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Dermatologie

Generalisierte pustulöse Psoriasis

Auf dem Weg zur Erscheinungsfreiheit?

Prof. Dr. med. Michael Sticherling

14.8.2023

Es kommt Bewegung in die Therapie der generalisierten pustulösen Psoriasis. War der Einsatz von Biologika bislang nur off-label möglich, ist in Deutschland nun die erste zielgerichtete Therapie dieser seltenen, jedoch meist schwer verlaufenden und die Lebensqualität drastisch einschränkenden Form der Psoriasis zugelassen.

Prof. Dr. med. Michael Sticherling

Die Psoriasis oder Schuppenflechte gehört zu den häufigsten chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen des Menschen. Bei einer Häufigkeit von 2 % in der Bevölkerung ist in Deutschland mit etwa 2 Millionen Erkrankten zu rechnen. Die Psoriasis vulgaris mit scharf begrenzten erythematösen Plaques macht 80 % der Fälle aus und ist die häufigste klinische Form der Psoriasiskrankheit. Im Angelsächsischen wird sie fast synonym als Plaque-Psoriasis bezeichnet. Die anderen 20 % der Psoriasisformen sind der pustulösen Psoriasis zuzurechnen, wobei die generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP) mit 2 % Anteil an der Gesamtgruppe eine seltene autoinflammatorische pustulöse Hauterkrankung darstellt, die häufig mit systemischer Inflammation und einer Mortalitätsrate von 2 bis 16 % einhergeht. Hier finden sich unter plötzlicher Verschlechterung des Hautbildes und des Gesamtzustandes des Patienten disseminiert sterile Pusteln, die mit einer deutlichen Einschränkung des Allgemeinbefindens und erhöhten klinisch-chemischen Entzündungsparametern wie beschleunigter Blutsenkung, CRP-Erhöhung und Leukozytose einhergehen.

Eine Definition der Erkrankung erfolgte durch das European Rare and Severe Psoriasis Expert Network (ERASPEN), nach der die GPP eine Manifestation disseminierter Pusteln mit und ohne systemische Entzündung wie auch mit und ohne Psoriasis darstellt [1-5]. Andere Autoren grenzen jedoch die Psoriasis cum pustulatione ab, bei der sich die Pusteln im Randbereich von Psoriasisplaques befinden. Bis heute wird damit das isolierte Auftreten disseminierter Pusteln als GPP im engen Sinne diskutiert. Genaue Daten zur Häufigkeit der GPP liegen nicht vor [6-8]. Es wird eine breite Prävalenzspanne von 0,004 bis 0,045 % angegeben, wobei die größte Datenmenge aus Fernost stammt – mit einer Häufigkeit von 7,5 pro 1 Million Einwohner in Japan bzw. 88–124 pro 1 Million Einwohner in Südkorea –, während in Deutschland aus Krankenkassendaten 24 pro 1 Million Einwohner mit Krankheitsschüben alle 5 Jahre beschrieben sind. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, das mittlere Erkrankungsalter liegt zwischen 40 und 66 Jahren, jedoch ist auch eine Manifestation im Kindesalter beschrieben [9-13].

// Pathogenese

Aktuell wird eine Störung des Interleukin(IL)-36-Signaltransduktionsweges als pathogenetisch zentral angesehen [5,14-19]. IL-36 gehört in die IL-1-Familie und wird vor allem von epithelialen Zellen und damit auch und besonders von Keratinozyten als Proform produziert, die durch verschiedene Serin-Proteinasen gespalten wird. Durch Bindung an den IL-36-Rezeptor werden vor allem T-Zellen zur Proliferation und Produktion von IL-2, aber auch dendritische Zellen aktiviert [14]. Neben einer autokrinen Stimulation werden IL-1 und IL-22, aber auch die von der Plaque-Psoriasis bekannten Zytokine IL-17 und IL-23 induziert [16]. Genetisch sind verschiedene Mutationen, insbesondere des IL-36-Rezeptors und des IL-36-Rezeptor-Antagonisten, aber auch der Myeloperoxidase, verschiedener Serinproteinasen und des für Caspase Recruitment Domain Family Member 14 (CARD14) codierenden Gens als ursächlich für die verschiedenen, z. T. in familiärer Häufung vorkommenden GPP-Formen nachgewiesen worden.

