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Gynäkologie

In-vitro-Fertilisation

Fortschritte und Herausforderungen der Reproduktionsmedizin

Dr. rer. nat. Reinhard Merz

14.2.2025

Die Reproduktionsmedizin hat in den vergangenen Jahren bedeutende Fortschritte erzielt, steht aber gleichzeitig vor neuen Herausforderungen. Dieser Beitrag fasst aktuelle Entwicklungen und die Highlights vom 38. Kongress der Deutschen IVF-Zentren in Hamburg zusammen.

Die Reproduktionsmedizin nimmt innerhalb der Gynäkologie eine besondere Rolle ein. Die eigentliche Behandlung findet in der Regel in spezialisierten Kinderwunschzentren statt und es gibt einen erheblichen gesellschaftlichen und politischen Einfluss. Der zuletzt auch definiert, was in Deutschland erlaubt ist und was nicht.

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Das Ende der Ampel-Koalition und die Neuwahlen im Februar 2025 waren daher auch eins der heißen Themen auf dem Jahrestreffen der IVF-Zentren in Hamburg. Prof. Dr. med. Jan Krüssel (Düsseldorf) fasste es als Moderator der Session „Herausforderungen der Zukunft“ so zusammen: „Aus meiner Sicht ist das, was wir alle erhofft haben von dieser Regierung, auf unabsehbare Zeit verschoben: dass der elektive Single-Embryo-Transfer umgesetzt wird und die Eizellspende unter Umständen auch legali­siert wird.“

Letzteres gehörte nämlich zu den Empfehlungen der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, die das im Auftrag der Ministerien für Gesundheit, Justiz und Familien erarbeitet hatte. Prof. Dr. med. Katharina Hanke (Ulm) war als Reproduktionsmedizinerin Mitglied der Kommission und stellte die wichtigsten Ergebnisse des Reports vor.

Demnach ist die Begründung, auf die der Gesetzgeber 1990 das Verbot Eizellspende gestützt hat, heute überholt. Die Kommission sagt: „Eine Legalisierung der Eizellspende ist zulässig, sofern sie auf einer ­gesetzlichen Grundlage beruht, die insbesondere den notwendigen Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet.“ Dabei sind mehrere ­Optionen verfassungsrechtlich und ethisch vertretbar:

Die Zulassung der Spende von Eizellen, die der Frau für eigene Fortpflanzungszwecke entnommen wurden/werden (nicht rein fremdnützige Eizellspende). Dazu zählen die Spende von Eizellen, die sich eine Frau im Zuge ihrer eigenen Kinderwunschbehandlung bzw. aus medizinischen oder sozialen Gründen entnehmen ließ, die sie aber nicht mehr für sich selbst nutzen möchte.

Als ein Sonderfall wird die Spende von Eizellen, die einer Frau in einer lesbischen Beziehung entnommen werden, an ihre Partnerin angesehen. Bei der „ROPA-Methode“ (Reception of Oocytes from the Partner) werden einer der zwei Frauen Eizellen entnommen, mit Spendersamen befruchtet und der daraus entstehende Embryo wird der anderen Frau transferiert. Eine Frau ist genetisch beteiligt, weil sie die Eizelle spendet; die andere Frau ist biologisch beteiligt, weil sie das Kind zur Welt bringt.

Für die rein fremdnützige Eizellspende wird dagegen eine strengere Regelung empfohlen. Hier liegt es im Ermessen des Gesetzgebers, am Verbot festzuhalten. Trotz altruistischer Grundlage gibt es nach Ansicht der Kommission ein hohes Potenzial an Missbrauch. Eine Leihmutterschaft könnte in bestimmten Fällen legalisierbar sein, sofern der Schutz der Leihmutter und das Kindeswohl hinreichend gewährleistet ist. Die Kommission nennt hier als Beispiel ein enges freundschaftliches oder verwandtschaftliches Verhältnis zwischen Leihmutter und Wunscheltern.

