Seit Langem bekannt ist die negative Korrelation von Alter und Fertilität einer Frau, doch häufig stehen andere Aspekte der Lebensplanung einer frühen Schwangerschaft entgegen. Wir stellen Methoden der Fertilitätsprotektion und des Social Freezing vor.
Die Fertilität einer Frau ist im 3. Lebensjahrzehnt am höchsten und fällt dann kontinuierlich ab – initial nur langsam, aber vor allem ab Mitte der 4. Lebensdekade deutlicher. Ursache ist die mit zunehmendem Alter steigende Wahrscheinlichkeit chromosomal aberranter Eizellen, die zur Ovulation gelangen.[1] Dieser Fakt hat nichts mit Hormonwerten und der Zyklusqualität einer Frau zu tun. Die sogenannte Aneuploidierate der Eizellen einer Frau > 40 Jahre liegt bei etwa 60 %, bei zwölf Ovulationen/Jahr wird also in mindestens der Hälfte der Zyklen eine chromosomal aberrante Eizelle ovulieren. Diese wird dann nicht befruchtet bzw. nach einer Fertilisierung schlechter implantieren bzw. im Falle einer Implantation mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Abort führen. Damit sinkt die Schwangerschaftsrate, steigt die Abortrate und demzufolge sinkt mit dem Alter die Wahrscheinlichkeit für die Geburt eines Kindes. Auch eine 50-jährige Frau mit regelmäßigen ovulatorischen Zyklen kann selbstverständlich noch schwanger werden, aber bei einer Aneuploidierate von zu diesem Zeitpunkt wenigstens 90 % sinkt die Chance für die Geburt eines Kindes weiter. Zusätzlich steigt mit dem Alter der Mutter auch bei erfolgreicher Entbindung das Risiko von Chromosomenanomalien beim Neugeborenen. Dieser Kausalität steht aber eine oft konträre Wahrnehmung der Bevölkerung gegenüber. In Umfragen vermuten ca. 30 % der Frauen eine Abnahme der weiblichen Fertilität erst mit der 5. Lebensdekade.[2] Darstellungen in der Presse über die späte Mutterschaft prominenter Persönlichkeiten (oft ohne Erwähnung der in vielen Fällen zugrunde liegenden Eizellspende), falsche Erwartungen an die Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin und verschiedene andere Ursachen befördern bzw. verursachen diese Fehlwahrnehmung. Zusätzlich verstärken Faktoren wie der Karrierenachteil vor allem in akademischen Laufbahnen, der zunehmende Anteil an Singles etc. die zeitliche Verlagerung des Kinderwunsches, sodass in Deutschland das mittlere Alter der Erstgebärenden 1970 bei ca. 27 Jahren, 1994 bei ca. 29 Jahren und 2014 bereits bei ca. 31 Jahren lag.[3] Diese grundsätzliche Tendenz wird sich vermutlich nicht ändern und zum weiteren Anstieg der Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Therapien, aber auch einer Zunahme des Anteils ungewollt kinderloser Frauen führen. Eine zukünftige Aufgabe muss es daher sein, diesem „Fertilitätsmythos“ durch eine gesundheitliche Aufklärung bereits in den Schulen entgegenzuwirken.[4]
Eine Fertilitätsprotektion bei der Frau wird heute vor allem im Zusammenhang mit onkologischen oder anderen Erkrankungen (z. B. aus dem rheumatischen Formenkreis) diskutiert, deren Therapie (Operation und/oder Chemotherapie und/oder Radiatio) zu einer nachfolgend irreversiblen Einschränkung der ovariellen Reserve führen könnte. Weltweit einzigartig existiert im deutschen Sprachraum das FertiPROTEKT Netzwerk, ein Zusammenschluss von über 115 Zentren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, das sich mit der Fertilitätserhaltung vor onkologischen und nicht-onkologischen Erkrankungen beschäftigt (www.fertiprotekt.com). Der e. V. dokumentiert die erfolgten Beratungen, initiiert und unterstützt Studien, publiziert Empfehlungen zur Fertilitätsprotektion etc.[5,6]
Wenn ausschließlich eine Radiatio des kleinen Beckens geplant ist, können die Ovarien vorher per laparoscopiam nach kranial/lateral aus dem Bestrahlungsfeld verlagert werden. In einem Review von 32 Publikationen mit 1.189 Patientinnen wurde über eine erhaltene Ovarialfunktion in ca. 70 % berichtet.[7]
Die Gabe von GnRH-Agonisten (GnRHa) – beginnend vor und fortgesetzt während einer Chemotherapie – beruht auf der Hypothese, dass eine hypophysäre Down-Regulation zu einem funktionellen Ruhezustand der Ovarien führt und Chemotherapeutika dadurch ihre gonadotoxischen Effekte nur eingeschränkt entwickeln können. Skepsis gegenüber dieser Hypothese besteht, weil die zu schützenden Primordial- und frühen antralen Follikel noch gar nicht Gonadotropin-sensitiv sind. Nichtsdestotrotz zeigen die in der aktuellsten Metaanalyse zusammengefassten – methodisch allerdings sehr heterogenen Studien – überwiegend eine signifikante Reduktion der Wahrscheinlichkeit einer vorzeitigen Ovarialinsuffizienz (premature ovarian insufficiency, POI), wenn GnRHa während der Chemotherapie appliziert wurden. Ob auch die spätere Schwangerschaftsrate dadurch steigt, beantworten die Studien uneinheitlich.[8] Hier besteht weiterer Studienbedarf.
