Die Fertilität von Paaren kann durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Naturheilkundliche Ansätze umfassen eine breite Palette von Therapien, die von Ernährungsumstellungen und Mikronährstoffergänzungen bis hin zu traditionellen Heilmethoden wie der TCM und Phytomedizin reichen.
Die Fertilität wird durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, darunter genetische, hormonelle, anatomische und umweltbedingte Aspekte. Reproduktionsmediziner und Paare mit Kinderwunsch stehen daher vor vielfältigen Herausforderungen. Neben den etablierten schulmedizinischen Behandlungsmethoden rückt zunehmend die Bedeutung naturheilkundlicher Ansätze in den Fokus. Diese integrativen Therapieformen bieten eine ganzheitliche Perspektive, die sowohl physische als auch umweltbedingte und psychosoziale Faktoren berücksichtigt.
Diagnostik
Die Diagnostik spielt eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung von Fertilitätsproblemen. Zur Basisdiagnostik gehören die Anamnese inkl. Ernährungsgewohnheiten, Umweltbelastungen und Lebensstilfaktoren. Studien zeigen, dass Faktoren wie Stress, Schlafmuster und Ernährungszustand die reproduktive Gesundheit beeinflussen können. Dokumentiert werden Hormone im Blut, Basaltemperaturkurve, Schilddrüsendiagnostik und Tubendiagnostik. Eine zahnärztliche Untersuchung (Parodontitis, tote Zähne?) kann helfen, eine der wichtigsten Quellen für stille Entzündungen zu identifizieren bzw. auszuschließen. Auf Seiten des Mannes sollte ein Spermiogramm erstellt werden, und darüber hinaus gibt der Sims-Huhner-Test gute Hinweise zur Beurteilung der männlichen Zeugungsfähigkeit.
Studien zeigen, dass Stress, Schlaf und Ernährungszustand die reproduktive Gesundheit beeinflussen können.
Zu den fakulativen Messungen gehören Umweltgifte und Vitalstoff-Screening im Blut, Schwermetalle im Blut und im Urin, Entzündungsparameter, der HOMA-Index zur Abschätzung der endogenen Insulinresistenz und Homocystein. Eine Mikrobiom-/Stuhluntersuchung kann Aufschlüsse über die Besiedlung geben, was wieder Rückschlüsse auf die Fertilität zulässt.
Beratung
Paare sollten wissen: Der Weg zum Wunschkind ist in der Regel kein kurzer Sprint, sondern eher ein Marathon. Den man entsprechend planen und vorbereiten muss. Generell gilt: Bei unerfülltem Kinderwunsch Schritt B nicht vor Schritt A machen. Bevor man einem Paar zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen rät, ist es immer angebracht, abzuklären, ob Umweltbelastungen oder Mikronährstoffmängel vorliegen.
Beispiel Umweltgifte: Die Exposition gegenüber bestimmten Umweltchemikalien ist mit einer Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit verbunden. Endokrin wirksame Substanzen, wie sie in Kunststoffen und Pestiziden vorkommen, können hormonelle Ungleichgewichte verursachen, die sich negativ auf die Fertilität auswirken. Eine Reduzierung der Exposition kann daher ein wichtiger Schritt sein.
Um ein möglichst gesundes Baby zu bekommen, kann es durchaus sinnvoll sein, der aktiven Kinderwunschtherapie eine Phase der Entgiftung vorauszuschicken. Dazu gehören folgende Maßnahmen: Plastikgefäße durch Glas ersetzen, einen eigenen Wasserfilter, Elektrosmog reduzieren, Räume „giftfrei“ halten und umweltfreundliche Produkte benutzen, z. B. bei Waschmitteln und Kosmetik.
Neben diesen „Hintergrundmaßnahmen“ können Paare das Thema Detoxifikation auch ganz aktiv angehen. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt, um mit dem Rauchen aufzuhören, denn es braucht eine ganze Zeit, bis sich der Körper von den Giftstoffen befreit hat. Der Alkoholkonsum sollte runtergeschraubt oder besser ganz abgestellt werden, da er die antioxidative Kapazität der Zellen überfordern kann. Beschleunigen kann man den Prozess beispielsweise durch eine Fastenkur, eine Kräuterteekur, eine unterstützende Behandlung der Leber- und Darmfunktion. Es ist ideal, wenn sich das Paar gemeinsam zu solch einer Kur entschließt.
Ernährung
Eine ausgewogene Ernährung, reich an Vitaminen und Mineralstoffen, ist für die reproduktive Gesundheit von großer Bedeutung. Mindestens 3 Monate vor der Konzeption sollte die Ernährung überdacht und optimiert werden. Untergewichtige Frauen sollten zur Gewichtszunahme motiviert werden, denn nur bei einem optimalen Fettanteil kann mit guten Ovulationen und einer ungestörten Schwangerschaft gerechnet werden.
Umgekehrt sollten übergewichtige Frauen abnehmen, um ihre Konzeptionswahrscheinlichkeit zu verbessern. Übergewichtige und adipöse Frauen sollten allerdings keine Crash-Kuren machen, um rasch schwanger zu werden. Unsere Erfahrungen zeigen, dass durch eine optimierte Ernährung, die automatisch zu einer verbesserten Stoffwechselfunktion und einem langsamen Gewichtsverlust führt, ihre Prognose auf einen spontanen Schwangerschaftseintritt deutlich erhöht wird. Schon eine Gewichtsabnahme von 5 % kann reichen.