Altersabhängige Erfolgswahrscheinlichkeit

Unter demografischen Gesichtspunkten ist besonders die Frage relevant, welche Chance ein Paar hat, eine Familie mit 1, 2 oder 3 Kindern zu realisieren. Dafür wurden Modelle entwickelt, die die Chance durch Spontankonzeption, aber ggf. auch die Unterstützung durch ART berücksichtigen.

Die Konzeptionswahrscheinlichkeit liegt bei etwa 27,7 % pro Zyklus. Nach einem Jahr ungeschützten Geschlechtsverkehrs erreichen etwa 98 % der Paare eine Schwangerschaft. Subfertilität betrifft jedes 5. bis 7. Paar zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens (Prävalenz ca. 15 % bei Frauen und 13 % bei Männern). Die Fruchtbarkeit erreicht ihren Höhepunkt zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr und nimmt danach stetig ab. Ab einem Alter von 35 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Konzeption stark reduziert (Abb. 1) [1].

Kurzfristige Faktoren wie Bagatellerkrankungen oder Alltagsstress beeinträchtigen die Konzeptionswahrscheinlichkeit nicht wesentlich. Langfristige Faktoren wie Rauchen, Übergewicht und Dauerstress haben jedoch einen signifikanten Einfluss. Die kumulative Lebendgeburtenrate ist durch ART deutlich erhöht, wobei nach 3–5 Zyklen etwa jedes 2. Paar eine Lebendgeburt erlebt.

Für eine 90%ige Chance auf eine Ein-Kind-Familie sollte ein Paar spätestens bei einem Alter der Wunschmutter von 35 Jahren mit der Familiengründung beginnen, wenn bei einem unerfüllten Kinderwunsch ggf. auch eine IVF infrage käme. Für 2 Kinder sollte die Familiengründung mit spätestens 31 Jahren und für 3 Kinder sogar bereits mit 28 Jahren begonnen werden.

ART bietet Paaren mit subfertilen und sterilen Faktoren eine realistische Möglichkeit zur Familiengründung. Auch nach wiederholt erfolglosen ART-Zyklen besteht für etwa 50 % der Paare die Aussicht auf eine Lebendgeburt, wobei 70 % durch ART und 20 % durch Spontankonzeption entstehen.

Fortschritte in der Behandlung

Ein wesentlicher Fortschritt ist die Verbesserung der Stimulationsprotokolle. Neue Ansätze wie das ­flexible PPOS (Progestin-Primed Ovarian Stimulation) zeigen vielversprechende Ergebnisse im Vergleich zu konventionellen GnRH-Antagonisten-Protokollen. Auch personalisierte Trigger-Varianten zur Ovulationsinduktion werden zunehmend eingesetzt, um die Behandlung individuell zu optimieren. Bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) gibt es Bestrebungen, die Behandlung patientenfreundlicher zu gestalten. Ein innovativer Ansatz ist die „Drei-Injektionen-IVF“, bei der ein FSH-Depot, ein lang wirksamer GnRH-Antagonist und hCG zur Ovulationsinduktion verwendet werden. Dies könnte die Belastung für Patientinnen reduzieren. Hier sind jedoch weitere Studien erforderlich, um den klinischen Nutzen zu evaluieren.

Fortschritte gibt es auch in der Implantationsforschung. Vielversprechende Ergebnisse zeigt OXO-001, ein nicht hormonelles Molekül zur Verbesserung der Implantationsrate. Erste Daten einer Phase-II-Studie deuten auf eine Zunahme der Implantations-, Schwangerschafts- und Lebendgeburtenrate hin. OXO-001 soll direkt auf die Gebärmutterschleimhaut wirken, um sie für die Einnistung des Embryos empfänglicher zu machen. Die auf dem ESHRE 2024 präsentierten Ergebnisse wecken Hoffnung bei ­Patientinnen, bei denen es in auf­einanderfolgenden IVF-Zyklen wiederholt zu Einnistungsfehlern ­gekommen ist.

