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Fokus Naturmedizin

Nahrungsergänzung

Mikronährstoff-Defizite durch Pille gezielt ausgleichen

Prof. Dr. med. Ingrid Gerhard

29.8.2022

Durch die synthetischen Estrogene und Gestagene in oralen Kontrazeptiva kann es zu einem Mangel an verschiedenen Mikronährstoffen kommen. Diese Defizite können einige der Nebenwirkungen erklären, die besonders ausgeprägt bei HPU auftreten können. Kompensation ist durch eine gezielte Substitution möglich.

Wie alle hormonhaltigen Arzneimittel können auch orale Kontrazeptiva vielfältige Nebenwirkungen verursachen. Die klassischen UAW wie Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen oder ein, je nach eingesetztem Hormon, erhöhtes Thromboserisiko sind bekannt und werden in der Beratung mit den ­Patientinnen besprochen. Viel seltener wird allerdings darauf hingewiesen, dass die Pille auch den Vitamin- und Mineralstoffhaushalt des weiblichen Körpers aus dem Gleichgewicht bringen kann.

Risikofaktor Homocystein bei Vitamin-B-Mangel

In einer Studie an 90 gesunden jungen Frauen hatten diejenigen, die orale Kontrazeptiva einnahmen, einen signifikant erhöhten Homocysteinspiegel im Blut gegenüber den Frauen, die keine oralen Kontrazeptiva einnahmen (13,2 vs. 7,3 μmol/l). Homocystein ist ein Stoffwechselprodukt, das im menschlichen Körper natürlich vorkommt, in höheren Konzentrationen jedoch zytotoxisch ist.

Ein erhöhter Homocysteinspiegel kann im Gehirn zu Stoffwechselstörungen führen. Daraus können Konzentrationsstörungen resultieren, auch das Risiko, an Depressionen oder Demenz zu erkranken, steigt. Durch einen erhöhten Homocysteinspiegel kann es ferner zu einer Abnahme der Knochendichte kommen und das Schlaganfallrisiko steigt durch inflammatorische Prozesse an den Gefäßwänden.

Zusammen mit den Vitaminen B2, B6 und B12 ist Folsäure das wichtigste B-Vitamin, um Homocystein zu entgiften. In einer Reihe von Studien wurde jedoch beobachtet, dass orale Kontrazeptiva den Haushalt und Stoffwechsel gerade von Vitaminen und Mineralstoffen beeinträchtigen können.

Die Blutspiegel von Folsäure, Vitamin B2, Vitamin B6, Vitamin B12 und Vitamin C sowie an Magnesium und Zink waren in der Studie auffällig verringert. Dieser Mangel kann zu einem Anstieg des gefäß- und nervenschädigenden Homocysteins beitragen. Auch der Stoffwechsel der antioxidativen Vitamine C und E kann durch orale Kontrazeptiva gestört werden. ­Orale Kontrazeptiva können zudem Störungen im Magnesiumhaushalt auslösen. Als Co-Faktor von mehr als 600 Enzymen spielt Magnesium eine zentrale Rolle im gesamten Stoffwechsel. Es wirkt antithrombotisch, indem es die Fließeigenschaften des Blutes verbessert. Last but not least kann die Aufnahme und ­Verwertung der Spurenelemente Selen und Zink durch orale Kontrazeptiva beeinträchtigt werden.

Den Mangel kompensieren

Die tägliche Einnahme eines physiologisch dosierten Vitamin-B-Präparats (0,2–0,4 mg Folsäure, 5–20 μg Vitamin B12 und 5–10 mg Vitamin B6) kann den ­Mangel weitgehend ausgleichen. Bei der Wahl der Folsäure-Komponente empfiehlt es sich, ein Präparat mit der vom Körper direkt verwertbaren stoffwechselaktiven Folsäure zu wählen. 5-Methyl-Tetrahydrofolat ist enzymunabhängig direkt wirksam und weist im Vergleich zur normalen Folsäure auch eine ­höhere Bioverfügbarkeit auf. Mittlerweile sind Fixkombinationen im Handel, welche die Nährstoffdefizite, die bei der Einnahme der Pille auftreten können, gezielt ausgleichen (z. B. „Pille-Komplex“ mit u. a. den aktiven Formen von B6, B12 und Folsäure).

Die Aufnahme und Verwertung verschiedener Spurenelemente kann beeinträchtigt sein


Schwanger nach der Pille

Frauen mit Kinderwunsch sollten deutlich darauf hingewiesen werden, dass sie nach Möglichkeit nicht gleich nach Absetzen der Pille schwanger werden sollten, da sie im Bereich der Mikronährstoffe defizitär sein könnten. Es wird deshalb empfohlen, mindestens drei Monate die Mikronährstoffspeicher aufzufüllen. Dabei hilft eine vorwiegend pflanzliche und gleichzeitig abwechslungsreiche Ernährung. Sie ist reich an Vital- und Mineralstoffen, sollte zu etwa 70 % aus Gemüse, Obst, Kräutern und Sprossen bestehen und zu 30 % aus kohlenhydrat- und proteinreicherem Getreide, Pseudogetreide, Hülsenfrüchten, mageren Milchprodukten und – wenn gewünscht – hochwertigem Fleisch und Fisch.

Verzehrstudien zeigen aber, dass wichtige Mikronährstoffe wie Folsäure, Vitamin D, Eisen und Jod bei vielen jungen Frauen ungenügend durch die ­Ernährung aufgenommen werden. Da die einzelnen Mikronährstoffe in verschiedenen Phasen der Entwicklung des Kindes benötigt werden, ist es sinnvoll, mit einer Supplementierung dieser Substanzen bereits bei Kinderwunsch zu beginnen.

