Abnehmende IGF-Serumspiegel korrelieren mit dem Voranschreiten eines Typ-1-Diabetes und könnten sich als aussagekräftige Biomarker eignen. Verapamil schützt β-Zellen, indem es zirkulierende IGF-1-Spiegel aufrechterhält und die Expression von IGFBP in den Bauchspeicheldrüsenzellen verringert.
Der Insulin-ähnliche Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) spielt eine wichtige Rolle in der Biologie von β-Zellen und Diabetes mellitus. Die Bindung an seinen Rezeptor (IGF-1R) führt zur Phosphorylierung und Aktivierung der Rezeptor-Tyrosinkinase und Initiierung der nachgeschalteten Signalkaskade. So ist IGF-1 letztlich an Zellwachstum und -differenzierung sowie dem Glucosemetabolismus beteiligt. In β-Zellen bewirkt die IGF-1-Signalgebung die Kontrolle von Apoptose und Insulinsekretion.
IGF-Bindungsproteine (IGFBP) nehmen ebenfalls Einfluss auf Funktion und Überleben von β-Zellen. Von IGFBP-3, das vermehrt bei Diabetes mellitus auftritt, wird angenommen, dass es die Apoptose insulinsekretierender Zellen fördert. Darüber hinaus wies kürzlich eine Studie darauf hin, dass die Inhibierung von IGFBP-3 kurzfristig β-Zellen schützt und langfristig die Expression von β-Zellen begünstigt.
Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes (T1D) zeigen sich die Serumspiegel zirkulierender IGF-1 deutlich geringer als bei nach Alter und Geschlecht gematchten Vergleichspersonen. Zudem sind sie niedriger bei Typ-1-Diabetes mit nicht nachweisbarem C-Peptid im Vergleich zu T1D mit erhaltener C-Peptid-Produktion, was nahelegt, dass das Serum-IGF mit der residualen β-Zellfunktion korreliert. Es offenbarte sich sogar, dass der Rückgang von Serum-IGF-Leveln vor einer T1D-Diagnose stattfindet und mit der Erkrankung weiter fortschreitet. Demzufolge könnte der IGF-Spiegel im Blutserum als neuer Biomarker für die T1D-Progression dienen.
Antidiabetische Effekte, insbesondere der Schutz vor dem β-Zell-Tod, werden seit Kurzem auch dem Calciumantagonisten Verapamil, einem bewährten Antihypertonikum, zugeschrieben.
Förderung der IGF-Signalgebung in β-Zellen
Im Zuge einer doppelverblindeten Studie aus den USA stellte sich heraus, dass Verapamil auch in die IGF-Signalgebung eingreift. Eingeschlossen waren Personen mit frisch dignostiziertem T1D, die neben ihrem Insulin täglich entweder Verapamil (360 mg, retardiert) oder Placebo erhielten. Nach einem Jahr zeigte sich in der Placebogruppe die Serum-IGF-Konzentration signifikant reduziert, nicht aber in der Verapamil-Gruppe.
Die Untersuchung von β-Zellen von T1D-Betroffenen ergab, dass sich die Spiegel von IGFBP-3, 4 und 5 unter Verapamil verringerten, während die Expression von IGF-1R unverändert blieb. Damit ist eine erweiterte Interaktion von IGF-1 und seinem Rezeptor zu erwarten und in der Folge auch eine verstärkte IGF-1-Signalgebung der β-Zellen.
Weitere Untersuchungen zeigten, dass β-Zellen, die T1D-assoziierten inflammatorischen Zytokinen ausgesetzt waren, vermehrt Thioredoxin-interagierendes Protein (TXNIP) exprimierten, welches die β-Zell-Dysfunktion und -Apoptose triggert. Unter Verapamil konnte die TXNIP-Expression abgeschwächt werden.
Guanlan X et al., Diabetes 2023; 72: 1460–69