Epigenetik
Wie lässt sich die Lebensspanne verlängern? „Dietary restriction“ ist eine Option, die das Risiko für altersbedingte Erkrankungen verringert. Hierbei spielt das Insulin/TOR-Netzwerk eine Rolle. Beginnen sollte man damit nicht zu spät.
Die Erforschung der molekularen Mechanismen des Alterns und der Langlebigkeit habe das Ziel, die Gesundheit im Alter zu verbessern, erklärte Dr. Sebastian Grönke (Köln). Die Organismen, die dabei helfen, sind Fadenwürmer, Fliegen, Fische und Mäuse. Da die molekularen Signalwege in allen Organismen evolutionär konserviert sind, sind Analogien zum Menschen möglich. Fakt beim Menschen ist, dass mit steigender Lebenserwartung mehr altersbedingte Erkrankungen sichtbar werden. So ist das Alter selbst ein Risikofaktor für Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Wann beginnt das Altern? Es beginnt, wenn die Körperfunktionen mit der Zeit abnehmen und sich Schäden akkumulieren, die zu einem Funktionsverlust führen. Von außerhalb wirken UV-Strahlung und Nikotin, intern sind es freie Radikale, die die Biomoleküle schädigen. Wenn die Reparaturmechanismen nicht mehr greifen, kommt es zu Zelldefekten und Organschäden. Können hier Medikamente eingreifen? Wie eine Phase-II-Studie zeigte, verbesserte das Immunsuppressivum Rapamycin/Sirolimus in niedriger Dosierung die Antwort nach einer Influenzaimpfung bei alten Menschen. Im Fokus der Forschung stehen jedoch zwei Stoffwechselwege: Der Insulin/Insulin-Wachstumsfaktor(IGF)- und der Target-of-Rapamycin(TOR)-Weg, die ein zentrales Nährstoffsensornetzwerk in der Zelle bilden. Dieses wird mit den positiven Effekten einer reduzierten Nahrungsaufnahme in Verbindung gebracht. Interessanterweise verlängert eine genetische oder pharmakologische Hemmung des Insulin/TOR-Netzwerks die Lebensspanne bei einer Anzahl von Tieren. Bekannt ist auch, dass eine Mutation im Gen, das für den Insulin/IGF-1-Rezeptor kodiert, zu einer Lebenszeitverlängerung bei Menschen führt. Nahmen Mäuse 40 % weniger Kalorien auf, verbesserte das die Gesundheit im Alter. Auch beim Menschen verbesserte eine „dietary restriction“ die Gesundheit, das zeigte sich bei 220 Personen im Alter von 21 bis 51 Jahren. Nachdem sie zwei Jahre lang mit 25 % weniger Nahrung ausgekommen waren und 7,5 kg an Gewicht verloren hatten, verringerten sich die Risikofaktoren für Erkrankungen von Herz und Stoffwechsel. Gleichzeitig stiegen Wohlbefinden und Stimmung, der Sexualtrieb und die Schlafqualität. Keinen positiven Effekt auf die Sterberate zeigte die „dietary restriction“ bei alten Mäusen, die Beschränkung war nur bis zum mittleren Alter wirksam. Übertragen auf den Menschen bedeutet das: So früh wie möglich beginnen und bis zum Ende durchhalten. Vermutlich ist eine Nahrungsbeschränkung wirksam, wenn man damit vor dem 50. Lebensjahr beginnt. dcr
Keynote Lecture „Drehen an der Lebensuhr – Epigenetik des Alterns“
HPV-Prävention
Welche Empfehlungen sind für Dermatologen relevant? In der proktologischen Dermatologie sind das Screening-Untersuchungen. Für operativ Tätige ist die Exzision Therapie der Wahl. Generell wird zu präventiven HPV-Impfungen geraten.
Das Analkarzinom sei eigentlich ein seltener maligner Tumor, berichtete Dr. med. Ricardo Werner (Berlin), dessen Inzidenz jedoch in den vergangenen 20 Jahren um 2–3 % pro Jahr anstieg. Ein erhöhtes Risiko besteht bei gynäkologischen HPV-assoziierten Karzinomen sowie für HIV-negative Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben. Weitere Risikogruppen sind HIV-positive Personen, HIV-positive MSM (82–89 Fälle pro 100 000 Personen pro Jahr) sowie HIV-positive heterosexuelle Männer (30–35/100 000/Jahr) und HIV-positive Frauen (19–24/100 000/Jahr). Außerdem immunsupprimierte Patienten, beispielsweise nach Organtransplantationen. Je nach Tätigkeitsfeld sind bestimmte Leitlinien-Empfehlungen besonders wichtig: 1. Für die proktologische Dermatologie der Screening-Algorithmus, mit dem HIV-positive Personen einmal jährlich getestet werden; andere Personen mit einem erhöhten Risiko mindestens alle drei Jahre. Dazu gehören Frauen mit HPV-bedingten genitalen Dysplasien oder Karzinomen (Vulva, Vagina, Zervix), MSM mit rezeptivem Analverkehr mit häufig wechselnden Partnern sowie erheblich immunkompromittierte Patienten. 2. Für operativ tätige Dermatologen wird eine Exzision empfohlen. Das gilt für ein Analrandkarzinom im Stadium I (Durchmesser bis 2 cm, keine Lymphknotenbeteiligung, keine Fernmetastasen), hier ist die operative Entfernung die Behandlung der Wahl. Das gilt ebenso für die Radiochemotherapie beim Analkarzinom Stadium I, alternativ die operative Entfernung oder, bei älteren oder vorerkrankten Patienten, die alleinige Bestrahlung. Bei einem Analkanal- oder Analrandkarzinom im Stadium II–III wird eine Radiochemotherapie empfohlen, alternativ die operative Entfernung, allerdings nur bei Analrandkarzinom im Stadium IIA. Dazu die konsensbasierte Empfehlung, bereits zum Zeitpunkt der Diagnosesicherung eine therapeutische R0-Exzision anzustreben. 3. Allen Dermatologen wird eine Prävention mit Hinweis auf die Impfempfehlung der STIKO und der S3-Leitlinie „Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien“ angeraten. Das betrifft alle Kinder im Alter von 9–14 Jahren, die möglichst frühzeitig gegen HPV geimpft werden sollten. Möglichst frühzeitig sollten auch HPV- impfnaive Jugendliche von 15–17 Jahren geimpft werden. Schließlich sollten auch impfnaive Erwachsene im Alter von 18–26 Jahren gegen HPV geimpft werden. Eine solche Impfung verhindert Analkarzinome, die in über 90 % HPV-induziert sind. dcr
Vortrag „S3-Leitlinie Analkarzinom – Die neuen Empfehlungen mit Relevanz für die Dermatologie“
Persistierende Ekzeme
Welche Regeln gelten beim Off-Label-Use für die Behandlung entzündlicher Dermatosen? In der dermatologischen Praxis und Klinik befindet man sich im Spannungsfeld zwischen Möglichkeit und Erstattungsfähigkeit. Experten gaben dazu einen Überblick.
