Die arterielle Hypertonie ist der wichtigste modifizierbare Risikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Sterblichkeit. Sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck sind unabhängig voneinander mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, wie Myokardinfarkt und Schlaganfall, assoziiert.
Im Gegensatz zur US-amerikanischen Hypertonie-Leitlinie von 2017 hielten die Leitlinien der Europäischen Gesellschaften für Kardiologie (ESC) und Hypertonie (ESH) von 2018 sowie die Leitlinie der Internationalen Gesellschaft für Hypertonie (ISH) von 2020 an der bisherigen Definition der Hypertonie fest: Sie liegt vor, wenn der Blutdruck eines Patienten in der Praxis oder Klinik wiederholt ≥ 140/90 mmHg beträgt. Die aktuellen Leitlinien empfehlen zusätzlich zur Praxisblutdruckmessung eine ambulante Blutdruckmessung (24-Stunden-Langzeitblutdruckmessung oder eine häusliche Blutdruckselbstmessung), um die Diagnose der arteriellen Hypertonie zu verifizieren und Patienten mit „Weißkittelhypertonie“ oder maskierter Hypertonie (normwertige Praxisblutdrucke bei erhöhten ambulanten Blutdrucken) zu identifizieren. Außerdem wurde wiederholt nachgewiesen, dass insbesondere ein hoher nächtlicher Blutdruck und ein fehlender nächtlicher Abfall des Blutdrucks („non-dipping“) mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Komplikationen wie Schlaganfall, Herzinfarkt und kardiovaskulärer Tod assoziiert sind.
Während die ESC und ESH die Definition der arteriellen Hypertonie nicht änderten, wurde der mit einer Therapie zu erreichende Zielblutdruck in den Leitlinien von 2018 angepasst. Für die meisten Patienten wird ein Blutdruckzielwert ≤ 130/80 mmHg angestrebt. Die Empfehlung beruht u. a. auf den Ergebnissen der SPRINT-Studie (Systolic Blood Pressure Intervention Trial). In der randomisierten Studie konnte bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko, aber ohne Diabetes mellitus oder vorhergehendem Schlaganfall, durch eine intensivierte Blutdrucktherapie (systolischer Zielblutdruck < 120 mmHg) im Vergleich zur Standard-Blutdrucktherapie (systolischer Zielblutdruck < 140 mmHg) das Risiko für das Auftreten des primären kombinierten Endpunkts aus Myokardinfarkt, akutes Koronarsyndrom, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und kardiovaskuläre Sterblichkeit reduziert werden (Hazard Ratio [HR] 0,73; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,63–0,86). Eine Meta-Regressionsanalyse, die 123 Studien mit 613 815 Probanden einschloss, zeigte, dass jede Abnahme des systolischen Blutdrucks um 10 mmHg mit einer Reduktion des relativen Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse (-20 %), koronare Herzkrankheit (-17 %), Schlaganfall (-27 %), Herzinsuffizienz (-28 %) und Mortalität (-13 %) einherging. Allerdings konnte in Sensitivitäts- und Post-hoc-Analysen für den systolischen und diastolischen Blutdruck eine J-Kurvenbeziehung mit dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall nachgewiesen werden. Das bedeutet, dass das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei hohen, aber auch bei sehr niedrigen Blutdrucken zunimmt. Statt den bisherigen Obergrenzen empfehlen die Hypertonie-Leitlinien der ESC/ESH und der ISH für die meisten Patienten < 65 Jahren erstmals einen Blutdruckzielkorridor zwischen 120 und 130 mmHg für den systolischen und zwischen 70 und 80 mmHg für den diastolischen Blutdruck.
Lediglich bei älteren Patienten (> 65 Jahre) und denen mit chronischer Nierenerkrankung empfiehlt die ESC/ESH-Leitlinie (aufgrund fehlender Evidenz) einen Zielblutdruck zwischen 130 und 140 mmHg.