Bei der Beratung zur Ernährung unbedingt auch die Männer mit einladen. Übergewichtige und adipöse Männer haben ein schlechteres Spermiogramm als normalgewichtige. Allein durch Lifestyle-Veränderungen und Verbesserung der Ernährung lässt sich die Anzahl mobiler Spermien erhöhen. Die Ernährung sollte pflanzenbetont sein, mit einem hohen Anteil an komplexen Kohlenhydraten (Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst), bevorzugt aus regionalem Anbau und biozertifiziert.
Mikronährstoffe
Mikronährstoffe spielen selbst in der Schulmedizin eine Schlüsselrolle. Durch niedrigere Dosierung und Kombinationswirkungen sind sie ungefährlich und praktisch. Die Studienlage ist heterogen, was Design und Auswahl der Produkte angeht, aber immer zeichnet sich eine verbesserte Embryonalentwicklung oder sogar Schwangerschaftsrate ab – auch bei IVF. Trotzdem ist eine Labordiagnostik im Vorfeld sinnvoll, bspw. bei Vitamin D.
Wichtige Mikronährstoffe wie Folsäure, Vitamin D, Eisen und Jod werden ungenügend durch die Ernährung aufgenommen. Da viele Mikronährstoffe in verschiedenen Phasen benötigt werden (Abb.), sollte mit der Supplementierung früh begonnen werden. Die Empfehlung für Frauen bei Kinderwunsch und mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels lautet mindestens 400 µg Folsäure/Tag. Bei der Planung einer Schwangerschaft sollte mit der Folsäureprophylaxe generell bereits vor der Schwangerschaft begonnen werden.
Eine Unterversorgung mit Vitamin D hat sowohl Konsequenzen für die Schwangere als auch für die Entwicklung des Fetus. Um einen ausreichenden Vitamin-D-Spiegel zu erreichen, wird von der DGE eine Supplementation von 600 bis 800 IE pro Tag für alle Schwangeren empfohlen. Orthomolekularmediziner empfehlen bis 3 500 IE. Eine Schwangerschaft führt zu einem vergleichsweise hohen Nettoverlust von 600 bis 700 mg Eisen, was besonders bei bereits bestehender Unterversorgung kritisch werden kann. Etwa 25 % aller Schwangeren in Europa haben einen Eisenmangel, der Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht begünstigt.
Bis zur 20. Woche ist der Fetus vollständig von mütterlichem Thyroxin abhängig. Dies erfordert eine um 50 % höhere Aktivität der mütterlichen Schilddrüse und höhere Jodversorgung. In Deutschland wird Schwangeren eine zusätzliche Jodeinnahme von 100 bis 200 μg täglich empfohlen. Cholin spielt eine wichtige Rolle im Homocysteinstoffwechsel und trägt zur Aufrechterhaltung von Leberfunktion und Fettstoffwechsel bei. Die Bedeutung der Omega-3-Fettsäuren wird gerne unterschätzt. Durch Supplementierung können Präeklampsien und Frühgeburten verhindert und die perinatale Mortalität reduziert werden. Wichtig erscheint eine ausreichend hohe Dosierung von EPA und DHA (angepasst an Lebensstil, Ernährung, Blutwerte) und ein früher Beginn bereits bei Kinderwunsch.
TCA und Phytomedizin
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bietet verschiedene Ansätze zur Behandlung von Fertilitätsproblemen, darunter Akupunktur und Kräutertherapie. Studien zur Akupunktur zeigen vielversprechende Ergebnisse.
Ohrakupunktur kann bei Amenorrhoe, Zyklusstörung, Gewichtsabnahme und PCO helfen, und somit die Fertilität verbessern. Für Körperakupunktur gibt es Hinweise sowohl bei Anstreben einer spontanen Schwangerschaft als auch in Begleitung von IVF-Maßnahmen. Allerdings ist die harte Evidenz aufgrund der unterschiedlichen Designs und Vorgehensweisen auch hier gering.
Pflanzliche Heilmittel können ebenfalls zur Unterstützung der Fertilität eingesetzt werden. Kräuter wie Vitex agnus-castus (Mönchspfeffer) und Storchenschnabel haben in Studien positive Effekte auf hormonelle Gleichgewichte gezeigt und könnten bei der Regulierung des Menstruationszyklus helfen.
Naturheilkundliche Ansätze bieten eine wertvolle Ergänzung zur konventionellen Medizin bei der Behandlung von unerfülltem Kinderwunsch. Eine ganzheitliche Betrachtung, die Ernährung, Lebensstil und umweltbedingte Faktoren einbezieht, kann die Fertilitätschancen verbessern. Die behandelten Paare müssen aber wissen: Der Weg zum Wunschkind ist in der Regel kein kurzer Sprint, sondern eher ein Marathon. Den man entsprechend planen und vorbereiten muss.
Die Autorin
Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard
Albert-Überle-Straße 11
69120 Heidelberg
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