Entzündliche Dermatosen ekzematöser, papulös-lichenoider oder erythematosquamöser Art erfordern Therapieentscheidungen, sagte Dr. med. Ralph von Kiedrowski (Selters), denn es bestehe die Verpflichtung zum Off-Label-Use, wenn eine leitliniengerechte Behandlung möglich sei. Darauf gehen die S3-Leitlinien explizit ein, z. B. bei topischen Calcineurin-Inhibitoren, sowie in der Behandlung der atopischen Dermatitis und der Psoriasis im Kindes- und Jugendalter. Zudem ist die Off-Label-Anwendung anerkannt bei persistierenden, schwer ausgeprägten Ekzemen mit einem SCORAD über 50. Die Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers ist dabei gemäß AMG § 84 gegeben; der Arzt ist durch die Arzthaftpflicht abgesichert. Verordnungsfähig in der Dermatologie sind laut Arzneimittel-Richtlinien (AM-RL) Dinatriumcromoglycat bei systemischer Mastozytose, intravenöse Immunglobuline bei Dermatomyositis sowie Doxycyclin bei bullösem Pemphigoid. Auch die besondere Versorgung ist geregelt. Ein Patient kann infolge einer wesentlichen Dosisanpassung aufgenommen werden, beispielsweise bei Psoriasis. Wie wird entschieden? Bei anerkannter Behandlung gemäß Leitlinien oder Studien und anerkanntem Off-Label-Use (Anlage VI AM-RL) erfolgt die Verordnung nach Einwilligung. Aufgeklärt wird über Risiken und Nebenwirkungen (auch unbekannte), schwerstmögliche Verläufe, fehlende Zulassung/Herstellerhaftung, besonders aber über die Vorteile gegenüber zugelassenen Medikamenten oder einer Nichtbehandlung. Bei nicht anerkanntem Off-Label-Use sollte die Erkrankung schwerwiegend sein und ein Behandlungserfolg in Aussicht stehen. Wenn das der Fall ist, wird der Antrag (GKV/PKV) gestellt und der Patient aufgeklärt. In jedem Fall wichtig ist die ausführliche Dokumentation. Die gleichen Regeln gälten auch an der Hochschulambulanz, geprüft werde jedoch weniger, erklärte Prof. Dr. med. Alexander Nast (Berlin). Dennoch würden stationäre Aufenthalte zur Durchführung einer Off-Label-Therapie gestrichen. Das Zusatzentgelt wird bei Erfüllung der Off-Label-Kriterien bezahlt (Infliximab bei Pyoderma gangraenosum) bzw. bei kurzzeitigem Einsatz oder akuter Bedrohung (Infliximab bei Autoimmuncolitis bei Immuntherapie). Zum Schutz vor einem Regress kann ein Off-Label-Antrag gestellt werden. Für die Dermatologie relevante, erstattungsfähige Arzneimittel finden sich in der Ausnahmeliste des Gemeinsamen Bundesausschusses. Wie gut funktioniert das in der Realität? Wie eine Versorgungsforschungsstudie mit 122 Datensätzen aus 13 Unikliniken zeigte, betrug der Zeitaufwand pro Antrag durchschnittlich 57,2 Minuten. Der Zeitverlust durch das Procedere summierte sich für den Arzt auf 14,5 Tage, für den Kostenträger auf 33,9 Tage. Der Patient musste 72,3 Tage bis zur Therapieeinleitung warten. Von 103 Anträgen wurden 74 bewilligt und 18 abgelehnt. Die restlichen Anträge enthielten Formfehler oder waren unvollständig. dcr
Veranstaltung „Spannungsfeld: Off-Label-Therapie bei entzündlichen Dermatosen: Grenzen und Möglichkeiten“
Stevens-Johnson-Syndrom / toxisch epidermale Nekrolyse und bullöse fixe Arzneimittelreaktion
Hochverdächtig beim Stevens-Johnson-Syndrom und bei der toxisch epidermalen Nekrolyse ist Allopurinol, das zeigten Registerstudien über 15 Jahre. Auf eine Kausalität deutet die Latenzzeit hin. Dagegen ist die sehr kurze Latenzzeit für die bullöse fixe Arzneimittelreaktion bezeichnend.
Kennzeichnend für das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und die toxisch epidermale Nekrolyse (TEN) sind Nekrose und Ablösung der Epidermis sowie hämorrhagische Erosionen, eine hohe Letalität und langwierige Folgeschäden. Eingeteilt wird konsens gemäß anhand der abgelösten Hautoberfläche: Unter 10 % liegt ein SJS vor, über 30 % eine TNS. Systematisch überwacht wurde die schwere Hautreaktion im Zuge der Fall-Kontroll-Studie EUROSCAR von 1997 bis 2002, berichtete Prof. Dr. med. Maren Paulmann (Freiburg). Hochverdächtige Auslöser waren unter anderem Allopurinol, Carbamazepin, Sulfamethoxazol und Phenytoin. In der Registerstudie REGISCAR aus den Jahren 2003–2012 war Allopurinol der häufigste Auslöser schwerer Hautreaktionen, während sich bei Lamotrigin eine Steigerung über die Zeit zeigte.