Die KDIGO (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) empfiehlt hingegen in ihrer Praxisleitlinie von 2021 bei Patienten mit Hypertonie und chronischer Nierenerkrankung (ohne Dialyse) den systolischen Blutdruck, sofern toleriert, < 120 mmHg zu senken. Die Empfehlung der KDIGO basiert auf einer prospektiv geplanten Subgruppenanalyse der SPRINT-Studie, die Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate [eGFR] 20–59 ml/min/1,73 m2 und Proteinurie < 1 g) einschloss. Während bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung der primäre kombinierte Endpunkt durch die intensivierte Blutdrucktherapie nicht reduziert wurde (HR 0,81; 95%-KI 0,63–1,05), nahm die Gesamtsterblichkeit signifikant ab (HR 0,72; 95%-KI 0,53–0,99). Bemerkenswert ist jedoch, dass die SPRINT-Studie nicht für die Subgruppenanalyse gepowert war.
Neben hohem Alter, männlichem Geschlecht, Adipositas und einem geschwächten Immunsystem gelten chronische Lungen-, Herz-, Leber- und Nierenerkrankungen als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19. Basierend auf der hohen Prävalenz von Hypertonie bei Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen in mehreren Studien aus China, Europa und den USA wurde die arterielle Hypertonie schon früh als Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe vermutet. Allerdings adjustierten die Studien nicht für das Alter der Patienten. Bei den mehrheitlich alten Patienten mit schweren Krankheitsverläufen wäre in der Normalbevölkerung eine noch höhere Prävalenz für eine arterielle Hypertonie zu erwarten. Da das SARS-CoV-2 das Angiotensin-konvertierende Enzym(ACE)2 als Rezeptor verwendet, um in die Wirtszellen zu gelangen, und frühe tierexperimentelle Studien darauf hinwiesen, dass die Behandlung mit ACE-Hemmern die Expression von ACE2 steigert, wurde befürchtet, dass nicht nur die arterielle Hypertonie selbst, sondern auch eine blutdrucksenkende Therapie mit ACE-Hemmern das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf erhöht. Allerdings wurde in verschiedenen Pneumonie- und Sepsis-Modellen ein protektiver Effekt der ACE2/Ang1-7/Mas-Rezeptor-Achse nachgewiesen. Zudem wurde gezeigt, dass die Aktivierung der Angiotensin-II/AT1-Rezeptor-Achse Lungenschädigungen begünstigt. Dementsprechend könnte die Therapie mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern die Lunge sogar schützen. In einer retrospektiven Analyse aller 2 877 Patienten, die im Huo Shen Shan Krankenhaus in Wuhan aufgrund von COVID-19 behandelt wurden, gab es keinen Hinweis auf einen nachteiligen Effekt durch eine Behandlung mit ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptor-Blockern. Obwohl die ESC ausdrücklich empfiehlt, eine blutdrucksenkende Therapie mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern fortzuführen, wurden diese häufig durch Patienten oder Ärzte abgesetzt.
Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie und die Angst vor einer SARS-CoV-2-Infektion haben auch indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen. Eine Zunahme der Prävalenz der arteriellen Hypertonie durch Änderungen des Lebensstils (Ernährung, körperliche Inaktivität, Alkoholkonsum, Schlafrhythmus, Reiseverhalten) bedingt durch den Lockdown und Quarantänemaßnahmen ist denkbar. Allerdings liegen keine großen Studien vor, die eine Kausalität zwischen dem Lockdown und einer Zunahme der Prävalenz der Hypertonie aufzeigen. Zudem ergab eine Umfrage unter den Exzellenzzentren der ESH, dass aus Sicht der Ärzte die Patientenversorgung während der Lockdowns beeinträchtig war. Für das akute Koronarsyndrom wurden Fälle von SARS-CoV-2-negativen Corona-Opfern beschrieben, bei denen aus Angst vor einer Ausbreitung des Virus keine adäquate Behandlung erfolgte. Zudem wurde gezeigt, dass die Anzahl der Notaufnahmevorstellungen und Hospitalisierungen nach Beginn der COVID-19-Pandemie signifikant zurückgingen. Zur gleichen Zeit nahm in Italien die Anzahl der Herzstillstände außerhalb des Krankenhauses um 58 % zu, während der Anteil der Patienten, die durch Umstehende kardiopulmonal reanimiert wurden, um 16 Prozentpunkte abnahm.