Eine weitere – ab der Menarche mögliche Option – ist die ovarielle Stimulation und transvaginale Follikelpunktion. Die gewonnenen Eizellen können anschließend unfertilisiert oder – wenn es einen festen Partner gibt – fertilisiert im Vorkernstadium kryokonserviert werden.
Für die späteren Schwangerschaftschancen ist neben dem Alter zum Zeitpunkt der Stimulation auch die Zahl der kryokonservierten Eizellen entscheidend. Bewertet man die kumulative Lebendgeburtenrate bei Verwendung von Eizellen, die sowohl aus medizinischen als auch nicht-medizinischen Indikationen eingefroren wurden, hinsichtlich des Alters bei der Kryokonservierung, liegt diese in der Altersgruppe ≤ 35 Jahre z. B. bei zehn Eizellen bei 60,5 %, in der Altersgruppe ≥ 36 Jahre aber nur noch bei 29,7 %.[9] Die Autoren empfehlen daher die Kryokonservierung von wenigstens acht bis zehn Metaphase-II-Oozyten bzw. in der Altersgruppe > 36 Jahre eine individuelle Festlegung dieser Zellzahl. Unter Berücksichtigung des Alters und einer Einschätzung der zu erwartenden ovariellen Reaktion muss der Nutzen der Kryokonservierung von Oozyten oder Vorkernzellen überlegt werden. Ein zusätzliches Entscheidungskriterium stellt das verfügbare Zeitfenster bis zur geplanten, potenziell fertilitätseinschränkenden Therapie dar. Die ovarielle Stimulation kann zu jedem Zykluszeitpunkt begonnen werden, dauert aber etwa zwei (bis drei) Wochen bis zur Follikelpunktion.
Die Kryokonservierung von Ovargewebe beweist zunehmend ihre Effektivität durch die mittlerweile häufigeren Retransplantationen und eintretenden Schwangerschaften. Umfassende Registrierungen der Ergebnisse erfolgen momentan allerdings nur in Dänemark sowie innerhalb des FertiPROTEKT Netzwerk e. V. Die aus letzterem 2016 publizierten Daten von 74 transplantierten Frauen zeigen eine Schwangerschaftsrate/Transplantation von 28 % und eine Geburtenrate/Transplantation von 23 %.[10] Momentan geht man von weltweit etwa 150 geborenen Kindern nach Retransplantation von kryokonserviertem Ovargewebe aus.
Die Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen ohne medizinische Notwendigkeit („social freezing“) hat zu einer umfassenden und teilweise kontroversen Diskussion in der Fachwelt, aber auch der allgemeinen Öffentlichkeit geführt. Klar ist, dass die Anwendung gerade bei nicht-medizinischer Indikation einer besonders detaillierten individuellen Beratung über den Ablauf, mögliche Komplikationen sowie die realistischen Chancen für die spätere Geburt eines Kindes bedarf.
