Impfungen gehören zu den Kernaufgaben gynäkologischer Praxen und Kliniken. Seit den langen Diskussionen um die COVID-Impfung für Schwangere steht dabei zunehmend auch der Nutzen für das Neugeborene im Vordergrund – zum Beispiel bei den maternalen Impfungen gegen Pertussis und RSV.
Impfungen und Schwangerschaft – das war lange Jahre gar kein Thema. Durch die Corona-Pandemie kam Bewegung in das Thema und schnell wurden Frauenärztinnen und Frauenärzte zu Impfexperten – zunächst für die COVID-19-Impfung. Parallel dazu haben sich dann die Möglichkeiten der Impfung während der Schwangerschaft entwickelt.
Eine ganz Reihe von Studien – u. a. auch aus unserer Klinik in Jena [1] – konnten schnell zeigen, dass die Corona-Impfung bei Schwangeren sehr gut und sehr effektiv vor der Erkrankung schützt. Und es zeigte sich auch: Im Zusammenhang mit der Impfung werden Frühgeburten verhindert, denn die Covid-Erkrankung ist bei Schwangeren eine sehr viel schwerere Erkrankung als bei Nichtschwangeren, und die Frühgeburtenrate ist 2- bis 3-fach erhöht.
Bei den maternalen Impfungen geht es nicht nur um die Mutter, sondern auch um die Leihimmunität für das Kind.
Mittlerweile wissen wir, dass die Corona-Impfung tatsächlich zu weniger Frühgeburten geführt hat. Das zeigt sehr gut, dass es in der Schwangerschaft nicht nur um die Mutter geht, sondern es geht auch um das Kind. Und speziell bei den maternalen Impfstoffen gegen Pertussis und RSV ist es das eigentliche Ziel, dem Kind eine Leihimmunität zu verschaffen und es so zu schützen.
Empfehlungen der STIKO für die Schwangerschaft
Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat in ihren Empfehlungen einen eigenen Absatz zum Schutz vor Auswirkungen impfpräventabler Erkrankungen auf die Gesundheit der Mutter und des un- bzw. neugeborenen Kindes eingefügt, mit der klaren Empfehlung: „Eine zeitgerechte Verabreichung der empfohlenen Standardimpfungen vom Säuglingsalter an sowie die Vermeidung von Impflücken im gebärfähigen Alter bieten den besten Schutz vor Auswirkungen impfpräventabler Erkrankungen auf die Gesundheit der Frau und die Gesundheit ihrer Kinder“ [2]. Jede durchgeführte Impfung sollte dabei nicht nur im Impfausweis dokumentiert werden, sondern auch im Mutterpass, damit unter anderem klinisch tätige Frauenärztinnen und -ärzte sich vom Impfstand überzeugen können und bei der Entbindung Informationen für Fachärztinnen und -ärzte der Neonatologie gegeben sind.
Impfungen mit einem Lebendimpfstoff, z. B. gegen Masern, Mumps, Röteln oder Varizellen, sind in der Schwangerschaft aus theoretischen Überlegungen grundsätzlich kontraindiziert. Röteln- und Varizellen-Infektionen können ein kongenitales embryofetales Röteln- bzw. ein fetales kongenitales Varizellen-Syndrom mit Beteiligung einzelner oder mehrerer Organe zur Folge haben.
Eine peripartale Varizellen-Erkrankung der Mutter kann zudem zu lebensbedrohlichen neonatalen Varizellen führen. Die STIKO empfiehlt ungeimpften Frauen oder Frauen mit unklarem Impfstatus im gebärfähigen Alter die zweimalige Impfung gegen Röteln mit einem MMR-Impfstoff. Einmal geimpfte Frauen im gebärfähigen Alter sollten eine zweite MMR-Impfung erhalten. Zudem empfiehlt die STIKO seronegativen Frauen mit Kinderwunsch eine zweimalige Varizellen-Impfung [2].
Neugeborene und Kleinstkinder sind für Infektionen besonders anfällig. Deshalb impft man die werdende Mutter (maternale Immunisation), um den Neugeborenen den Nestschutz zu geben, denn Leihantikörper werden diaplazentar übertragen. Beispiel Pertussis: Keuchhusten ist hochinfektiös, ein Erkrankter steckt 5 weitere an und die Inzidenz steigt seit 2010 unaufhaltsam. Um einen optimalen Nestschutz für Neugeborene zu erzielen, braucht es daher die Impfung von möglichst vielen Erwachsenen, nicht nur der Mutter. Seit 2004 forciert die STIKO die Kokonstrategie, nach der alle, die mit dem Neugeborenen zu tun haben, geimpft werden sollen, also auch Verwandte, Freunde und Hebammen. Die Durchimpfungsrate ist allerdings schlecht, nur einer von drei Erwachsenen ist immunisiert. Seit 2020 empfiehlt die STIKO daher die Pertussis-Impfung in der Schwangerschaft, normalerweise im dritten Trimenon, bei hohem Frühgeburtsrisiko auch schon im zweiten Trimenon [3].