Die ESC/ESH-Leitlinien empfehlen eine antihypertensive Therapie im Allgemeinen bereits bei einer Hypertonie Grad 1 (systolischer Blutdruck 140–159 mmHg oder diastolischer Blutdruck 90–99 mmHg). Ausgenommen hiervon sind Patienten mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko oder manifester kardiovaskulärer Erkrankung (insbesondere koronare Herzkrankheit), bei denen bereits bei hochnormalen Blutdrucken (systolischer Blutdruck 130–139 mmHg oder diastolischer Blutdruck 85–89 mmHg) eine blutdrucksenkende Therapie erwogen werden kann, sowie sehr alte Patienten (im Allgemeinen > 80 Jahre), bei denen systolische Blutdrucke bis 160 mmHg toleriert werden können, wobei das biologische Alter entscheidender ist als das chronologische Alter. Zusätzlich zu lebensstilmodifizierenden Maßnahmen soll frühzeitig eine medikamentöse blutdrucksenkende Therapie initiiert werden, um innerhalb von drei Monaten eine Blutdruckkontrolle zu erreichen. Lebensstilmodifizierende Maßnahmen können zudem nur bei Patienten mit niedrigem oder moderatem kardiovaskulären (CV) Risiko einer medikamentösen Therapie vorausgehen. Wobei auch bei Patienten mit niedrigem CV-Risiko eine Pharmakotherapie indiziert ist, wenn nach drei bis sechs Monaten keine Blutdruckkontrolle erzielt wird. Da Fixkombinationen mehrerer blutdrucksenkender Wirkstoffe in klinischen Studien die Adhärenz, die Blutdruckkontrolle und das Outcome verbesserten, empfehlen die ESC/ESH-Leitlinien eine initiale Zweifachkombination aus ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Blocker mit einem Calciumkanalblocker oder einem Diuretikum (Abb. 1). Bei unzureichender Blutdruckkontrolle soll eine Dreifachkombination aus ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Blocker, Calciumkanalblocker und Diuretikum eingesetzt werden. Eine Monotherapie soll lediglich bei Patienten mit Hypertonie Grad 1 (systolischer Blutdruck 140–159 mmHg), sehr alten oder sehr gebrechlichen Patienten erwogen werden.
Eine resistente Hypertonie liegt vor, wenn trotz angemessener Lebensstilmodifikationen und einer medikamentösen Therapie mit mindestens drei Wirkstoffen (typischerweise ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Blocker, Calciumkanalblocker und Diuretikum) in optimaler oder maximal verträglicher Dosierung keine Blutdruckkontrolle (Praxisblutdruck < 140/90 mmHg) erzielt wird. Wichtig ist, dass die unzureichende Blutdruckkontrolle durch eine ambulante Blutdruckmessung verifiziert und Nichtadhärenz als mögliche Ursache der ausbleibenden Blutdruckkontrolle ausgeschlossen wird. Zur weiteren Abklärung und Behandlung der resistenten Hypertonie ist eine Anbindung des Patienten an ein spezialisiertes Zentrum sinnvoll. Ursachen einer pseudoresistenten (z. B. Nichtadhärenz, Weißkittelphänomen oder fehlerhafte Blutdruckmessung) und sekundären Hypertonie müssen insbesondere bei jungen Patienten ausgeschlossen werden. Zur Behandlung der resistenten Hypertonie empfehlen die ESC/ESH-Leitlinien die initiale Dreifachtherapie um den Aldosteron-Antagonisten Spironolacton (25–50 mg pro Tag) zu erweitern (Abb. 1). Die Empfehlung beruht auf der doppelblinden PATHWAY-2-Studie, in die Patienten mit einer therapieresistenten Hypertonie eingeschlossen wurden. Zusätzlich zu ihrer dreifach Basistherapie waren sie in zufälliger Reihenfolge für jeweils 12 Wochen mit Spironolacton (25–50 mg pro Tag), Bisoprolol (5–10 mg pro Tag), Doxazosin (4–8 mg pro Tag) und Placebo behandelt worden. Durch die Behandlung mit Spironolacton konnte der Blutdruck am stärksten gesenkt und bei 60 % der Patienten kontrolliert werden. Die ReHOT-Studie verglich die blutdrucksenkende Wirkung