Kausalität gemäß Latenz
Bemerkenswert in der EUROSCAR-Studie war eine zeitliche Latenz von 4 bis 28 Tagen zwischen Einnahmebeginn und dem Auftreten von SJS/TEN, die den Verdacht auf Kausalität stützte. So hatten 65 % der Patienten im relevanten Zeitraum einen hochverdächtigen oder verdächtigen Auslöser eingenommen. Hilfreich bei der Kausalitätsbewertung ist zudem der ALDEN-Score. Achten sollte man auch auf Antibiotika oder Antipyretika, die zur Behandlung einer Infektion gegeben wurden, oder auf Analgetika gegen die Prodromalsymptome von SJS/TEN. Nach den Erfahrungen der deutschen REGISCAR-Kohorte gehen ca. 10 % der SJS/TEN von neuen oder eher selten auslösenden Arzneimitteln aus. Ursächlich für die restlichen 25 % werden Infektionen, Autoimmunerkrankungen oder eine Multimedikation mit unbekannten Effekten auf den Arzneimittel-Metabolismus angesehen. Im Gegensatz zu SJS/TEN sind bei der generalisierten bullösen fixen Arzneimittelreaktion (BFDE) kreisförmige Plaques mit livider Färbung typisch, die Schleimhaut ist kaum beteiligt, Hautablösung und Krankheitsgefühl sind weniger stark. In den vergangenen Jahren war zunehmend Metamizol der Auslöser, gefolgt von Cotrimoxazol. Nicht generalisierte Formen an den Schleimhäuten wurden von Carbamazepin ausgelöst. Auffallend bei BFDE ist eine kurze, zeitliche Latenz von unter einer Stunde bis zu einigen Tagen. Die Kausalität wird durch Epikutantestung am Rücken bewertet. Generell ist für die Ätiologie von SJS/TEN eine exakte Medikamentenanamnese unerlässlich. Kenntnisse von Risikofaktoren, zeitlichen Verläufen, vorherigen Ereignissen und Begleitmedikation helfen, den Auslöser zu identifizieren. Durch Ausschlussverfahren kann meist ein eindeutiger Allergiepass erstellt werden. Diesen benötigen auch Patienten mit Infekt-induziertem SJS/TEN. dcr
Veranstaltung 30 Jahre dZh in Freiburg zum Thema „Blasenbildende schwere Hautreaktionen, Risikofaktoren und Kausalität im Einzelfall: Gibt es immer einen eindeutigen Allergiepass?“
Akne, Rosazea und Non Melanoma Skin Cancer
Dr. rer. nat. Christine Reinecke
Bei Akne mit Stammbeteiligung bewirkt Trifaroten eine deutliche Abnahme der Läsionen, dazu kommt eine gute Adhärenz. Die Behandlung der aktinischen Keratose kann durch künstliches Tageslicht ergänzt werden. Einer Verschlimmerung der Rosazea-Symptome wirkt Ivermectin entgegen.
Trifaroten, das Retinoid der vierten Generation, ist zur Behandlung der Akne mit Stammbeteiligung geeignet, so Univ.-Prof. Dr. med. Ulrike Blume-Petytavi (Berlin) anlässlich der 51. virtuellen DDG-Tagung. Reine Stammakne sei eher selten, sondern korreliere meist mit der Gesichtsakne. Entsprechend weist etwa die Hälfte der Aknepatienten Läsionen im Brust- und Rückenbereich auf. Die Herausforderung besteht darin, dass eine Stammbeteiligung vom Patienten meist nicht angesprochen wird und aufgrund der Hautdicke schwer zu behandeln ist. Zudem ist die klinische Datenlage limitiert und die Leitlinien beziehen sich explizit auf Gesichtsakne. Tatsächlich spricht das Gesicht besser auf eine systemische Therapie plus Benzylperoxid sowie auf systemisches Isotretinoin an. Anders beim Körperstamm, hier ist die Rezidivrate bei der Anwendung von systemischem Isotretinoin höher. Trifaroten bindet gezielt an den Retinsäure-Rezeptor-Gamma in den Keratinozyten, die 90 % dieses Rezeptortyps in der Haut enthalten, und beeinflusst die Zelldifferenzierung und die Entzündung. Trifaroten ist sicher, es akkumuliert nicht und zeigt eine sehr geringe systemische Exposition. Bei Patienten von 9 bis 17 sowie über 18 Jahren wurden keine zirkulierenden Metaboliten beobachtet. Wie die Ergebnisse der PERFECT-1- und -2-Studie zeigten, nahmen die entzündlichen Läsionen nach 12 Wochen Therapie (50 μg/g) im Gesicht um 66 % ab und am Stamm um 65 %. Die Adhärenz war hoch, fast zwei Drittel der Teilnehmer waren jünger als 18 Jahre [1]. Die Nebenwirkungen lagen unter der Stufe der milden Reaktion, v. a. bei der Initialtherapie. Langzeitdaten über 52 Wochen sind vorhanden. Cave: Wie bei jedem Retinoid ist auch hier eine Kontrazeption essenziell.
MAL-PDT in jedem Licht
Durch zunehmende Outdoor-Aktivitäten, Fernreisen und nicht zuletzt den demografischen Wandel steige die Prävalenz für Hauttumoren, berichtete Dr. med. Wolfgang Philipp-Dormston (Köln). Etwa 11,5 % der 60- bis 70-Jährigen sind von einer aktinischen Keratose (AK) betroffen. Daraus kann sich bei chronischer UV-Exposition ein Plattenepithelkarzinom entwickeln. So bestehe unabhängig vom Grad der Keratose eine „need to treat“. Die S3-Leitlinien zu AK und Plattenepithelkarzinom (PEK) empfehlen hier eine Tageslicht-PDT für nicht pigmentierte, einzelne oder multiple AK (Grad I–II nach Olsen) sowie bei Feldkanzerisierung im Gesicht und am Kapillitium. Wie eine klinische Prüfung zeigte, war die Tageslicht-PDT der klassischen PDT mit kaltem Rotlicht nicht unterlegen, sie wurde besser vertragen, war fast schmerzfrei und bequemer für die Patienten [2]. Eine wichtige Ergänzung dieser Therapie ist die Behandlung mit künstlichem Tageslicht (ADL-PDT). Die Vorteile: die Therapie ist wetterunabhängig und belastet nicht mit UV-Strahlung, sie zeigt eine höhere Reproduzierbarkeit und kann abgerechnet werden.
Rosazea: Dialog in der COVID-19-Pandemie
Die Krankheitsbelastung bei Rosazea sei ähnlich hoch wie bei Psoriasis mit Gesichtsbeteiligung, das zeige eine internationale Online-Befragung von Ärzten und Patienten im Zuge der BURDEN-Studie, berichtete Prof. Dr. med. Peter Arne Gerber (Düsseldorf). So unterschied sich der DLQI bei beiden Erkrankungen nicht signifikant. Auch mittelschwere bis schwere Depressionen waren prävalent, wie 73 % der Rosazeapatienten und 55 % der Psoriasispatienten berichteten. Während in der Arzteinschätzung die sichtbaren Symptome dominierten, war für die Patienten eher ein Stechen, Brennen oder Schmerzen belastend [3].