Erhöht eine Progesteron-Gabe (2 × 400 mg/d bis zur 16. SSW) bei vaginaler Blutung in der Frühschwangerschaft die Lebendgeburtenrate? Dieses Thema wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Bei Frauen mit vorangegangenen Fehlgeburten scheint es so zu sein, dass die Ursache nicht in einem abnormalen Karyotyp zu suchen ist, sondern eher in einer Lutealphasendefizienz, die durch eine Supplementation ausgeglichen werden könnte. Während die PRISM-Studie von 2019 und ein Cochrane-Review von 2021 das bestätigten, konnte das STOP-Trial ­keinen therapeutischen Benefit in einem unselektierten Patientenkollektiv zeigen. Die Autorengruppe ­betonte jedoch, dass die Progesteron-Gabe für das Subkollektiv der Patientinnen mit wiederholten Fehlgeburten – insbesondere abhängig von der Anzahl vorausgegangener Fehlgeburten – vorteilhaft zu sein scheint, und regt weitere randomisierte kontrollierte Studien zur Bestätigung an.

KI in der Reproduktionsmedizin

Prof. Luca Pagliardini (Mailand) gab beim IVF-Treffen eine Übersicht zum Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Reproduktionsmedizin. „Wenn wir an KI denken, sehen wir oft ein hypothetisches ­System, das in der Lage ist, jede Aufgabe auszuführen, genau wie ein Mensch. Das gibt es noch nicht. Aber heute können wir uns auf schnelle KI-Systeme verlassen, die darauf trainiert sind, nur eine einzige Aufgabe auszuführen. Aber das mit einer erstaunlichen Effizienz.“

Das erste Problem, das mit maschinellem Lernen in der IVF angegangen wurde, war die Konsistenz bei der Blastozystenklassifizierung. Sie ist subjektiv, zeitaufwendig und es besteht die Tendenz zu Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Laboren. Bereits 2019 schaffte es ein Autorenteam, dieses Problem mit einem Datensatz von 10 000 Bildern zu lösen. Nach einem Training mit Blastozysten guter Qualität und schlechter Qualität schaffte das System eine wirklich hohe Genauigkeit von 97 % [2].

Eine nicht invasive und automatisierte Methode zur Beurteilung von Embryonen integriert morphoki­netische Parameter, morphologische Bewertungen der Blastozyste, Alter der Mutter und den Ploidie­status. In einer retrospektiven Studie konnte damit die Ploidie von Embryonen auf nicht invasive ­Weise vorhergesagt werden [3].

Mittlerweile gibt es viele KI-Anwendungen in der ­Reproduktionsmedizin (Abb. 2) [4]. Prof. Pagliardinis Ausblick auf die Zukunft der KI in der Reproduktionsmedizin war durchaus optimistisch: „Jedes Unternehmen in unserem Bereich hat tatsächlich viel Geld für die Forschung ausgegeben, aber wir sind noch um Größenordnungen von dem Geld entfernt, das Google und ChatGPT in ihre Anwendungen stecken. Wir werden noch ein paar Jahre warten müssen, bis wir deren Rechenleistung erreichen. Aber wenn wir so weit sind, wird die Anwendung erstaunlich sein, alles wird sich ändern.“

Klar ist aber auch: Zwischen automatisierter Beurteilung und rein menschlicher Einschätzung gibt es Graubereiche. Die unkritische Nutzung von standardisierten KI-basierten Abläufen und die daraus entstehende Abhängigkeit von Algorithmen sind grundlegende Probleme. Hybride Modelle mit Nutzung von KI und menschlicher Intelligenz sind denkbare Lösungen, etwa einfache Entscheidungen KI-basiert zu treffen, grenzwertige oder komplexe jedoch ­Menschen zu überlassen.

Der Autor

Dr. rer nat. Reinhard Merz

  1. Gnoth C, Gynäkol Endokrinol 2022; 20: 7–14
  2. Khosravi P et al., NPJ Digit Med 2019; 2: 21
  3. Barnes J et al., Lancet Digital Health 2023; 5: e28–e40
  4. Goeckenjan M et al., Gynäkol Endokrinol 2023; 21: 72–7
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