Maternale RSV-Impfung
Das respiratorische Synzytial-Virus (RSV) zählt zu den häufigsten und bedeutendsten Erregern von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen und Kleinkindern. Während Infektionen mit respiratorischen Synzytial-Viren ganzjährig auftreten können, führen sie von November bis April gehäuft zu Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. Gerade Neugeborene sind wegen ihrer kleinen Atemwege und des noch nicht ausgereiften Immunsystems anfällig für eine Infektion. In ihrem ersten Lebensjahr stecken sich 50–70 % aller Säuglinge mit RSV an. Eine Infektion kann bei ihnen zu schweren Krankheitsverläufen mit Bronchiolitis oder Pneumonie führen.
Schwere RSV-Verläufe betreffen nicht nur frühgeborene Säuglinge oder Kinder mit Vorerkrankungen.
Die Krankheitslast ist mit jährlich 23 000 Hospitalisierungen bei Säuglingen und 11 000 bei Kleinkindern hoch. Dabei haben 70 % der betroffenen Kinder keine Risikofaktoren. Schwere Verläufe betreffen also nicht nur frühgeborene Säuglinge oder Kinder mit Vorerkrankungen.
Zum Schutz von Neugeborenen steht der nicht adjuvantierte bivalente Präfusions-F-Impfstoff RSVPreF (Abrysvo®) zur Verfügung. Auch diese Vakzine nutzt das Prinzip der maternalen Immunisierung. Die Zulassung des Impfstoffes für die maternale Impfung basiert auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie MATISSE (MATernal Immunization Study for Safety and Efficacy) [4]. Schwere RSV-Erkrankungen der unteren Atemwege binnen 90 Tagen post natum traten bei 6 Kindern der Impfstoffgruppe und 33 Kindern der Placebogruppe auf (Impfstoffwirksamkeit 81,8 %; 99,5%-KI 40,6–96,3); 19 Fälle bzw. 62 Fälle traten innerhalb von 180 Tagen post natum auf (69,4 %; 97,58%-KI 44,3–84,1). In einer Post-hoc-Analyse zur Impfstoffwirksamkeit nach Gestationsalter bei Impfung zeigte sich eine höhere Wirksamkeit bei Impfung von 30.–36. SSW im Vergleich zur Impfung vor der 30. SSW.
RSVPreF wurde gut vertragen und zeigte bei den schwangeren Teilnehmerinnen ein positives Sicherheitsprofil; bis zu 24 Monate nach der Geburt zeigten sich keine Sicherheitssignale. Später erhobene Real-World-Daten zeigten keine Assoziation zwischen Impfung in der Schwangerschaft und Frühgeburtlichkeit [5].
Die DGGG und Perinatologische Fachgesellschaften empfehlen seit November 2023 in einer Stellungnahme die saisonale RSV-Impfung für alle Schwangeren nach informierter, gemeinsamer Entscheidungsfindung. Gemäß Fachinformation kann die Impfung zwischen der 24. und 36. SSW verabreicht werden. Unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten sowie im Kontext internationaler Vorgehensweisen wird die Verabreichung des RSV-Impfstoffes ab der 32. SSW empfohlen [6].
Eine Empfehlung der STIKO für die RSV-Impfung steht noch aus. Die RSV-Impfung kann daher in Arztpraxen nur privat abgerechnet werden. Für Schwangere, die sich gegen RSV impfen lassen wollen, empfiehlt es sich daher, vorab eine Kostenzusage ihrer Krankenkasse einzuholen. Eine Vorlage zur „Kostenerstattung der RSV-Impfung nach ärztlicher Empfehlung“ gibt es beim BVF zum Herunterladen [7]. Die STIKO empfiehlt bislang für alle Neugeborenen und Säuglinge vor bzw. in ihrer ersten RSV-Saison eine Prophylaxe mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab als Einmaldosis [8].
Bei den Impfungen während der Schwangerschaft erleben wir einen hohen Beratungsbedarf, wie das schon bei der Corona-Impfung war. Es gibt eine überwiegende Anzahl von Schwangeren, die, wenn sie denn gut beraten wurden, sehr offen für maternale Impfungen sind, weil sie den Vorteil sehen. Man impft nicht die fertigen Antikörper, sondern ermöglicht dem Körper, dass er selbst körpereigene Antikörper bildet. Das ist viel biologischer, als irgendwelche fremdhergestellten Antikörper zu injizieren. Bei uns melden sich mitunter Schwangere von weit her, die gehört haben, dass wir Frauen, die wegen Frühgeburtsbestrebungen stationär betreut werden, auch maternale RSV-Impfungen anbieten. Wir haben das mit relativ großem Aufwand in der Klinik implementiert und ich habe mir jetzt die ersten Monate mal auswerten lassen. Über 80 Prozent der Frauen, die bei uns im Klinikum entbunden haben, haben dann auch die Impfung wahrgenommen.
Der Autor
Prof. Dr. med. Ekkehard Schleußner
Direktor der Klinik für Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Jena
Bildnachweis: privat