Das Behandlungsziel sollte daher eine objektive klinische Besserung bzw. eine Symptomverbesserung sein, die auch den Patienten zufriedenstellt. Ein aktuelles Problem sei das Maskentragen, so Gerber, denn dieses „köbnert“ eine Rosazea. Laut einer Online-Umfrage erleben 60 % eine Symptomverschlimmerung, vor allem Pickel, Pusteln und Rötung. 51 % haben die Maske benutzt, um ihre Rosazea zu verstecken und 44 % gehen nicht mehr aus, um keine Maske tragen zu müssen. Ein ebenso hoher Prozentsatz hat die Behandlung zum Teil eigenmächtig geändert. Die Empfehlung lautet deshalb, die Belastung beim Dermatologen abzuklären und eine effektive und schnelle Therapie einzuleiten. Diese sollte konsequent bis zur Erscheinungsfreiheit eingehalten werden. Dabei garantiert IGA 0 eine längere Rezidivfreiheit, die fünf Monate im Vergleich zu IGA 1 ausmacht. Laut des Global Rosazea Consensus, eines Phänotyp-gesteuerten Behandlungsalgorithmus, wird bei leichten, mittelschweren und schweren entzündlichen Papeln und Pusteln eine topische Behandlung mit Ivermectin Creme 1 % empfohlen. Damit erreichten die Patienten schneller und effektiver eine IGA 0 als mit Metronidazol 0,75 % Creme. Die Therapieadhärenz ist hoch, da die Creme nur 1 x täglich aufgetragen wird. Wie die ANSWER-Studie bei schwerer Rosazea zeigte, war die Kombination von Ivermectin 1 % Creme und 40 mg Doxycyclin mit modifizierter Wirkstofffreisetzung der topischen Ivermectin-Monotherapie deutlich überlegen. Eine vollständige Erscheinungsfreiheit erreichten 11,9 % bzw. 5,1 %. Die Kombitherapie war auch deutlich vorteilhafter bei der Abheilung entzündlicher Läsionen (48,2 % vs. 39,3 %, ab Woche 4 bis zum Studienende nach 12 Wochen) [4].
{ Fazit Trifaroten eignet sich sowohl für die Therapie von Stamm- als auch von Gesichtsakne, wie Studiendaten zeigen. Im Vergleich zur klassischen PDT mit kaltem Rotlicht ist die Tageslicht-PDT besser verträglich, ist fast schmerzfrei und bequemer für die Patienten. Ergänzend kann die Therapie mit ADL-PDT eingesetzt werden, die u. a. wetterunabhängig durchgeführt wird und eine höhere Reproduzierbarkeit aufweist. Die eingeschränkte Lebensqualität von Rosazeapatienten ist mit der der Psoriasispatienten vergleichbar. Wichtig ist bei der Therapiewahl, den Patienten miteinzubeziehen, um beidseits ein zufriedenstellendes Behandlungsziel zu erreichen. }
1 Tan J et al., J Am Acad Dermatol 2019; 80: 1691–1699
2 Rubel DM et al., Br J Dermatol 2014; 171: 1164–1171
3 Beyond the visible online report, BMJ Hosted Website (http://hosted.bmj.com/rosaceabeyondthevisible), last accessed: March 2021
4 Schaller M et al., J Am Acad Dermatol 2020; 82: 336–343
Industriesymposium „Neue Highlights in der Therapie von Akne, Rosacea und NMSC“ (Veranstalter: Galderma Laboratorium GmbH)
Dimethylfumarat
Daten mehrerer nicht interventioneller Studien wurden auf der DDG präsentiert. Sie zeigen eine hohe Effektivität der konventionellen Systemtherapie mit DMF bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis, die ein Jahr lang behandelt werden, sowie eine starke Wirksamkeit auch bei Sonderlokalisationen der Psoriasis.
Während Patienten mit leichter Psoriasis in der Regel vor allem topische Therapien benötigen, ist bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis zusätzlich eine Systemtherapie angezeigt. Diese soll Patienten mit ausgedehnten, dicken, geröteten, stark schuppenden oder juckenden Läsionen helfen, eine rasche und nachhaltige Besserung zu erreichen. Bei einem von Almirall unterstützten Symposium stellte Prof. Dr. med. Sascha Gerdes (Kiel) zwei nicht interventionelle Studien (NIS) vor, an denen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis unter Systemtherapie mit Dimethylfumarat (DMF) teilnehmen. So umfasst die aktuelle Interimsanalyse der SKILL-Studie die Daten von bisher 676 Patienten. Von diesen wiesen 37 % einen vollständigen Datensatz bis Woche 52 auf. 19 % hatten noch unvollständige Daten und 44 % hatten die Behandlung vor Ablauf des ersten Jahres beendet. Gerdes berichtete: „Die Patienten, die in Woche 52 noch immer unter DMF-Therapie standen, profitierten deutlich von der Behandlung.“ So hatten 69,3 % dieses Kollektivs einen absoluten PASI < 5 erreicht und 55,6 % einen PASI < 3 (Analyse nach LOCF-Methode). Bei Betrachtung nur der beobachteten Fälle waren es sogar 85,3 % bzw. 69,8 % (Analyse „as observed“). Auch der Befund am Kapillitium, an Handflächen und Fußsohlen sowie an den Nägeln besserte sich bei den Patienten, die bei Studieneinschluss solche Manifestationen hatten. So waren bei fast jedem zweiten Patienten mit Nagelbefall schon in Woche 24 die Nägel abgeheilt; weitere 25 % hatten nur noch leichte Nagelsymptome [1]. In die UP-SKIL-Studie wurden nur mit DMF behandelte Patienten eingeschlossen, die Upgrade-Kriterien aufwiesen – meist sichtbare oder therapieresistente Läsionen und/oder einen Kopfhautbefall. Gerdes stellte den Verlauf nach 24 Wochen vor: Sowohl der durchschnittliche PASI der Patienten als auch der Anteil der betroffenen Körperoberfläche (laut BSA) und die ärztliche Bewertung der Erkrankung (laut PGA) hatten sich deutlich verbessert. Dies galt auch und gerade für die sichtbaren Läsionen und für die Kopfhaut. Bei mehr als der Hälfte der Patienten war die Lebensqualität durch die Psoriasis nur noch wenig beeinträchtigt (DLQI ≤ 5), bei jedem fünften war sie praktisch gar nicht mehr beeinflusst (DLQI 0/1). Die Verträglichkeit von DMF entsprach den Beobachtungen in den Studien, so Gerdes. sr
1 Gerdes S et al., DDG-Jahrestagung, 14.–17. April 2021, Poster # 033
Industriesymposium „Auf und unter der Haut – Relevantes für die Praxis jenseits der Antikörper“ (Veranstalter: Almirall Hermal GmbH)
Hautkrebs
Die Hautschäden durch UV-Strahlung werden schon in der Jugend gesetzt, das gesamte Erwachsenenalter besteht ein Melanomrisiko abhängig von der Zahl der Sonnenbrände. Im Alter steigt durch die kumulativen UV-Schäden plus Niedergang des Immunsystems das Risiko für hellen Hautkrebs.