Als Provokationsfaktoren der klinisch manifesten Erkrankung sind neben starker Sonneneinstrahlung auch lokal irritierende Substanzen sowie Medikamente wie Betablocker und Antimalaria-Mittel beschrieben worden (Tab. 1). Charakteristisch, wenn auch selten, sind sogenannte paradoxe Reaktionen, insbesondere bei der Behandlung von chronischentzündlichen Darmerkrankungen, aber auch bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis und Psoriasis mit TNF-Blockern unter Ausbildung lokalisierter (Pustulosis palmoplantaris) wie auch disseminierter Pusteln mit dem Bild einer GPP. Hier ist möglicherweise eine Verschiebung der Zytokinbalance in Richtung der Typ-1-Interferone zentral beteiligt.

// Klinisches Bild

Klinisch zeigen sich plötzlich und schubweise auftretende, stammbetonte, kräftig rote Erytheme mit initial einzeln stehenden Pusteln, die großflächig konfluieren können, sowie systemische Symptome mit deutlicher Einschränkung des Allgemeinbefindens und pathologische Laborwerte [18,20] (Abb., Tab. 2).

Selten, aber besonders dramatisch ist das Auftreten der GPP in der Schwangerschaft als Impetigo contagiosa, typischerweise ab dem dritten Schwangerschaftsmonat, mit Betonung der Körperfalten und ausgeprägten Allgemeinsymptomen und Hypokalzämie. Die Rate an fetalen Missbildungen und Totgeburten ist hoch, womit die Erkrankung ein Risiko für Mutter und Kind darstellt.

Abzugrenzen ist die akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP) (Tab. 2), die häufig mit der Einnahme von Arzneimitteln, seltener mit akuten Infektionen assoziiert ist. Auch hier zeigt sich ein akutes Krankheitsbild, jedoch mit deutlich weniger ausgeprägten klinischen Allgemeinsymptomen und fehlender Rezidivneigung sowie mit entsprechender Medikamenten- oder Infektanamnese. Die Diagnose der GPP beruht hingegen auf dem typischen klinischen Bild mit plötzlich auftretender Erkrankung sowie dem histologischen Bild mit einer subkornealen Ansammlung neutrophiler Granulozyten im Stratum spinosum (Kogoj-Pusteln). Als psoriasistypische Merkmale zeigen sich zusätzlich eine Akanthose mit Para-/Hyperkeratose und verschmälertem Stratum granulosum, verlängerten Reteleisten und erweiterten Kapillaren in den Papillarspitzen. Im Einzelfall kann eine klinische und histologische Abgrenzung zur AGEP jedoch schwierig sein.

Wie die klassische Schuppenflechte scheint auch die GPP mit einer Reihe von Begleiterkrankungen assoziiert zu sein, insbesondere mit solchen aus dem kardiovaskulären und metabolischen Formenkreis. Es kommt aber auch zu erheblichen psychosozialen Belastungen mit deutlicher Einschränkung der Lebens­qualität und Auftreten depressiver Symp­tome und Angststörungen. Im akuten Fall können eine aseptische Pneumonitis unter dem klinischen Bild eines Acute Respiratory Distress Syndromes (ARDS), aber auch entzündliche Erkrankungen verschiedener Augenabschnitte, insbesondere eine Uveitis, auftreten.

// Instrumente zur Erfassung der klinischen Aktivität

Aktuell gibt es keine konsentierten und validierten Instrumente, um die Schwere der GPP zu erfassen und zu verfolgen. Die in klinischen Studien und in der klinischen Praxis eingesetzten unterschiedlichen Instrumente schränken daher die Vergleichbarkeit der Effektivität verschiedener Therapeutika ein.

