können, sind individuelle Behandlungsmöglichkeiten, angepasste Dosierungen sowie eine einfache Handhabung der Therapie für Betroffene von großer Bedeutung“, fasste PD Dr. Sascha Gerdes vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel das Daten-Update zusammen. „Eine Möglichkeit, um die Behandlung für Patienten zu erleichtern, ist z. B. die Verabreichung der erforderlichen Dosierung mit nur einer Injektion.“
Basis hierfür ist die MATURE-Studie, in der die Wirksamkeit des IL-17A-Inhibitors Secukinumab verglichen mit Placebo über 52 Wochen gezeigt wurde. Die Betroffenen waren mit der Applikation über einen 300-mg-Fertigpen (Autoinjektor) so zufrieden wie mit der ebenfalls eingesetzten Fertigspritze.
Sichere Therapie für Kinder ab 6 Jahren
Die Sicherheit einer systemischen Therapie ist für den Einsatz bei Kindern besonders wichtig: Hier zeigte Secukinumab ein günstiges Sicherheitsprofil, wie die gepoolten Daten der beiden Phase-III-Studien A2310 und A2311 belegen. Generell war das Sicherheitsprofil bei pädiatrischen Secukinumab-Patienten vergleichbar mit dem der Placebogruppe bzw. dem von erwachsenen Patienten. Bei Kindern und Jugendlichen mit sowohl mittelschwerer als auch schwerer Psoriasis zeigte Secukinumab eine gute Wirksamkeit. Das Biologikum ist in der pädiatrischen Indikation als Firstline-Therapieoption ab 6 Jahren zugelassen.
In einer Registerstudie konnte gezeigt werden, dass sich Secukinumab auch im Versorgungsalltag bewährt hat: Daten des PURE-Registers mit Patienten aus Kanada und Lateinamerika belegen für den Einsatz des IL-17A-Inhibitors eine deutliche Verbesserung der Hautsymptome sowie der Lebensqualität über einen Zeitraum von 36 Monaten.
Gewichtsadaptierte Dosierung
Ein wichtiger Schritt, um das Potenzial eines Wirkstoffes bei einem Patienten auszureizen, sei auch die patientenindividuelle Dosierung, erläuterte Gerdes. Die Ergebnisse der Studie A2324 zeigen, dass übergewichtige Patienten teilweise eine höhere Dosierung der Medikation brauchen, um die auch in anderen klinischen Studien beobachteten Werte des PASI-90-Ansprechens zu erreichen.
Übergewichtige Menschen können von einer Dosiserhöhung profitieren.
Bei adipösen Patienten (ab 90 kg) wurden zwei Dosisregime untersucht: neben dem zugelassenen vierwöchigen Intervall auch das experimentelle zweiwöchige Dosierungsintervall. Die übergewichtigen Patienten profitierten deutlich und zeigten im zweiten Halbjahr nicht nur ein höheres Ansprechen unter der Aufdosierung, sondern auch eine bessere Lebensqualität.
Virtuelles Post-EADV-Pressegespräch: „Plaque-Psoriasis: patientenindividuelle Behandlung durch Interleukin-17A-Inhibition“ (Veranstalter: Novartis)