Dass mit Sonnenbädern das Hautkrebsrisiko steigt, ist bekannt. Dies beginnt bereits im Kindesalter. Laut Dr. med. Claas Ulrich (Berlin) werden bereits vor dem 18. Lebensjahr 80 % der Sonnenschäden gesetzt.
Weniger Hautkrebs durch Sonnenschutz
Ulrich zitierte u. a. zwei Langzeitstudien aus Nambour, dem sonnenreichsten Ort in Queensland (Australien). Hier wurden jeweils zwei Gruppen gebildet: eine mit täglicher Sonnencreme-Anwendung an Händen, Nacken, Armen und Gesicht, die andere konnte ihren Sonnenschutz nach eigenem Gutdünken betreiben. Nach zehn Jahren konnte eine signifikant geringere Inzidenz von Melanomen in der Gruppe mit regelmäßiger Sonnencreme-Anwendung registriert werden. Bei der Studie zu den hellen Hautkrebsentitäten (Basaliom, Plattenepithelkarzinom) fand man bereits nach fünf Jahren in der Lichtschutzgruppe signifikant weniger Basalzell- und Plattenepithelkarzinome als in der Kontrollgruppe.
Heller Hautkrebs im Fokus
Die Formen des hellen Hautkrebses sind in den vergangenen Jahren in den Fokus gerückt. In Deutschland erkranken jedes Jahr schätzungsweise etwa 260 000 Menschen neu an nicht melanozytärem Hautkrebs (NMSC). Etwa 1,7 Millionen Menschen befinden sich hierzulande wegen der Präkanzerose aktinischer Keratose (AK) in Behandlung. Hauptursache der AK ist die langjährige kumulierte UV-Exposition. Entsprechend finden sich AK überwiegend bei Älteren, vor allem Männern. Für die AK-Entstehung spielt die Sonne gleich eine doppelte Rolle: UV-Licht setzt DNA-Schäden und wirkt zugleich immunsuppressiv. Im Alter kommt noch die physiologische Abschwächung des Immunsystems hinzu. Eine besondere Bedeutung in Sachen Abwehrsystem der Haut haben die Langerhans-Zellen – eine Untergruppe der dendritischen Zellen, die die Killerzellen des angeborenen Immunsystems dazu anregen, DNA-geschädigte Keratinozyten zu eliminieren. Wie Ulrich erläuterte, sinke unter dem Einfluss von UV-Strahlung das Vorkommen der Langerhans-Zellen in der Epidermis, und ihre Aktivität werde gedrosselt. Damit wird auch die Erkennung und Beseitigung geschädigter Keratinozyten vermindert, was zur AK und in der Folge zum Plattenepithelkarzinom führen kann.
Immunsystem stabilisieren
Zum Schutz vor sonnenbedingten Hautschäden sowie zur Prävention von aktinischer Keratose und weißem Hautkrebs ist ein hochwirksamer Sonnenschutz essenziell. Ein sehr hoher UV-A- und UV-B-Schutz (z. B. Lichtschutzfaktor [LSF] 100) mit einer Kombination aus UV-A-, UV-B- und Breitbandfiltern kann die UV-bedingte Zellschädigung der Keratinozyten reduzieren und dazu beitragen, das hauteigene Immunsystem aufrechtzuerhalten. arf
Industriesymposium „Eucerin: p53 & BK 5103 – Ist der Zusammenhang Immunsystem, Hautkrebs & Job SONNENklar?“ (Veranstalter: Beiersdorf AG)
Schuppenflechte
Mit dem neuen noch in der Zulassung befindlichen Antikörper gegen IL-17A/F könnte sich die Palette der Therapieoptionen bei Schuppenflechte bald erweitern. Die Phase-III-Studiendaten sind vielversprechend und auch im Head-to-Head-Vergleich überzeugt Bimekizumab.
Derzeit ist die Pathophysiologie der Psoriasis noch nicht vollständig aufgeklärt, aber man kommt ihr immer näher, sagte Prof. Dr. med. Kristian Reich (Hamburg). Ein immunologischer Schritt in der Entzündungskaskade ist die Produktion von Interleukin(IL)-23 durch die dentritischen Zellen. IL-23 regt seinerseits in den Th17-Zellen die Ausschüttung der IL-17-Familie (reicht von IL17A bis -F) an. Den verschiedenen Subtypen kommen im immunologischen Netzwerk unterschiedliche Aufgaben zu, wie der Dermatoimmunologe berichtete. IL-17A ist in gesunder Haut gar nicht vorhanden, wird aber bei Entzündung wie bei Schuppenflechte massiv hochreguliert, so Reich. IL-17F hat seine Aufgabe hauptsächlich bei der Abwehr von Hefepilzinfektionen, wirkt aber auch proinflammatorisch. Wünschenswert wäre für ein neues Antipsoriatikum also eine starke Hemmung von IL-17A und eine geringere des IL-17F, sodass die Entzündungsreaktion zwar gesenkt, die Pilzabwehr aber erhalten bleibt.
Kombination aus IL-17A und IL-17F wirkt
Das funktioniert auch bereits mit Bimekizumab, einem monoklonalen IgG1-Antikörper, wie Dr. med. Michael Sebastian (Mahlow) erläuterte. Die selektive Hemmung von IL-17F zusätzlich zu IL-17A unterdrückt Entzündungsprozesse in einem größeren Ausmaß als die alleinige Inhibition von IL-17A. In BE READY, der zulassungsrelevanten, randomisierten Phase-III-Studie wurde 435 Psoriasispatienten entweder Bimekizumab 320 mg alle vier Wochen oder Placebo subkutan injiziert. Das Ergebnis: über 90 % der Bimekizumab-Patienten erreichten einen PASI 90 und 68,2 % eine vollständige Haut-Clearance (alle p < 0,001). Und der Erfolg hielt an: in Woche 56 hatten 86,8 % immer noch einen PASI 90.
Erfolg auch im Head-to-Head-Vergleich
Sebastian berichtete auch über BE VIVID, einen direkten Vergleich mit dem bereits seit 2009 für Psoriasis zugelassenen Antikörper Ustekinumab, der gegen IL-12 und IL-23 gerichtet ist. Darin wurden 567 Patienten mit moderater bis schwerer Psoriasis 52 Wochen lang entweder mit Bimekizumab, Ustekinumab oder Placebo behandelt. Bei der Untersuchung nach 16 Wochen hatten 85 % der Patienten unter Bimekizumab eine 90%ige Verbesserung ihrer Erkrankung (PASI 90) erreicht – in der Ustekinumab-Gruppe waren es nur 50 %, und 5 % unter Placebo. Der Unterschied von 35 Prozentpunkten zwischen den ersten beiden Gruppen war hochsignifikant. Und auch hier hielt die Wirkung an: In Woche 52 blieb unter Bimekizumab die Haut-Clearance erhalten. PASI 100 wurde von 64,2 % der Bimekizumab-Patienten erreicht, und von 38 % der Ustekinumab-Patienten (nominaler p-Wert < 0,001). arf
Industriesymposium „Innovationen 2021 – Biologikatherapien der Zukunft“ (Veranstalter: UCB Pharma GmbH)
Dermatoonkologische Versorgung und COVID-19
Die COVID-19-Pandemie beeinträchtigt die Gesundheitsversorgung unmittelbar durch die notwendige Betreuung schwer erkrankter COVID-19-Patienten, aber auch indirekt durch veränderte Bedingungen für das Management anderer Erkrankungen. Dies birgt das Risiko folgenschwerer Verzögerungen in Diagnostik und Therapie.
