Um Zyklusstörungen gezielt zu therapieren muss man sich immer wieder vor Augen führen, wie das endokrine Zusammenspiel Hypothalamus – Hypophyse – Ovarien durch andere endokrine Drüsen aus dem Takt gebracht werden kann und wie Stress und Emotionen den GnRH-Pulsgenerator beeinflussen.
Rund ein Fünftel aller Besuche in der Frauenarztpraxis gehen auf Zyklusstörungen zurück. Grundsätzlich wird zwischen zeitlichen Unregelmäßigkeiten und Störungen der Blutungsstärke unterschieden. Nicht selten tritt beides in Kombination auf. Häufig werden weitere Begleiterscheinungen beklagt, bspw. Haarausfall, Brustspannen, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen. Um gezielt diagnostische Schritte einleiten zu können, muss man sich immer wieder vor Augen führen, wie das feine Zusammenspiel zwischen Hypothalamus – Hypophyse – Ovarien durch andere endokrine Drüsen aus dem Takt gebracht werden kann (Schilddrüse, Prolaktin, Nebennieren, Fettgewebe) und wie Stress und Emotionen den GnRH-Pulsgenerator beeinflussen.
In der Abbildung ist am Beispiel der Wechseljahresbeschwerden dargestellt, wodurch der GnRH-Pulsgenerator beeinflusst wird [1]. Befinden sich Estrogen und Progesteron je nach Zyklusphase im Gleichgewicht, so wird die Hypophyse eine normale pulsatile LH-Sekretion aufweisen. Durch manifesten Progesteronmangel oder eine relative Estrogendominanz wird der GnRH-Pulsgenerator überaktiv, sodass die Hypophyse vermehrt LH sezerniert. Aus der Nähe zu den Zentren der Temperaturregulation und des Herz-Kreislauf-Systems erklären sich die vegetativen Wechseljahresbeschwerden. Der Cocktail aus Neurotransmittern kann verstärkend oder ausgleichend wirken und wird seinerseits durch Stress, Emotionen, Umweltsubstanzen und Signale aus dem Darm moduliert. Das gilt für alle Zyklusstörungen.
Im Hinblick auf die Estrogendominanz kommen verschiedene Einflüsse in Betracht:
• Progesteronmangel durch Stress, da Progesteron vermehrt in den Cortisol-Stoffwechsel eingeschleust werden muss.
• Belastung mit hormonaktiven Umweltsubstanzen (endokrine disrupting substances, EDS) aus Nahrung, Kosmetik, Hygieneartikeln, Pestiziden [2].
• Vermehrte Estron-Produktion im Bauchfett, besonders bei Adipositas.
• Pathologischer Estrogen-Metabolismus, messbar im Urin durch Estronex® (Ganzimmun), kann genetisch bedingt sein oder durch Ernährung.
In jedem Alter können eine sekundäre Amenorrhoe (letzte spontane Blutung mehr als drei Monate zurückliegend) oder eine Oligomenorrhoe (Blutungsintervalle sechs Wochen bis drei Monate) auftreten.
Bei Oligo-Amenorrhoe muss zunächst eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Dann folgt die Bestimmung von FSH, LH, Estradiol, Prolaktin, DHEAS, TSH im Serum. Weitere hormonelle Diagnostik bei der Erstuntersuchung ist nicht erforderlich. Je nach Situation und Befunden können später u. U. Hormonbelastungstests, Mikronährstoffprofile, Umweltuntersuchungen etc. erfolgen. Bei der Anamneseerhebung sollten Fragen zu Lebensstil, Berufstätigkeit, Partnerschaft und damit möglicherweise zusammenhängenden Problemen angesprochen werden. Ganz wichtig ist die Erhebung einer Ernährungsanamnese, da hier die meisten Fehler bzgl. Quantität und Qualität gemacht werden. Und ohne die richtige Versorgung mit Mikronährstoffen kann auch der Hormonstoffwechsel nicht rund laufen. Beim „Laufen“ kommt dann gleich die Frage nach mangelhafter oder übertriebener Bewegung dazu, nach regelmäßigem Aufenthalt im Freien, Stunden vor Computer und Fernseher und Handy(ab-)usus. Durch die Blaulichtemissionen der Geräte und die Mobilfunkstrahlung wird die Blut-Hirn-Schranke durchlässig für Umweltgifte und die Melatoninproduktion verändert sich.
Als Therapieansatz bei Oligo-Amenorrhoe steht in allererster Linie die Lebensstilveränderung im Vordergrund, bei der die Patientin individuell gefordert ist und meistens eine einfühlsame Betreuung benötigt. Sowohl zu viel als auch zu wenig Bewegung/Sport müssen normalisiert werden. Normalgewicht ist anzustreben. Nahrungsergänzungen können zu Beginn der Umstellung nötig sein, um das Allgemeinbefinden rasch zu bessern und den gestörten Hormonstoffwechsel zu aktivieren. Dazu gehören oft Vitamin D und B6, Zink, Magnesium und Probiotika.
