In den vergangenen Jahrzehnten ist in den Industrieländern eine Steigerung der Kaiserschnittrate zu beobachten. Das führt zur häufigeren Diagnose des Uterusnarbendefekts, der „Isthmocele“. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Konsequenzen für die Patientin und für zukünftige Schwangerschaften.
Zum ersten Mal wurde die „Isthmocele“ von Hugh Morris 1995 beschrieben, als ein Defekt der vorderen Uteruswand im Isthmusbereich an der Stelle der Sectionarbe. Warum eine Isthmocele entsteht, ist noch nicht abschließend geklärt. Es werden jedoch folgende Ursachen vermutet:
· eine sehr kaudale Inzision bei der Sectio caesarea
· inadäquate Nahtversorgung bei der Sectio caesarea (insbesondere bei sekundärer Sectio)
· chirurgische Interventionen, die die Adhäsionsbildung zwischen der Uterusnarbe und der vorderen Bauchwand (vor allem bei einem retroflektierten Uterus) begünstigen (z. B. kein Verschluss des Peritoneums, inadäquate Hämostase etc.). Diese Adhäsionen „provozieren“ durch einen permanenten Zug an der Uterusnarbe die Entwicklung der Isthmocele.
· genetische Veranlagung zur Wundheilungsstörung
· Retroflexio uteri ist ein Risikofaktor für Entstehung der Isthmocele. Als Ursache wird erhöhte Spannung an der Narbe während des Heilungsprozesses vermutet.
· Adenomyosis uteri und postoperative Fibrosierung des Uterusgewebes können die Bildung der Isthmocele auch begünstigen. In kleineren Studien wurde Adenomyose/Fibrose bei 67–79 % der Patientinnen mit Isthmocele nachgewiesen. Es fehlen jedoch noch die ausreichenden Daten dafür.
Klassifikation
Es gibt zurzeit keine etablierte Klassifikation der Isthmocele. In der Literatur finden sich folgende Klassifikationen, die für die alltägliche Praxis praktisch sein können.
1. Nach Dicke des Restmyometriums und/oder der Größe des Narbendefekts:
· „large defect“: Reduzierung des Myometriums um > 50 % (nach manchen Autoren um > 80 %) oder Restmyometrium von < 3 mm
· „small defect“: Reduzierung des Myometriums um < 50 % oder Restmyometrium von ≥ 3 mm
2. Nach den morphologischen Eigenschaften der Isthmocele:
· einfache Isthmocele
· einfache Isthmocele mit einem „Zweig“
· komplexe Isthmocele (mehr als ein „Zweig“). „Zweig“ ist ein dünner Teil der Isthmocele, welcher sich in Richtung Uterusserosa ausdehnt und kleinere Breite als der Hauptteil der Isthmocele hat.
Klinische Symptomatik
Die Isthmocele ist in vielen Fällen symptomatisch. Die Symptome bzw. Komplikationen teilen sich dabei auf:
· Gynäkologische Symptome: abnormale uterine Blutung, postmenstruelle Spottings, Dysmenorrhoe, Unterbauchschmerzen, Dyspareunie und sekundäre Sterilität.
· Geburtshilfliche Symptome: Uterusruptur, Placenta praevia, Placenta accreta/increta/percreta, ektopische Gravidität in der Isthmocele.
Mehrere Autoren haben vom Zusammenhang zwischen Isthmocele und sekundärer Sterilität berichtet. Es werden zwei Mechanismen vermutet, die die Sterilität verursachen können. Einerseits kann die Fertilität durch die Flüssigkeitsansammlung (Blut, Schleim) in der Isthmocele die Implantationsstörung, den Spermientransport und die Zervixschleimhaut beeinflussen, andererseits kann die entstehende chronische Entzündungsreaktion die Fertilität ebenso beeinträchtigen.
Dadurch kann es laut Literatur in 4–19 % zu einer sekundären Sterilität kommen. Außerdem kann die Isthmocele, insbesondere bei einem retroflektierten Uterus, die Durchführung einer Insemination oder eines Embryotransfers durch erschwerten Zugang zum Cavum beeinträchtigen.