Prof. Dr. med. Julia Welzel (Augsburg) beschrieb einen deutlichen Rückgang der Konsultationen in Klinik und Ambulanz schon während der ersten COVID-19-Pandemiewelle: Viele Patienten hatten im Frühjahr 2020 aus Sorge vor Ansteckung ihre Hautarzttermine abgesagt. Eine Ad-hoc-Umfrage unter den am Symposium teilnehmenden Dermatologen bestätigte diesen Trend: Sie zeigte bei den meisten Teilnehmern (57 %) einen Rückgang der Patientenzahl seit Beginn der Pandemie. Umgekehrt hatten viele Kliniken im Frühjahr 2020 entschieden, wegen der COVID-19-bedingt begrenzten Kapazitäten und wegen des Infektionsrisikos elektive – auch dermatologische – Interventionen für einige Wochen bis Monate auszusetzen. „Die dringliche Chirurgie bei Melanomen, Merkelzellkarzinomen und Hochrisiko-Plattenepithelkarzinomen lässt sich jedoch nicht lange aufschieben“, gab Welzel zu bedenken. Auch eine Basalzellkarzinom-OP sowie Nachexzisionen und Sentinel sollten nicht zu lange verzögert werden, jedenfalls nicht monatelang. Eine Verschiebung oder Unterbrechung medikamentöser Systemtherapien sei für die meisten Hautkrebspatienten ebenfalls nicht ratsam, wobei immer individuell entschieden werden müsse, so Welzel. Dennoch hatten sogar Hautkrebspatienten im Frühjahr 2020 wegen der Furcht vor einer COVID-19-Infektion ihre Termine in der Hautklinik abgesagt oder versäumt.
Hautkrebs-Checkup nicht vernachlässigen
Ein weiteres wichtiges Thema im Umfeld der Pandemie ist das Hautkrebsscreening: Gerade dieser wichtige Vorsorgetermin wurde von den Patienten im Frühjahr 2020 deutlich seltener in Anspruch genommen, wie KV-Zahlen zeigen. Das führte erwartungsgemäß zu einer geringeren Zahl gemeldeter Hautkrebsfälle [1]. Da die Erkrankungszahlen per se sicherlich nicht sinken, sind nun mehr Patienten in fortgeschrittenen Hautkrebsstadien zu erwarten, befürchtet Welzel. Die Hälfte der Symposiumsteilnehmer beobachtet dies tatsächlich bereits in der täglichen Praxis, wie die Ad-hoc-Umfrage zeigt. Auch eine kürzlich publizierte Studie geht in diese Richtung: Sie zeigt bei Männern sowie bei Patientinnen und Patienten ab 50 Jahre in Italien eine signifikant höhere Dicke der gemeldeten Hautkrebsläsionen nach dem ersten Lockdown, verglichen mit der Zeit vor dem Lockdown [2]. Die Bereitschaft der Dermatologen zur Krebsvorsorge scheint jedenfalls ungebrochen hoch: Die Mehrheit der ad hoc befragten Hautärzte (56 %) führt weiterhin vollständige Ganzkörper-Screenings durch, wenn diese angezeigt sind; die übrigen 44 % lassen lediglich die Inspektion der Mundhöhle aus. Kein einziger Umfrageteilnehmer würde wegen der Pandemie Hautkrebs-Screenings ablehnen oder erst abwarten, bis die Patienten aus Sorge wegen vorhandener Hautläsionen selbst nachfragen. sr
1 Jacob L et al., Cancers (Basel) 2021; 13
2 Ricci F et al., JEADV 2020; 34: e778–e779
Industriesymposium „Update dermatologische Onkologie“ (Veranstalter: Almirall Hermal GmbH)
Atopische Dermatitis
Abrocitinib ist ein neuer oraler JAK1-Hemmer, der in aktuellen Studien bei Jugendlichen mit schwerer atopischer Dermatitis (AD) das Hautbild und den Juckreiz signifikant verbesserte. Diese Studiendaten wurden u. a. auf der virtuellen DDG-Tagung vorgestellt.