Zeichnen sich Situationen ab, die längerfristig eine Verwirklichung des Kinderwunsches unwahrscheinlich machen, erscheint es nachvollziehbar und überlegenswert, sich über das Einfrieren unbefruchteter Eizellen beraten zu lassen. Der Nutzen einer solchen Maßnahme ist – wie auch bei der o. g. medizinischen Indikation – vom Alter einer Frau zum Zeitpunkt der Eizellentnahme und der Zahl eingefrorener Eizellen abhängig. In Abhängigkeit vom Alter erscheint es sinnvoll, mehr als 15 (evtl. auch > 20) Eizellen einzufrieren, was meist mehrere Stimulationszyklen erfordert. Letztendlich liegt es im individuellen Ermessen der/des Beratenden zu entscheiden, wo in der Beratung und Empfehlung die Altersgrenze des Social Freezing liegt. Mithilfe einer ultraschnellen Einfriermethode – der Vitrifikation – sind Überlebensraten reifer Eizellen von ca. 90 % möglich. Die Lagerungsdauer im flüssigen Stickstoff (- 196 °C) spielt nach heutigem Kenntnisstand keine Rolle, was gerade für alle Formen der geplanten Langzeitlagerung von immenser Bedeutung ist. Entscheidenden Einfluss scheinen der Einfrier- und Auftauprozess, nicht aber die Lagerungszeit zu haben. Werden unbefruchtete Eizellen aufgetaut, ist – da vor der Kryokonservierung zur Beurteilung der Reife die Cumuluszellen entfernt wurden – eine konventionelle In-vitro-Fertilisation (IVF) nicht mehr möglich. Zur späteren Fertilisierung wird daher – auch bei einem unauffälligen Spermiogramm – eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) angewendet. Nach der ICSI liegt die Fertilisierungsrate bei etwa 60–70 %. Daraus ergibt sich, dass es einen „Verlust“ an Eizellen nach dem Auftauen sowie der Fertilisation mittels ICSI gibt. Darum liegt der Focus des Interesses insbesondere auf der Implantations- und Geburtenrate pro aufgetauter Oozyte. Deren Kenntnis vermittelt eine Vorstellung darüber, wie viele Eizellen eingefroren werden müssten, um eine realistische Chance für die Geburt eines Kindes erwarten zu können. Wie bereits beschrieben, liegt die kumulative Lebendgeburtenrate bei Verwendung von Eizellen in der Altersgruppe ≤ 35 Jahre z. B. bei zehn Eizellen bei 60,5 %, in der Altersgruppe ≥ 36 Jahre aber nur noch bei 29,7 %. Grundsätzlich lassen sich individuelle Erfolgsraten beim Social Freezing nur bedingt kalkulieren. Sie sind zum einen stark abhängig von der Zahl gewonnener Eizellen und dem Alter der Frau bei der Entnahme als auch von der Expertise des Zentrums bei der Kryokonservierung. Durchschnittlich kann man – je nach Alter der Frau – mit einer Geburtenrate von ca. 10 % je aufgetauter Oozyte rechnen (siehe Abb.). In Deutschland gibt es für das Social Freezing als außerhalb der Krankenversicherung erbrachte Leistung keine gesetzliche Einschränkung bei der Anlage der Fertilitätsreserve und keine Altersgrenze beim Embryotransfer. Somit besteht theoretisch die Möglichkeit, Embryonen auch bei Frauen jenseits der Menopause zu übertragen. Die Beratung über das Social Freezing sollte auch den Zeitpunkt des späteren Transfers und die erhöhten Risiken (Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht, Gestationsdiabetes, Hypertonus etc.) thematisieren. Auf der anderen Seite ist die Festlegung einer fixen Altersgrenze beim Transfer schwierig und bleibt eine individuelle Entscheidung des behandelnden Arztes. Eine Patientin kann letztendlich als „Eigentümerin“ ihrer Zellen später das Zentrum wechseln, sollte ihr aufgrund eines für den Arzt „inakzeptablen“ Alters der Transfer verweigert werden. Nach einer intensiven Diskussion verständigten sich die Mitglieder des FertiPROTEKT Netzwerk e. V. auf eine gemeinsame Stellungnahme zum Social Freezing.[11]
Der Autor
Prof. Dr. med. Frank Nawroth
Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch,
Pränatale Medizin, Endokrinologie und Osteologie, amedes MVZ,
Mönckebergstr. 10 | 20095 Hamburg
[1] Franasiak JM et al., Fertil Steril 2014; 101: 656–663
[2] Allensbacher Berichte 2007: Unfreiwillige Kinderlosigkeit. www.ifd-allensbach.de/uploads/tx_reportsndocs/prd_0711.pdf
[3] OECD 2014: http://www.oecd.org/els/soc/SF_2_3_Age_mothers_childbirth.pdf
[4] Hashiloni-Dolev Y et al., Hum Reprod 2011; 26: 3045–3053
[5] Schüring AN et al., Arch Gynecol Obstet 2018; 297: 241–255
[6] von Wolff M et al., Arch Gynecol Obstet 2018; 297: 257–267
[7] Mossa B et al., Eur Rev Med Pharmacol Sci 2015; 19: 3418–3425
[8] Hickman LC et al., Am J Obstet Gynecol 2016; 215: 415–422
[9] Cobo A et al., Fertil Steril 2016; 105: 755–764
[10] van der Ven H et al., Hum Reprod 2016; 31: 2031–2041
[11] Nawroth F et al., Frauenarzt 2012; 53: 528–533
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