von Spironolacton mit der von Clonidin. Der primäre Endpunkt (Erreichen eines Praxisblutdrucks < 140/90 mmHg und eines 24-Stunden-Langzeitblutdrucks < 130/80 mmHg) wurde bei 20,5 % der Patienten in der Spironolacton- und 20,8 % der Patienten in der Clonidin-Gruppe erreicht (relatives Risiko 1,01; 95%-KI 0,55–1,88; p = 1). In der 24-Stunden-Langzeitblutdruckmessung senkte Spironolacton den systolischen (-11,8 mmHg vs. -7,3 mmHg; p = 0,030) und diastolischen (-6,3 mmHg vs. 3,9 mmHg; p = 0,045) Blutdruck stärker als Clonidin. Da eine Therapie mit Spironolacton bei Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion unzureichend untersucht ist und insbesondere in Kombination mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern zu einer Hyperkaliämie führen kann, sollte Spironolacton i. d. R. nur bei Patienten mit einer eGFR > 45 ml/min/1,73 m2 und einem Serum-Kalium ≤ 4,5 mmol/l verabreicht werden. Falls Spironolacton kontraindiziert ist oder nicht vertragen wird, können Eplerenon, Amilorid, Betablocker oder Moxonidin (nur in Kombination mit einem Betablocker und Diuretikum) ergänzt werden. Außerdem kann erwogen werden, ein Thiazid-Diuretikum durch ein Thiazid-artiges Diuretikum zu ersetzen. Metaanalysen zeigten, dass insbesondere Indapamid den Blutdruck stärker senkt als Hydrochlorothiazid (systolischer Praxisblutdruck -5,1 mmHg; 95%-KI -8,7–(-)1,6; p = 0,004) und dass Thiazid-artige Diuretika (z. B. Indapamid und Chlorthalidon) das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Herzinsuffizienz stärker reduzieren als Thiazid-Diuretika. Allerdings ist in Deutschland zurzeit nur ein Kombinationspräparat mit einem Thiazid-artigen Diuretikum erhältlich, sodass der stärkere blutdrucksenkende Effekt gegen das Risiko einer schlechteren Adhärenz bei höherer Tablettenanzahl abgewogen werden muss. Im Gegensatz zu früheren Leitlinien, bei denen Betablocker eine Substanz der ersten Wahl waren, werden Betablocker vor allem bei Patienten mit kardialer Komorbidität, die eine Betablockertherapie erfordert (z. B. Herzinsuffizienz, Zustand nach Myokardinfarkt oder Vorhofflimmern), und Frauen, die schwanger sind oder eine Schwangerschaft planen, empfohlen.
Obwohl gut verträgliche und effektive blutdrucksenkende Medikamente verfügbar sind, steigt die Prävalenz der unkontrollierten Hypertonie weltweit an. Ein häufiger Grund ist, dass Patienten ihre antihypertensiven Medikamente nicht regelhaft einnehmen. Nichtadhärenz tritt häufig bei Patienten mit chronischen Erkrankungen auf. Eine Auswertung der Adherence Datenbank, in die Daten von 16 907 Patienten aus 95 Studien für verschiedene chronische Erkrankungen eingingen, ergab, dass fast 40 % der Patienten ein Studienmedikament nach einem Jahr nicht mehr einnahmen. In Studien, in die Patienten mit vermeintlich therapieresistenter Hypertonie eingeschlossen wurden, reichte der Anteil der Patienten bei denen keiner der verschriebenen blutdrucksenkenden Wirkstoffe mittels toxikologischer Untersuchungen des Bluts und/oder des Urins nachgewiesen werden konnte von 2 % bis 35 %. Bei weiteren 13 % bis 46 % der Patienten war nur ein Teil der verschriebenen Wirkstoffe nachweisbar. Bei Bluthochdruck-assoziierten Folgeerkrankungen, wie Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkt, waren Nichtadhärenz und Nichtpersistenz mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert. Zu den Risikofaktoren für eine schlechte Adhärenz zählen u. a. ein sehr junges oder sehr hohes Patientenalter, schlechter sozioökonomischer Status, komplexe Therapieregime, das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen und Erkrankungen mit geringer