Auch Cholin spielt eine wichtige Rolle im Homocysteinstoffwechsel und trägt zur Aufrechterhaltung von Leberfunktion und Fettstoffwechsel bei. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) betont, dass der Cholinbedarf während der Schwangerschaft bzw. Stillzeit um 20–30 % erhöht ist, und dieser erhöhte Bedarf kann nicht allein durch die körpereigene Produktion gedeckt werden.

Von den Spurenelementen stehen Calcium und Zink im Fokus. Ist die Zufuhr nicht adäquat, so kommt es bei der Mutter zu einer Abnahme der Knochendichte und beim Fetus zu Wachstumsstörungen sowie niedrigem Geburtsgewicht. Zink ist für fetales Wachstum und die postnatale Entwicklung besonders wichtig.

Durch Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren können Präeklampsien und Frühgeburten verhindert und die perinatale Mortalität reduziert werden. ­Wichtig erscheint vor allem eine ausreichend hohe Dosierung von Eicosapentaensäure (EPA) und Docosa­hexaensäure (DHA) bereits bei Kinderwunsch. Besonders erfolgreich bzgl. der kindlichen Entwicklung ist die Supplementierung bei allergischer ­Disposition in der Familie (> Allergie).

Hämopyrrollaktamurie

Es könnte sein, dass die Frauen am meisten Probleme mit der Pille haben, bei denen die angeborene Störung der Hämopyrrollaktamurie (HPU) besteht, die familiär gehäuft auftritt und genetisch bedingt ist. Ein Hinweis auf das Vorliegen einer HPU in der Familie könnte beispielsweise sein, dass die Mutter von einer Schilddrüsenerkrankung oder einer psychischen Problematik betroffen ist.

Dabei soll es zu einer Störung bei der Bildung von Häm kommen, neben „richtigem“ Häm entsteht auch eine gewisse Menge „falsches“ Häm, das sich fehlgefaltet im Körper ablagert. Bei der renalen Ausscheidung gehen dann Vitamin B6 und Zink, teilweise auch an Mangan, verloren. Man schätzt, dass 10 % aller Frauen von der HPU betroffen sein könnten, dagegen nur etwa 1 % der Männer. Betroffene ­Patientinnen sind in einer permanenten B6-Mangelsituation und können supplementiertes B6 in Pillen nicht in die aktive Form umwandeln. Außerdem benötigen sie dazu neben Zink auch ­Mangan. Wenn Probleme unter Substitution weiterbestehen, sollte auf HPU untersucht werden.

Schwermetalle können Gen- und Enzymdefekte verursachen und an der Entstehung von HPU beteiligt sein. Umgekehrt kann HPU durch eine Verminderung der körpereigenen Entgiftungsleistung zur Anhäufung von Schwermetallen und anderen toxischen Stoffen im Körper führen. So blockieren Schwermetalle und HPU gemeinsam die Detoxifikation. In der Praxis ist es entscheidend, eine zuverlässige Diagnostik der HPU durchzuführen und diese mit den fehlenden Mikronährstoffen zu therapieren.

Patientinnen sind in einer permanenten B6-Mangelsituation.


Wurden früher toxische Belastungen anhand von Pyrrolverbindungen im Urin nachgewiesen, existieren seit rund 20 Jahren sehr viel genauere HPU-Tests. Hier werden ganz spezifische HPL-Komplexe (Hydroxy­hämopyrrol-2-1) gemessen, die nur und ausschließlich bei HPU gebildet werden.

Vorteil dieses Testverfahrens ist, dass auch sogenannte Abendausscheider mithilfe des 24-Stunden-Urins gefunden werden können. Bei ihnen kommt es – bedingt durch den bestehenden Mangel an ­Mikronährstoffen – erst durch die mit der Hauptmahlzeit aufgenommenen kleinen Mengen Zink und Vitamin B6 zu einem kurzfristigen Ausscheiden der HPL-Komplexe etwa zwei Stunden nach dem Essen.

Therapiert wird die HPU ausschließlich mit Mikronährstoffen, also Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Solche Patientinnen benötigen einen Vitamin-B-Komplex mit aktivierten Substanzen, allen voran die aktive Form des Vitamins B6 (P5P) mit ca. 50 mg pro Tag für einen Erwachsenen, zusätzlich Zink und bei Mangel auch Mangan, z. B. als B-Life Protect. Die Erfahrung in der Praxis zeigt immer wieder, wie wichtig es ist, das aktive Vitamin B6 zu verwenden und nicht die inaktive Form. Auch die weiteren Vitamine der B-Familie sollten supplementiert werden, zusätzlich zu weiteren Mikronährstoffen, die im Mangel sind. Beim HPU-Patienten liegen oft Defizite von zahlreichen Mikronährstoffen vor.


Der Krankheitswert der Hämopyrrollaktamurie ist in der wissenschaftlichen Literatur durchaus umstritten. In der klassischen Schulmedizin wird sie auch als „Pseudokrankheit“ deklariert. Das wird damit begründet, dass es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür gibt, dass die Ausscheidung von Hämopyrrollaktam mit einer Depletion von Vitamin B6 und Zink einhergeht und dass kein konkreter Gendefekt benannt wird. Umgekehrt beschreiben viele Kasuistiken, dass durch die Behandlung mit Mikronährstoffen eine Besserung der geschilderten Probleme erreicht werden kann. Wie immer sollte auch hier gelten: Wer heilt hat Recht.

Die Autorin Prof Dr med Ingrif Bergmann, Naturheilkunde zur Frauengesundheit Herbst-Workshops

Bildnachweis: privat

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