Diagnostik
Die Diagnose der Isthmocele kann durch eine vaginale Sonografie (Abb. 1), Hysterosalpingografie, Hydrosonografie, MRT oder Hysteroskopie (Abb. 2) erfolgen, wobei die vaginale Sonografie die führende Methode ist. Die frühzeitige Diagnose und Behandlung der Isthmocele ist bei Kinderwunsch von besonderer Bedeutung, da ein erhöhtes Risiko für geburtshilfliche Komplikationen besteht. Die Inzidenz einer ektopen Gravidität in der Isthmocele liegt bei 1 von 1 688 Schwangerschaften und beträgt 4–6 % unter allen ektopen Schwangerschaften nach mindestens einem Kaiserschnitt. Bereits bei Restmyometrium von 3 mm besteht ein erhöhtes Risiko für die Uterusruptur. Das durchschnittliche Risiko für die Uterusruptur überschreitet zwar bei „small defect“ 2 % nicht, steigt jedoch bei „large defect“ bis zu 5 %.
Therapie
Zurzeit gibt es keine Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der Isthmocele. Aktuelle Therapiemöglichkeiten bestehen aus konservativer Therapie mittels Hormonpräparaten (bei Blutungsbeschwerden) und aus chirurgischer Therapie mittels Hysteroskopie, Laparoskopie, Laparotomie oder vaginalen Operationsformen. Die Entscheidung soll basierend auf Symptomatik, Indikation, Resultaten der bildgebenden Diagnostik und Anamnese getroffen werden.
Laparoskopie / Laparotomie
In der Literatur findet man mehrere Arbeiten über laparoskopische und abdominale Isthmocelenkorrektur. Einerseits wird von der Besserung der Symptome (Dysmenorrhoe, Unterbauchschmerzen, Blutungsstörung) in 80–96 % der Fälle, andererseits von der signifikanten „Verdickung“ des Myometriums berichtet, was für eine nachfolgende Schwangerschaft von großer Bedeutung ist. Bei der Isthmocelenkorrektur soll auf zwei Punkte besonders geachtet werden:
· die Nische mit narbigem Gewebe soll möglichst komplett exzidiert werden (Abb. 3);
· anschließend soll eine suffiziente Nahtversorgung erfolgen (Abb. 4). Nach aktuellem Stand der Literatur konnte ein positiver Outcome nach einer Isthmocelenkorrektur sowohl per Laparotomie als auch per Laparoskopie gezeigt werden. Aufgrund der deutlich geringeren Morbidität soll als primäre Option das laparoskopische Vorgehen dem offen abdominalen Vorgehen vorgezogen werden. Hier sind sehr gute laparoskopische Fähigkeiten erforderlich. Eine Isthmocelenkorrektur per Laparotomie soll nur in speziellen Fällen erfolgen (z. B. erfolgloses laparoskopisches Vorgehen, komplexer Adhäsionssitus).
Hysteroskopie
In einer systematischen Review-Arbeit konnte ein Benefit des hysteroskopischen Vorgehens bei symptomatischen Isthmocelen (Blutungsbeschwerden, Unterbauchschmerzen) von 85,5 % gezeigt werden. In kleineren Studien wurden auch gute Ergebnisse bezüglich der sekundären Sterilität präsentiert. Das hysteroskopische Vorgehen ist ein minimalinvasives Verfahren. Es besteht jedoch ein erhöhtes Risiko der Uterusperforation und Blasenverletzung. Um dieses Risiko zu reduzieren, wird das hysteroskopische Vorgehen erst bei einem Restmyometrium von > 3 mm empfohlen. Außerdem hat diese Methode kein Benefit bezüglich der geburtshilflichen Komplikationen (kein positiver Effekt auf die Myometriumdicke), das Restmyometrium kann sogar noch weiter reduziert werden. Aus diesem Grund kann das hysteroskopische Vorgehen für die Isthmocelenkorrektur bei Kinderwunsch-Patientinnen nicht empfohlen werden, sondern nur zur Behandlung der Blutungsbeschwerden.
Anhand der vorliegenden Literatur ist das laparoskopische Vorgehen die Methode der Wahl bei prophylaktischer/therapeutischer Isthmocelenkorrektur bei Patientinnen mit Kinderwunsch. Eine Laparotomie soll nur in Sonderfällen erfolgen. Eine operative Hysteroskopie ist bei Kinderwunschpatientinnen nicht geeignet, jedoch fehlen noch ausreichende Studien.
Der Autor
Dr. med. Elvin Piriyev
Evangelisches Klinikum Köln Weyertal
50931 Köln
Literatur beim Autor
Bildnachweis: Dr. med. Elvin Piriyev, privat