Außer Kortikosteroiden mit bekannt enger therapeutischer Breite gab es bis vor wenigen Jahren keine systemischen Therapien für Patienten mit AD. Doch die immunologische Forschung macht nun Riesenschritte: 2017 kam mit Dupilumab das erste Biologikum, ein Interleukin(IL)-4/IL-13-Hemmer, für die besonders schwer von der chronischen Entzündung Betroffenen auf den Markt. Jetzt steht eine neue Substanzgruppe im Fokus der Entwicklung: Die Januskinase(JAK)-Inhibitoren, die bereits bei der rheumatoiden Arthritis erfolgreich eingesetzt werden. Prof. Dr. med. Kamran Ghoreschi (Berlin) erläuterte die Funktionsweise der JAK (JAK1, JAK2, JAK3 und Tyrosinkinase 2): Erreicht ein Zytokin seine Zielzelle, bindet es an den Rezeptor auf der Zelloberfläche. Infolge dieser Bindung lagern sich je zwei JAK zu einem Dimer zusammen und es beginnt eine gegenseitige Phosphorylierung. Diese Phosphorylierung erzeugt in der Zelle Bindungsstellen für die STAT (Signal Transducers and Activators of Transcription), welche sich in der Nähe der JAK aufhalten. Nun wird der STAT durch die JAK ebenfalls phosphoryliert und es kommt zu einer Konformationsänderung innerhalb des STAT. Es bildet sich ein Dimer aus den beiden STAT, welches dann abdissoziiert und seinen Weg zum Zellkern antritt. Dort beeinflusst es die Gentranskription der proinflammatorischen Zytokine. Werden nun die JAK gehemmt, setzt man noch weiter an der Wurzel der Entzündungsreaktion an. Und das funktioniert klinisch bereits bei rheumatoider Arthritis, aber auch bei atopischem Ekzem. Baricitinib wurde Ende vergangenen Jahres auch für die Behandlung von Erwachsenen mit mittelschwerer und schwerer AD zugelassen. Ein weiterer JAK1-Inhibitor ist nun in der Pipeline: Die vor Kurzem veröffentlichten Daten der Phase-III-Studie mit Abrocitinib zeigten sehr vielversprechende Ergebnisse bei Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren und Erwachsenen, wie Prof. Dr. med. Diamant Thaçi (Lübeck) berichtete. Die Patienten erhielten oral entweder Abrocitinib 100 mg, 200 mg oder Placebo 1 x täglich über einen Zeitraum von 12 Wochen. Der primäre Endpunkt mit einer Verbesserung des EASI um 75 % wurde von 40 % der Patienten in der 100-mg-Gruppe und 63 % der Patienten in der 200-mg-Gruppe erreicht – in der Placebogruppe waren es nur 12 %. Nach 12 Wochen kam es auch zu einer signifikanten Verbesserung des Juckreizes um mindestens vier Punkte auf der Juckreizskala bei 38 % der Patienten in der 100-mg- und 57 % der Patienten in der 200-mg-Gruppe, verglichen mit 15 % in der Placebogruppe. Das Nebenwirkungsspektrum umfasst ähnlich den anderen JAK-Inhibitoren Infektanfälligkeiten, Übelkeit, rezidivierende Herpes(simplex)-Infektionen und gastrointestinale Beschwerden [1]. arf
Simpson EL et al., Lancet 2020; 396: 255–266
Industriesymposium „Aktuelles zur atopischen Dermatitis“ (Veranstalter: Pfizer Pharma GmbH)
Plaque-Psoriasis
Tildrakizumab hat sich in aktuellen Praxisstudien bewährt: Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis – mit oder ohne Upgrade-Kriterien – erreichen mit einer Injektion alle 12 Wochen in der Erhaltungstherapie mehrheitlich einen absoluten PASI-Wert < 3 und in etwa der Hälfte der Fälle einen PASI < 1 bis Woche 28.
Tildrakizumab, ein Interleukin(IL)-23-Antikörper, war in den Phase-III-Studien reSURFACE 1 und 2 signifikant wirksamer als Placebo oder Etanercept und dabei allgemein gut verträglich. Responder, die in Woche 28 eine PASI-75-Reduktion erzielt hatten, profitierten in den offenen Verlängerungsstudien fast durchweg auch noch nach fünf Jahren, berichtete Prof. Dr. med. Ulrich Mrowietz (Kiel) bei einem Online-Symposium auf der DDG-Jahrestagung [1]. In die von PD Dr. med. Athanasios Tsianakas (Bad Bentheim) vorgestellte nicht interventionelle Studie (NIS) TILOT sollen etwa 900 erwachsene Patienten eingeschlossen werden, die von ihrem Arzt aufgrund mittelschwerer bis schwerer Psoriasis Tildrakizumab erhalten. Die Beobachtungszeit umfasst drei Jahre. Die Daten der ersten 128 Teilnehmer über 28 Wochen zeigen: Auch unter Praxisbedingungen profitieren die Patienten deutlich von der Anwendung des IL-23-Inhibitors. Hier besserte sich der mittlere PASI von 18,0 auf 3,1, also um 83 % (nach LOCF-Methode), die Body Surface Area (BSA) von 29,5 auf 7,9 und der Dermatology Life Quality Index (DLQI) von 14,8 auf 4,1, erklärte Tsianakas. 81,2 %, 63,0 % bzw. 44,4 % der Patienten hatten in Woche 28 einen absoluten PASI < 5, < 3 bzw. < 1. Bei Patienten mit Kopfhaut- oder Nagelbefall oder Juckreiz besserten sich auch diese Symptome mehrheitlich sehr deutlich. Fast immer wurde für diese Therapieerfolge nur die Standarddosis von 100 mg Tildrakizumab (in Woche 0, Woche 4 und danach alle 12 Wochen) benötigt. Mrowietz stellte darüber hinaus die „Kieler Tildrakizumab-Kohorte“ (KTC) vor, eine akademisch initiierte prospektive Kohortenstudie. Die hier eingeschlossenen Patienten hatten einen mittleren PASI von „nur“ 8,6, jedoch erschwerende Kriterien wie eine ausgeprägte Therapieresistenz oder aber Läsionen, die wegen ihrer Lokalisation deutlich sichtbar und/oder besonders belastend sind. Die Therapieerfolge der KTC in Woche 28 (n = 82) waren ähnlich wie in den Zulassungsstudien: Einen PASI < 5, < 3 bzw. < 1 erreichten 96,3 %, 89,0 % bzw. 50,0 % der Teilnehmer. Neben dem PASI besserten sich auch BSA, Juckreiz und Lebensqualität. Es seien keine neuen behandlungsbedingten Nebenwirkungen gesehen worden, und die Therapiepersistenz sei – wohl aufgrund des langen Injektionsintervalls – sehr hoch, so Mrowietz.sr
1 Thaçi D et al., Br J Dermatol 2021 (preprint)
Industriesymposium „Irre relevant oder irrelevant? Bedeutung von ‚Real-World-Evidenz‘ für die Versorgung der Psoriasis im Praxisalltag“ (Veranstalter: Almirall Hermal GmbH)
Atopische Dermatitis und Prurigo nodularis
Nemolizumab hemmt das Interleukin-31 und damit einen der wichtigsten immunologischen Treiber des Juckreizes. Nach ersten klinischen Erfolgen bei Prurigo nodularis zeigen aktuelle Studien auch den klinischen Nutzen bei atopischer Dermatitis.
