Eine aktuelle Phase-III-Studie mit über 450 Probanden und Probandinnen konnte jetzt die Wirksamkeit von Amitriptylin beim Reizdarmsyndrom bestätigen. Bei wirkungsloser Erstlinientherapie könnte der Wirkstoff durchaus in niedriger Dosierung eine Behandlungsoption sein.
Die ATLANTIS-Studie liefert neue Ergebnisse zum Einsatz von niedrig dosiertem Amitriptylin beim Reizdarmsyndrom (RDS) in der hausärztlichen Versorgung. Den Ergebnissen nach verbessert der Wirkstoff, der ursprünglich als Antidepressivum entwickelt wurde, als Zweitlinientherapeutikum die Symptome etwa doppelt so häufig wie Placebo. Bisherige Studien konzentrierten sich vor allem auf stationäre Patientengruppen. An der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie nahmen erwachsene Patienten (315 weiblich, 148 männlich) aus 55 Hausarztpraxen in England teil. Alle teilnehmenden Personen gaben trotz Ernährungsumstellung und Erstlinientherapien anhaltende RDS-Symptome an. Auf der RDS-Schweregrad-Skala „IBS-SSS“, die beispielsweise Schmerzen, Veränderungen im Stuhlgang oder Blähungen berücksichtigt, wiesen die Betroffenen mindestens 75 Punkte auf (0 als Äquivalent zu gar keinen Symptomen bis zu 500 Punkte). Darüber hinaus erfüllten sie die Einschlusskriterien, u. a. hatten sie ein normales Vollblutbild, eine negative Zöliakie-Serologie und keine Anzeichen von Suizidgedanken.
Wirkstoff zeigte sich gut verträglich
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden per Zufallsprinzip einer Verum- oder Kontrollgruppe zugeordnet und starteten mit einer Tablette pro Tag (entsprechend 10 mg Amitriptylin oder Placebo).
Zudem erhielten sie die Anweisung, die Dosis bei Bedarf eigenständig schrittweise über 3 Wochen auf bis zu 3 Tabletten täglich zu steigern. Zur Dokumentation des Krankheitsverlaufs nutzten die teilnehmenden Personen die IBS-SSS-Scores, und es wurden über die gesamte Studiendauer Daten zu Angst und Depression erhoben.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Veränderung des IBS-SSS-Scores nach 6 Monaten. Bei den Probanden und Probandinnen der Amitriptylin-Gruppe reduzierte sich der Wert um durchschnittlich 27,0 Punkte mehr als bei den Personen aus der Placebogruppe. Die Wahrscheinlichkeit einer Symptombesserung war bei Patienten und Patientinnen, die Amitriptylin einnahmen, nahezu doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe. Da die Angst- und Depressionswerte über die Dauer der Studie unverändert blieben, nahm die Forschergruppe an, dass die positiven Effekte von Amitriptylin über den Darm erfolgten – und nicht über die antidepressive Wirkung des Arzneistoffs. Auch wurde das Medikament gut vertragen. Laut den Forschern und Forscherinnen schaffen die Daten eine bessere wissenschaftliche Grundlage für Hausärzte, die von Reizdarm betroffenen Personen behandeln, als die bisherigen Studien. Sie schlussfolgerten, dass niedrig dosiertes Amitriptylin eine wirksame Behandlung für das Reizdarmsyndrom ist, wenn die Erstlinientherapie nicht den gewünschten Erfolg bringt.
Ford C A et al., Lancet 2023; 402: 1773–85, doi.org/10.1016/S0140-6736(23)01523-4