Die Schulmedizin kennt zahlreiche Behandlungsmethoden gegen Fertilisationsstörungen. Und auch die Alternativmedizin bietet evidenzbasierte Lösungsansätze, und häufig ist es die Kombination aus beiden Denkansätzen, die den Kinderwunsch der Patientinnen am ehesten erfüllt.
Alleine in den USA sind 1,2 Millionen Frauen unfruchtbar, weltweit ist jedes sechste Paar unfähig, eigene Kinder zu bekommen.[1,2] Betroffene Frauen können auf eine große Bandbreite an Behandlungsmöglichkeiten setzen, wobei sich alternative medizinische Ansätze einer wachsenden Popularität erfreuen. Gefragt sind hierbei vor allem Konzepte aus der fernöstlichen Medizin. Park et al. (2010) analysierten in diesem Zusammenhang die Bandbreite der asiatischen Medizin zur Therapie von Fruchtbarkeitsstörungen bei Frauen. 104 Frauen mit ungeklärter Unfruchtbarkeit wurden in die Beobachtungsstudie eingeschlossen. Das Durchschnittsalter der Teilnehmerinnen betrug 32 Jahre, die Spanne reichte dabei von 26 bis 41 Jahre. Die mediane Dauer der Infertilität nach der Diagnose betrug zum Studienzeitpunkt 33,5 Wochen (Interquartilbereich: 20,8–50,3). Zur Anwendung kamen traditionelle Verfahren wie Kräutermischungen, Akupunktur und Moxibustion, die im Zeitraum zwischen Februar 2005 und April 2006 abgeschlossen wurden. Insgesamt konnten im sechsmonatigen Studienzeitraum 14 Studienteilnehmerinnen schwanger werden. Sechs Teilnehmerinnen (4,8 %) berichteten über geringfügige Nebenwirkungen wie Hautausschlag (n = 1), Durchfall (n = 2), Schwindel (n = 1) und Sodbrennen (n = 2). Von den 14 Schwangerschaften gab es zehn normale Geburten und vier Fehlgeburten; ansonsten trat keine neonatale Morbidität/Mortalität auf.[1] Diese Ergebnisse liefern Hinweise für die erfolgreiche Anwendung alternativer Behandlungsmethoden in Zusammenhang mit einer Fruchtbarkeitsstörung.
In hohem Maße studienvalidiert sind kräutermedizinische Ansätze auf Basis der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) gegen eine Unfruchtbarkeit bei Frauen. In einer systematischen Studienanalyse verglichen Ried et al. (2010) acht randomisierte kontrollierte Studien, 13 Kohortenstudien, drei Fallserien und sechs Fallstudien mit insgesamt 1.851 Frauen mit Unfruchtbarkeit.[3] Die Metaanalyse bestätigte eine 3,5-fach höhere Schwangerschaftswahrscheinlichkeit bei jenen Frauen, die über einen Zeitraum von vier Monaten mit der traditionellen chinesischen Kräutermedizin (CHM) behandelt wurden im Vergleich mit jenen Frauen, die mit westlichen Ansätzen (WM) oder In-vitro-Fertilisation (IVF) therapiert wurden (Odds Ratio = 3,5; 95 %-KI: 2,3–5,2; p
Eine Update mit 40 randomisierten kontrollierten Studien und über 4.000 Teilnehmerinnen kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.4 Die Behandlung mit CHM resultierte in einer 1,74-fach höheren Schwangerschaftswahrscheinlichkeit als westliche Ansätze (Risiko-Verhältnis 1,74; 95 %-KI: 1,56–1,94; p
Ebenfalls der TCM entstammt die Akupunktur. In einigen Studien konnten in diesem Zusammenhang Hinweise auf eine Fruchtbarkeitsfördernde Wirkung dieser Methode herausgestellt werden. So vermag die Akupunktur den Eisprung zu optimieren, was unter anderem auf eine verbesserte Durchblutung und eine Anregung des Stoffwechsels im Ovar zurückzuführen ist. Ebenso moduliert die Akupunktur das ovarielle neuroendokrine und endokrine System. Darüber hinaus existieren Hinweise, dass die Behandlung mit Nadeln zu einer gesteigerten Erfolgsrate im Rahmen der In-vitro-Fertilisation mit Embryonentransfer (IVF-ET) führt. Wissenschaftler führen dies ebenfalls auf eine Steigerung der Uterusdurchblutung bei gleichzeitiger Hemmung der Uterusmotilität zurück. Weiterhin günstig wirkt sich die angst-, depressions- und stresslösende sowie immunmodulierende Wirkung der Akupunktur aus.[6] Im Rahmen eines Embryonentransfers (ET) gibt es zudem Hinweise darauf, dass die Akupunktur dann den größten Vorteil bringt, wenn sie am selben Tag wie der ET durchgeführt wird. Ein Nutzen ist auch dann nachgewiesen, wenn die Akupunktur bei weiblicher Unfruchtbarkeit aufgrund des polyzystischen Ovarsyndroms (PCOS) durchgeführt wird. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sich die Akupunktur auch positiv auf die Qualität der Spermien beim Mann auswirken kann.[7]