Die Ursache für chronischen Juckreiz ist noch immer nicht vollständig geklärt. Bei der immunologischen Erforschung dieses Teufelskreises, des Juck-Kratz-Zyklus, hat sich herauskristallisiert, dass Interleukin-31 (IL-31) dabei eine Schlüsselrolle zukommt. Unter anderem befördert IL-31 durch seinen direkten Einfluss auf die kleinen Nervenenden in der Haut den Juckreiz. Nachweisen lässt sich dies beispielsweise durch den um das 50-Fache erhöhten Gehalt an IL-31 in den Läsionen bei Prurigo nodularis. Wie gut sich die Funktionen des IL-31 hemmen lassen und damit den von Juckreiz gequälten Patienten geholfen wird, erläuterte Prof. Dr. med. Sonja Ständer (Münster). In einer Phase-II-Studie erhielten 70 Patienten mit schwerer Prurigo nodularis alle vier Wochen eine subkutane Injektion mit Nemolizumab (Dosis 0,5 mg/kg) oder Placebo [1]. Nach zwölf Wochen war in der Verumgruppe der Juckreiz im Vergleich zum schwersten Juckreiz-Wert vor der Therapie (gemessen an der von 0 bis 10 reichenden numerischen Juckreizskala PP-NRS) um 5,2 Punkte (63 %) zurückgegangen, in der Placebogruppe nur um 1,7 Punkte (20 %). Der Effekt hielt auch noch mindestens weitere zehn Wochen nach der letzten Injektion an. Auch die Läsionen heilten laut Befund der Untersucher fast vollständig oder vollständig ab (IGA 0/1): bei 38 % in der Verum- und nur 5,6 % in der Kontrollgruppe. Derzeit läuft eine Phase-III-Studie, um diese positiven Ergebnisse zu verifizieren. Doch nicht nur die Läsionen der Prurigo nodularis heilen unter Nemolizumab, auch das Hautbild bei atopischer Dermatitis (AD) bessert sich, wie Prof. Dr. med. Thomas Werfel (Hannover) berichtete [2]. In einer Phase-IIb-Studie mit 226 AD-Patienten, die unter schwerem, nicht mit topischen Mitteln beherrschbarem Juckreiz litten, wurden verschiedene Dosierungen Nemolizumab (10, 30, 90 mg) oder Placebo alle vier Wochen subkutan injiziert. Dabei wurden der Eczema Area and Severity Index (EASI), die numerische Pruritus-Ratingskala (PP-NRS) sowie das Investigator‘s Global Assessment (IGA) bewertet. Das Ergebnis: Nemolizumab verbesserte die EASI-, IGA- und NRS-Juckreiz-Scores, wobei sich die 30-mg-Dosis als effektivste herausstellte. Zudem reduzierte sich in der Verumgruppe der EASI-Score in Woche 24 um 68,8 %, unter Placebo um 52,1 % (p = 0,016). Bereits in Woche 4 konnten die Dermatologen bei einem Drittel der Patienten in der Verumgruppe mit 30 mg Nemolizumab keine oder nur mehr geringe AD-Läsionen (IGA 0/1) feststellen; bei Placebo belief sich dieser Wert auf 12,3 % (p = 0,008). Die PP-NRS-Scores verbesserten sich für 30 mg Nemolizumab im Vergleich zu Placebo in Woche 16 (- 68,6 % vs. -34,3 %, p < 0,0001). Dabei war Nemolizumab sicher und gut verträglich. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Infektionen der oberen Atemwege. arf
1 Ständer S et al., N Engl J Med 2020; 382: 706–716; doi: 10.1056/NEJMoa1908316
2 Silverberg J et al., Journal of Allergy and clinical Immunology 2020, 145: 173–182; doi: 10.1016/j.jaci.2019.08.013
Industriesymposium „Atopische Dermatitis & Prurigo nodularis: Krankheitssymptome und therapeutische Optionen“ (Veranstalter: Galderma Laboratorium GmbH)
Schwere Psoriasis
Aus Angst, dem Kind zu schaden, verzichten viele Psoriatikerinnen in der Schwangerschaft auf eine systemische Therapie und nehmen dafür eine Verstärkung ihrer Schuppenflechte in Kauf. Das müssen sie aber nicht, denn es geht beides: Psoriasis therapieren während der Schwangerschaft und in der Stillzeit.
Frauen mit Psoriasis überlegen es sich gut, ob sie ein Kind bekommen wollen. Die Schwangerschaftsrate der Psoriatikerinnen ist im Vergleich zu Hautgesunden etwa um 15 % niedriger und auch die Zahl der Lebendgeburten liegt um etwa 30 % unter der der Hautgesunden, berichtete Dr. med. Sandra Philipp (Oranienburg).
Die Befürchtungen der Frauen mit Schuppenflechte sind vielfältig:
• Sie könnten ihre Erkrankung an das Kind weitergeben.
• Eine Behandlung, vor allem eine systemische, während der Schwangerschaft könnte dem Baby schaden.
• Ihre Erkrankung wird wegen der Schwangerschaft erst gar nicht behandelt.
• Sie gehen eine Risikoschwangerschaft ein.
Werden Psoriatikerinnen doch schwanger, so stellt sich bei gut der Hälfte eine Besserung der Erkrankung ein (vor allem im ersten und zweiten Trimester), bei 45 % bleiben die Symptome gleich oder verschlechtern sich.
Ungünstiger Schwangerschaftsverlauf
Frauen mit Schuppenflechte haben ein höheres Risiko für einen ungünstigen Schwangerschaftsverlauf. So entwickeln sie häufiger eine Präeklampsie oder einen Schwangerschaftshochdruck. Auch das Geburtsgewicht der Babys liegt unter dem der Kinder von Frauen ohne chronisch-entzündliche Erkrankung. Zudem kommt es bei den Psoriatikerinnen häufiger zu moderaten Frühgeburten (32.–36. Woche). Im Prinzip gilt: Je schwerer die Erkrankung, desto höher das Risiko für einen ungünstigen Schwangerschafts-Outcome. Nach Philipp unterstreichen diese Daten die Notwendigkeit einer guten Therapieeinstellung, auch mit Biologika wie den TNF-alpha-Hemmern, vor und während der Schwangerschaft.
Schübe nach der Geburt
Auch nach der Niederkunft reißen die Probleme für die Schuppenflechte-Patientinnen nicht ab: es kommt bei 65 % zu postpartalen Schüben an der Haut (40 % bei Psoriasis-Arthritis). Das bedeutet für die frischgebackenen Mütter meist, sich zwischen Stillen oder systemischer Psoriasisbehandlung entscheiden zu müssen.
Certolizumab kaum plazentagängig
Doch es geht beides, wie Dr. med. Nina Magnolo (Münster) berichtete. Mit dem TNF-alpha-Blocker Certolizumab pegol kann laut Leitlinie bei schwerer Psoriasis die Behandlung sowohl in der Schwangerschaft als auch während der Stillzeit fortgesetzt werden. Certolizumab pegol ist ein pegyliertes Fab-Fragment eines rekombinanten humanisierten monoklonalen Anti-TNF-alpha-Antikörpers. Da Certolizumab pegol keinen Fc-Anteil hat, ist es kaum plazentagängig. Auch in die Muttermilch geht der Wirkstoff kaum über, so Magnolo. Die Therapie mit Certolizumab pegol lohnt sich: Langzeitstudien belegen eine stabile Besserung des Hautbildes (PASI 75) und der Beschwerden bei Psoriasis-Arthritis. arf
Industriesymposium „Patientenorientierte Versorgung in der Psoriasistherapie“ (Veranstalter: UCB Pharma GmbH)
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