Begleitend haben sich Pflanzenheilmittel (bspw. die Keuschlammfrucht bei jungen Frauen oder Traubensilberkerzenwurzelstockextrakt bei älteren) bewährt oder Medizinische Pilze (Coriolus, Shiitake und Cordyceps) sowie homöopathische Einzel- oder Komplexmittel [3]. Sehr hilfreich sind in praktisch jeder Situation spezifische manuelle Methoden, die den Energieausgleich zwischen Seele, Geist und Körper fördern, bspw. die Therapeutische Frauenmassage (TFM), die Ortho-Bionomy, die Schoßraum-Prozessbegleitung und weitere (Übersicht in [4]).
Über die Hälfte aller Frauen im gebährfähigen Alter leiden hin und wieder unter ziehenden oder krampfartigen Schmerzen im Unterbauch während der Menstruation. Aber nur etwa 20 % sind so stark betroffen, dass sie die Beschwerden therapeutisch lindern lassen wollen. Sowohl bei der primären als auch bei der sekundären Dysmenorrhoe müssen organische Ursachen ausgeschlossen werden. Dabei kann es sich bei der primären Form um Fehlbildungen oder Lageanomalien der Genitalorgane, speziell der Gebärmutter, handeln, bei der sekundären um Verwachsungen nach Entzündungen, Schwangerschaften, Operationen oder am häufigsten um eine Endometriose. Deshalb ist in den meisten Fällen eine Laparoskopie sinnvoll.
Sind organische Ursachen ausgeschlossen, so stecken hinter den Schmerzen meist erhöhte Prostaglandinspiegel, hervorgerufen durch eine relative Estrogendominanz und Mikronährstoffmangel. Normalerweise lassen sich durch eine gezielte Ernährungs- und Lebensstilanamnese ohne weitere Labordiagnostik Hinweise für das individuelle therapeutische Vorgehen finden.
Wer gerne herkömmlich mit Hormonen arbeiten will, kann bioidentisches Progesteron einsetzen. Vaginale Zäpfchen mit bioidentischem Progesteron werden gut vertragen und können ab etwa fünf Tagen vor Beginn der Blutung morgens und abends eingelegt werden. Die orale Gabe wäre auch ab dem 15. Zyklustag denkbar und gewährleistet den Endometrium-Schutz.
Für die Ursachen-orientierte Therapie spielt die Lebensstilveränderung eine wichtige Rolle. Sportliche Frauen leiden seltener unter einer Dysmenorrhoe als unsportliche. Eine Ernährung reich an Obst und Gemüse sorgt für genügend Antioxidantien. Gleichzeitig wird durch eine Zunahme der Ballaststoffe die Ausscheidung von Estrogen-Abbauprodukten über den Darm gefördert, was zur Normalisierung der relativen Estrogendominanz beiträgt. Reduktion von tierischem Fett und Eiweiß senkt die Spiegel der schmerzauslösenden Prostaglandine.
Verzicht auf Kaffee, Cola und Alkohol wirken sich positiv aus. Nahrungsergänzungen können anfangs eine große Hilfe sein. B-Vitamine und Magnesium wirken hormonell ausgleichend und entkrampfend. Vitamin D normalisiert die Ansprechbarkeit der Zellen auf Estrogen und Progesteron. Omega-3-Fettsäuren aus Fisch- oder Algenöl mit dem schmerzhemmenden EPA sollten immer mit 2 g/Tag verabreicht werden.
Krampflösende und schmerzstillende Phytotherapeutika sind breit einsetzbar. Viele Patientinnen trinken gerne einen selbstgebrauten Tee aus 30 g Kamillenblüten, 20 g Schafgarbenblüten, 20 g Melissenblättern, 20 g Gänsefingerkraut und 10 g Fenchelfrüchten. Von den Schüßlersalzen ist die „Heiße 7“ bekannt: 5 Tabletten Magnesium phosphoricum D6 (Nr. 7) in heißem Wasser auflösen und alle 5 Minuten einen Schluck trinken. Das Schüßlersalz wird am besten in Kombination mit Magnesiummalat genommen, das durch die Bindung von Magnesium an die Apfelsäure stimmungsaufhellend und schmerzstillend wirkt.
Einzel- und Komplexmittel-Homöopathie, Akupunktur und spezifische manuelle Methoden (s. o.) sind geeignet, dauerhafte Schmerzfreiheit bei der Menstruation zu erreichen.