Symptomatik. Eine Vielzahl von Maßnahmen können dazu beitragen, die Adhärenz des Patienten zu verbessern (Abb. 2). Eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Heilberufe bei der Behandlung der Hypertonie konnte in mehreren Studien die Therapieadhärenz verbessern und wird daher von den ESC/ESH-Leitlinien hervorgehoben. In einer US-amerikanischen Cluster-randomisierten Studie wurden schwarze Männer mit Bluthochdruck, die in den USA das höchste Risiko für Hypertonie-assoziierte Mortalität haben und durch das Gesundheitssystem schwer erreichbar sind, durch ihren Friseur oder „Barber“ ermutigt, sich entweder im Zuge des Barber-Shop-Besuchs von einem Pharmazeuten mit blutdrucksenkenden Medikamenten behandeln zu lassen (Interventionsgruppe) oder den Lebensstil zu verbessern und Arzttermine zu vereinbaren (Kontrollgruppe). Im Vergleich zur Kontrollgruppe wurde der systolische Blutdruck in der Interventionsgruppe um 21,6 mmHg (95%-KI 14,7–28,4; p < 0,001) reduziert. In einer deutschen Studie konnte durch eine Mitbetreuung von Apothekern die Adhärenz und die krankheitsbezogene Lebensqualität von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz verbessert werden.
In den vergangenen 15 Jahren wurden mehrere Device-basierte Verfahren, die das autonome Nervensystem modulieren, die linksventrikuläre Vorlast reduzieren oder die mechanischen Eigenschaften der Arterien verändern, zur Behandlung der arteriellen Hypertonie eingeführt (Abb. 3). Die renale Denervation ist die am besten untersuchte Device-basierte Bluthochdrucktherapie. Das Ziel des Verfahrens ist die Reduktion der renalen sympathischen Nervenaktivität durch die Ablation afferenter und efferenter sympathischer Nervenfasern in der Adventitia der Nierenarterie und dem die Nierenarterie umgebenden Fettgewebe. Die renalen sympathischen Nervenfasern, die netzartig in der Adventitia der Nierenarterien verlaufen, spielen eine entscheidende Rolle in der Blutdruckregulation. Die Stimulation der efferenten sympathischen Nervenfasern durch Aktivierung im zentralen Nervensystem führt durch eine Erhöhung der Reninfreisetzung und der renalen tubulären Natriumrückresorption sowie einer Verringerung des renalen Blutflusses zu einem Blutdruckanstieg. Mechano- und chemosensitive afferente sympathische Nerven liefern ein kontinuierliches Feedback über den Druck und die Zusammensetzung des Harns im Nierenbeckenkelchsystem an das zentrale Nervensystem. Zwar bestätigten alle frühen Studien die Sicherheit der renalen Denervation, die Ergebnisse zur blutdrucksenkenden Wirksamkeit waren jedoch sehr widersprüchlich. Aufgrund der vielen Limitationen der frühen Studien, zwischenzeitlich hinzugewonnener anatomischer Erkenntnisse und weiterentwickelter Kathetersysteme reichte die Datenlage weder dazu aus, der renalen Denervation die Wirksamkeit zu attestieren noch diese abzusprechen. Daher wurden zwei große klinische Studienprogramme (Spyral HTN Global Clinical Trial Program und RADIANCE HTN) auf den Weg gebracht, um die Wirksamkeit der renalen Denervation in scheinkontrollierten Studien bei Patienten mit leichter bis moderater arterieller Hypertonie, mit und ohne antihypertensiver Begleitmedikation zu untersuchen. In den randomisierten Pilotstudien von Spyral HTN-OFF MED und HTN-ON MED (nicht für Wirksamkeitsendpunkte statistisch gepowert) wurden Patienten mit kombinierter systolisch-diastolischer Hypertonie (systolischer Praxisblutdruck 150–179 mmHg, diastolischer Praxisblutdruck ≥ 90 mmHg und systolischer 24-Stunden-Langzeitblutdruck 140–169 mmHg) mit ein bis drei (HTN-ON MED) sowie ohne (HTN-OFF MED) antihypertensive Medikamente entweder mit einem