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Allgemeinmedizin

Hämorrhagische Diathese

Gentherapie zur einmaligen Anwendung bei Hämophilie B

2.6.2023

Paradigmenwechsel in der Behandlung von Hämophilie B: Mit Etranacogen Dezaparvovec kann erstmals bei schwerer und mittelschwerer Erkrankung die Gentherapie eingesetzt werden. Zugelassen ist der AAV-Vektor bei Erwachsenen ohne Faktor-IX-Inhibitoren in der Vorgeschichte.

Hämophilie B ist eine seltene, rezessiv vererbte schwere Blutungsneigung. Infolge einer Einzel-Mutation im F9-Gen mangelt es am Gerinnungsfaktor IX, sodass die Betroffenen Faktor-IX-Talspiegel unter 1 % des Normalwerts aufweisen. Die Erkrankung tritt hauptsächlich bei Männern auf und manifestiert sich in bis zu 80 % der Fälle mit Gelenkblutungen in Knöcheln, Knie und Ellenbogen. Langfristig resultieren Gelenkschäden, Schmerzen und eine eingeschränkte Mobilität; sehr selten kommt es zu intrakraniellen Blutungen.

Behandelt wird derzeit mit einem Faktorkonzentrat mit verlängerter Wirkdauer und einem empfohlenen Mindestfaktorspiegel > 3–5 %. Dabei kann es jedoch zu Durchbruchsblutungen kommen. Die Therapieadhärenz wird durch Schmerzen und die regelmäßigen Infusionen erschwert, besonders bei jungen Erwachsenen und älteren Personen. Die Gentherapie besitze daher das Potenzial, die Behandlung der Hämophilie B weiter zu verbessern, so Prof. Dr. med. Johannes Oldenburg (Bonn).

Wie Prof. Dr. med. Wolfgang Miesbach (Frankfurt/Main) erläuterte, wird bei der Gentherapie ein zusätzliches funktionelles Gen eingeführt. Bei Etranacogen Dezaparvovec verwendet man dazu ein rekombinantes, adeno-assoziiertes virales AAV5-Kapsid und die natürlich vorkommende, hoch aktive Padua-Genvariante des Faktors IX plus einen leberspezifischen Promotor. In den Hepatozyten bildet dieses Transgen ein stabiles extrachromosomales Element, das nicht ins Genom integriert. Nach therapeutischer Genexpression wird der Faktor IX synthetisiert und ins Blut sezerniert. Vorteil: nach einmaliger Injektion bildet sich ein suboptimaler gleichmäßiger Faktorspiegel, der kontinuierlich und anhaltend vor Blutungen schützt. Der AAV5-Vektor ist vergleichsweise wenig immunogen, dennoch können die Leberenzyme ansteigen. Dies muss initial engmaschig überwacht und ggf. temporär mit Steroiden behandelt werden. Bei Hämophilie B ist das zu ca. 17 % erforderlich, mit einer medianen Immunsuppression von 74 Tagen. Hinweise auf Langzeitnebenwirkungen gibt es nicht.

Langfristig stabile Faktor-IX-Aktivitäten

Die Zulassung beruht auf der HOPE-Studie, so PD Dr. med. Robert Klammroth (Berlin) mit 54 Erwachsenen, die eine einmalige Infusion von 2 x 1 013 GC (Vektorgenom)/kg erhielten. Die Blutungsraten unter Etranacogen Dezaparvovec waren vs. Prophylaxe deutlich reduziert: nach 24 Monaten die bereinigte annualisierte Blutungsrate um 64 % und die bereinigte annualisierte Gelenkblutungsrate um 80 %. Die Patienten erreichten eine langfristig stabile und dauerhafte mittlere Faktor-IX-Aktivität von 36,66 IE/dl. Fast alle Teilnehmer (96 %) konnten die Prophylaxe beenden. Das Sicherheitsprofil war günstig, dennoch ist die kurz- und langfristige Überwachung der Patienten wichtig. Einer Modellrechnung zufolge können über 80 % der mit Etranacogen Dezaparvovec Behandelten für bis zu 25,5 Jahren ohne eine Prophylaxe mit dem Faktor IX auskommen.

Online Launch-Pressekonferenz „HEMGENIX®: Erste Gentherapie für Erwachsene bei Hämophilie B“ (Veranstalter: CSL Behring GmbH), März 2023

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