Auch Phytoestrogene spielen eine Rolle in der Reproduktionsmedizin, da sie unterstützend zur konventionellen fruchtbarkeitsfördernden Therapie eingesetzt werden können. Die Rolle der Phytoestrogene von Cimicifuga racemosa wurde in der Studie von Shahin et al. (2008) untersucht. Der pflanzliche Inhaltsstoff diente hierbei als phytotherapeutische Unterstützungsbehandlung zu einer Applikation von Clomifencitrat. 119 Patientinnen mit Infertilität unklarer Genese und Clomifencitrat-Induktionsversagen wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Die Studienteilnehmerinnen beider Gruppen erhielten von Zyklustag drei bis sieben täglich 150 mg Clomifencitrat. Gruppe I erhielt zusätzliches oral verabreichtes Phytoestrogen (Cimicifuga racemosa) in einer Dosierung von 120 mg pro Tag vom ersten bis zwölften Tag. Zusätzlich wurde jeder Patientin eine Injektion mit 10.000 I.E. humanem Choriongonadotropin (HCG) verabreicht und ein zeitlich abgestimmter Geschlechtsverkehr empfohlen, sobald ein Follikel die Größe von 17 mm erreichte und die Konzentration des Serumestradiols einen Wert von 200 pg/ml überschritt. Im Ergebnis zeigte sich eine nicht signifikante Verkürzung der Induktionszyklen in Gruppe I. Die Konzentrationen von Estradiol und LH waren in Gruppe I höher als in Gruppe II. Endometriumdicke, Serumprogesteron und klinische Schwangerschaftsrate waren in Gruppe I signifikant höher (8,9 ± 1,4 mm gegenüber 7,5 ± 1,3 mm, p
Ein ebenfalls bekannter Vertreter in der Phytotherapie weiblicher Fertilitätsstörungen ist der Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus), insbesondere im anglo-amerikanischen und europäischen Kulturraum. In einer systematischen Studienanalyse von van Die et al. (2013) wurde die Evidenz für die Wirksamkeit und Sicherheit von Vitex-Extrakten aus den Ergebnissen von acht randomisierten kontrollierten Studien zusammengetragen. Die Studienteilnehmerinnen litten unter verschiedenen Fertilitätsstörungen infolge des prämenstruellen Syndroms (PMS), einer prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS) oder einer latenten Hyperprolaktinämie. Für das prämenstruelle Syndrom zeigten sieben von acht Studien, dass Vitex-Extrakte sowohl einem Placebo als auch Pyridoxin und Magnesiumoxid überlegen waren. Bei latenter Hyperprolaktinämie zeigten sich die Vitex-Extrakte gegenüber einem Placebo effektiver in der Senkung der TRH-stimulierten Prolaktinsekretion, der Normalisierung einer verkürzten Lutealphase und der Erhöhung des lutealen Progesteron- und 17ß-Estradiolspiegels. Im Rahmen des prämenstruellen dysphorischen Syndroms zeigte sich Vitex agnus-castus in einer Studie Fluoxetin ebenbürtig, in einer anderen Untersuchung war das SSRI dem Pflanzenstoff jedoch überlegen. Dennoch deuten die Ergebnisse insgesamt darauf hin, dass Vitex-Präparate vorteilhaft für Frauen mit Unfruchtbarkeit sein können.[9]
Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass auch Vitamin D eine wichtige Rolle bei menschlichen Reproduktionsprozessen spielt und ein Mangel im Umkehrschluss mit Fruchtbarkeitsstörungen einherzugehen vermag. Ein Zusammenhang mit Vitamin D sehen Dabrowski et al. (2015) unter anderem bei Fruchtbarkeitsdefiziten als Folge eines polyzystischen Ovarsyndroms, Uterusmyomen und der IVF. Für beide Geschlechter wird somit empfohlen, eine Vitamin-D-Supplementierung in die Infertilitätsbehandlung zu integrieren. So gilt eine Schwangerschaft bei all jenen Frauen als wahrscheinlicher, die eine Vitamin-D-Serumkonzentration von mehr als 50 nmol/l aufweisen. Eine Vitamin-D-Substitution wird bei all jenen Patientinnen empfohlen, die einen erheblichen Mangel aufweisen und darüber hinaus stark adipös und insulinresistent sind und über einen sehr geringen Gehalt an AMH verfügen. Eine Aufnahme von bis zu 10.000 I.E. täglich ist ohne nennenswerte Nebenwirkungen möglich.[10]
[1] Park JJ et al., J Altern Complement Med 2010; 16: 193–198
[2] European Society of Human Reproduction and Embryology (ESHRE) https://fertila.de/unfruchtbarkeit-in-europa/
[3] Ried K et al., Complement Ther Med 2011; 19: 319–331
[4] Ried K, Complement Ther Med 2015; 23: 116–128
[5] Tan L et al., J Altern Complement Med 2012; 18: 1087–1100
[6] Huang DM et al., Chin J Integr Med 2011; 17: 386–395
[7] Franconi G et al., J Endocrinol Invest 2011; 34: 307–311
[8] Shahin AY et al., Reprod Biomed Online 2008; 16: 580–588
[9] Van Die MD et al., Planta Med 2013; 79: 562–575
[10] Dabrowski FA et al., Nutrients 2015; 7: 4139–4153