spiralförmigen Radiofrequenz-Multielektroden-Katheter behandelt oder einer Scheinprozedur unterzogen. Die Patientenrekrutierung der Pilotstudien wurde nach einer prospektiv geplanten Interimsanalyse der ersten 80 eingeschlossenen Patienten beendet, da die renale Denervation im Vergleich zur Scheinprozedur den systolischen 24-Stunden-Langzeitblutdruck nach drei Monaten in der Spyral HTN-OFF MED und nach sechs Monaten in der Spyral HTN-ON MED statistisch signifikant und klinisch relevant reduzierte (Abb. 4). Die mit einem Scheineingriff kontrollierte Studie Spyral HTN-OFF MED Pivotal (Spyral Pivotal) war für den primären Wirksamkeitsendpunkt, Änderung des systolischen 24-Stunden-Langzeitblutdrucks zwischen Studienbeginn und drei Monate, statistisch gepowert. Da die Spyral-Pivotal-Studie (n = 251) und die Pilotstudie (n = 80) ein ähnliches Studiendesign hatten, konnte ein Bayes‘scher Ansatz verwendet werden, um die Daten aus beiden Studien für die primären Analysen zu kombinieren. Im Vergleich zur Scheinprozedurgruppe nahmen der systolische 24-Stunden-Langzeitblutdruck und systolische Praxisblutdruck in der Denervationsgruppe signifikant ab. Die Studie Spyral HTN-ON MED Expansion (www.clinicaltrials.gov; Registrierungsnummer: NCT02439775), die Patienten mit unkontrollierter Hypertonie trotz der Einnahme von ein bis drei blutdrucksenkenden Medikamenten einschließt, rekrutiert derzeit Patienten. Ähnlich den Spyral-HTN-Studien untersuchte die randomisierte, scheinkontrollierte Radiance-HTN-Studie die blutdrucksenkende Wirksamkeit der ultraschallbasierten renalen Denervation bei Patienten mit kombinierter systolisch-diastolischer Hypertonie (24-Stunden-Langzeitblutdruck 135–169/85–104 mmHg) entweder ohne (SOLO-Kohorte) oder mit (TRIO-Kohorte) einer antihypertensiven Medikation. In der TRIO-Kohorte wurden alle Patienten vor der Randomisierung leitliniengerecht auf ein blutdrucksenkendes Kombinationspräparat aus Valsartan oder Olmesartan, Amlodipin und Hydrochlorothiazid (HCT) umgestellt und waren somit per definitionem therapieresistent. Sowohl in der SOLO- als auch der TRIO-Kohorte wurde der systolische 24-Stunden-Langzeitblutdruck während des Tagintervalls (primärer Wirksamkeitsendpunkt) in der Denervationsgruppe im Vergleich zur Scheinprozedurgruppe signifikant reduziert (Abb. 4).
Im Gegensatz zu antihypertensiven Medikamenten ist die blutdrucksenkende Wirkung der renalen Denervation unabhängig von der Pharmakokinetik, der Adhärenz und dem Therapieregimen. Darüber hinaus wurde der Blutdruck durch die renale Denervation während Tag und Nacht gleichermaßen gesenkt. Insbesondere die Senkung des nächtlichen und frühmorgendlichen Blutdrucks könnte von prognostischer Bedeutung sein, da sich wiederholt gezeigt hat, dass der nächtliche Blutdruck am stärksten mit der kardiovaskulären Mortalität assoziiert ist. Device-basierte Verfahren stellen außerdem einen Behandlungsalternative für Patienten dar, die antihypertensive Medikamente entweder nicht einnehmen wollen oder diese nicht vertragen. Eine in Deutschland durchgeführte Umfrage ergab, dass 38 % der therapienaiven Patienten eine renale Denervation zur Behandlung ihres Bluthochdrucks gegenüber einer Pharmakotherapie vorziehen würden. Von denjenigen Befragten, die bereits eine medikamentöse Therapie erhielten, hätten sich 28 % für eine renale Denervation entschieden. Bislang konnte jedoch noch nicht gezeigt werden, ob ein Zusammenhang zwischen der Blutdrucksenkung nach renaler Denervation und der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse besteht.
Literatur bei den Autoren
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