Fast jede Frau bekommt irgendwann einmal dieses Syndrom zu spüren. Es handelt sich um ein buntes Bild von körperlichen und psychischen Symptomen, die in der zweiten Zyklushälfte auftreten und mit Eintritt der Menstruation verschwinden. Die Häufigkeit nimmt ab 30 Jahren zu, jedoch sind nur 5 % der Frauen so stark betroffen, dass sie medizinische Hilfe brauchen. Viele Ursachen können eine Rolle spielen: Mangel an Mikronährstoffen durch Fehlernährung und kranken Darm (Fehlbesiedlung und Schleimhautveränderungen), Umweltbelastungen, mangelnde Bewegung, übermäßiger Stress und seelische Belastungen, Schlafmangel. In der Regel kann eine Estrogendominanz mit relativem oder absolutem Progesteronmangel nachgewiesen werden.
Erster Schritt beim diagnostischen Vorgehen ist es, die Patientin anzuleiten, eine Basaltemperaturkurve zu führen und die Beschwerden darin einzutragen. Am fünften Tag der Hyperthermie oder bei Einsetzen der Symptome folgen die Bestimmung von Progesteron und Estradiol im Serum, eventuell gleich zusätzlich von Prolaktin und TSH. Wie bei den obigen Zyklusstörungen beschrieben, ist auch bei diesem Krankheitsbild die ausführliche Anamnese zum Lebensstil und der Ernährung zielführend.
Naturidentisches Progesteron in der zweiten Zyklushälfte lindert häufig typische prämenstruelle Beschwerden, besonders wenn es sich um einen absoluten Progesteronmangel handelt.
Durch eine Ernährungsumstellung können viele Symptome behoben werden. Wichtig sind: Reduktion von Milchprodukten und einfachen Kohlenhydraten. Verzicht auf Kaffee, Schwarztee und Alkohol in der zweiten Zyklushälfte, Aufnahme von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren (in Distel-, Nachtkerzen-, Lein- und Borretschsamen- sowie Fisch- oder Algenöl), sowie Steigerung des Nahrungsanteils an Vollkorngetreiden und Gemüse. An Nahrungsergänzungen kommen Vitamin E und B6, Magnesium, Vitamin D, Jod und Omega-3-Fettsäuren infrage. Bonasanit plus ist ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und vereint sieben PMS-Therapieansätze, bei denen wichtige Mikronährstoffe mit drei spezifischen Heilpflanzen kombiniert sind. Es wird kontinuierlich über mindestens drei Monate eingenommen.
Aus der Phytotherapie sind Produkte mit Keuschlammfrucht und/oder Frauenmantel am bedeutsamsten, aus der Mykotherapie Coriolus, Reishi und Cordyceps. Die Apitherapie (bspw. frisches, zu 100 % naturreines Gelée Royale oder BIOBEE Boisson Royale) greift tief in den Zell- und Hormonstoffwechsel ein, wovon besonders schwere Fälle profitieren. Sowohl Sport als auch Entspannungsmethoden lindern prämenstruelle Beschwerden.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard
Albert-Überle-Str. 11
69120 Heidelberg
www.netzwerk-frauengesundheit.com
Bei fast allen Beschwerden gibt es neben den klassischen Medikamenten und Methoden der Schulmedizin auch verschiedene alternative Wege. Prof. Ingrid Gerhard hat sich zum Ziel gesetzt, beide Seiten gleichermaßen zu beleuchten. Das Buch „Frauengesundheit“ spricht wissenschaftlich fundiert und praxisbezogen ein breites Spektrum von Themen an – Anwenderwissen für ganzheitlich denkende Patientinnen und ihre Frauenärzte.
In den Seminaren „Jede Frau ist anders – Naturheilkunde zur Frauengesundheit“ bietet die Autorin zusammen mit Fachreferenten Einblicke in die Welt der natürlichen Prävention. Im Anschluss an das Seminar besteht die Möglichkeit, im Zuge einer MC-Prüfung das Zertifikat „Naturheilkunde zur Frauengesundheit“ zu erwerben. Weitere Informationen zum Seminar und zur Anmeldung erhalten Sie per E-Mail:
mail@eisbaerapotheke.de
Termine 2021, in Karlsruhe:
Herbst-Workshop: 15.–16. Oktober 2021
Termine 2022, in Karlsruhe:
Frühjahrs-Workshop: 13.–14. Mai 2022
Herbst-Workshop: 14.–15. Oktober 2022
Ingrid Gerhard:
Frauengesundheit
384 Seiten, 3. Auflage 2020, Trias Verlag 978-3-432-10593-2 (ISBN), 24,99 Euro
FAZIT:
Zyklusstörungen sind zwar hormonell bedingt, jedoch liegen die eigentlichen Ursachen im Lebensstil der Frau und psychosozialen Herausforderungen. Durch Ursachenforschung, individuelle Anleitung und Anwendung verschiedener naturheilkundlicher Verfahren ist dauerhafte Heilung möglich.
1 Wuttke W et al., Gynäkologe 2015; 48: 12–19
2 Gerhard I et al., Privatarzt Gynäkol 2019; 10(4): 44–45
3 Gerhard I, OM und Ernährung 2020; 170: 7
4 Gerhard I, Frauengesundheit. Trias im Thieme Verlag, Stuttgart 2020: 384
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