Der Generalized Pustular Psoriasis Area and Severity Index (GPPASI) in Abwandlung des PASI und das Generalised Pustular Psoriasis Physician Global Assessment (GPPGA) werden am häufigsten verwendet, der JDASI (Japanese Dermatological Association Severity Index) der Japanischen Dermatologischen Vereinigung ist differenzierter, da er neben den Hautveränderungen auch Laborparameter einschließt. Der GPPGA ist ein zuverlässiges und robustes Instru­ment, um klinische Endpunkte zu definieren, und kann sowohl in Studien als auch in der klinischen Praxis eingesetzt werden.

// Therapie

Eine topische Therapie mit Kortikosteroiden ist allenfalls bei lokalisierten Manifestationen vertretbar. In der Regel ist eine Systemtherapie erforderlich, für die jedoch nur wenige kontrollierte Studien und so kaum höhere Evidenzlevel vorliegen [18,21] (Tab. 3).

Systemtherapien

Bei schwerer Erkrankung werden systemische Kortikosteroide mit mehr als 1 mg Prednisolonäquivalent/kg Körpergewicht (KG) eingesetzt. Diese wirken schnell und zuverlässig, zeigen jedoch bei wiederholter und längerer Anwendung bei dieser chronischen Erkrankung die klassischen, nicht tolerablen Wirkungen einer protrahierten Steroidanwendung wie Stoffwechselstörungen, Osteoporose, arterielle Hypertonie und erhöhte Infektneigung. Auch für Methotrexat ist eine gute Wirksamkeit beschrieben. Es sollte initial in einer Dosierung von 15 mg einmal pro Woche subkutan oder intravenös verabreicht werden. Ciclosporin als T-Zell-modulierende Substanz ist für die schwere Psoriasis zugelassen und im akuten Fall einer GPP in einer Dosierung von bis zu 5 mg/kg KG einsetzbar. Vorteile sind der schnelle Wirkungseintritt und eine gute Steuerbarkeit, eingeschränkt ist jedoch die fortgesetzte Einnahme angesichts der nephrotoxischen und hypertensiven Eigenschaften. Das Vitamin-A-Derivat Acitretin mit 0,5 mg/kg KG allein oder in Kombination mit PUVA als Re-PUVA hat bei der GPP eine wichtige Indikation – bei insgesamt nur noch wenigen in der Dermatologie.

Biologika im Off-Label-Use

Verschiedene Biologika aus der Gruppe der IL-17- und IL-23-Blocker sind in Japan zugelassen, ihr ­Einsatz in Deutschland jedoch immer noch off-­­label [22]. Im Einzelfall muss eine Beantragung bei der Krankenkasse erfolgen, was jedoch einen erheblichen Zeitverzug in einer akuten Notsituation bedeutet.

Die Wirksamkeit von TNF-Blockern, vor allem von Adalimumab und Infliximab, ist bei der GPP kasuistisch und in kleinen Fallserien beschrieben. Andererseits kann es jedoch auch zu sogenannten paradoxen Reaktion kommen, d. h. dem erstmaligen Auftreten von pustulösen Manifestationen.

Erste Zulassung eines spezifischen Biologikums

Das erste für die GPP zugelassene spezifische Medikament ist Spesolimab, ein humanisierter monoklonaler IgG1-Antikörper gegen den IL-36-Rezeptor [23-25]. Er wurde in verschiedenen Studien hinsichtlich seiner Wirksamkeit und Verträglichkeit untersucht. In einer Proof-of-Concept-Studie zeigte die einmalige intravenöse Infusion von 10 mg/kg KG bei 7 Patienten ein schnelles Abklingen der Pusteln. In der nachfolgenden Phase-II-Studie führten 900 mg einmalig i. v. versus Placebo zu einem GPPGA-Score von 0 bei mehr als 50 % der Patienten. Hinsichtlich der Verträglichkeit wurden selten Infektionen, leichte bis mittelschwere Reaktionen an den Injektionsstellen sowie Juckreiz beschrieben. Anti-Drug-Antibodies scheinen keinen Einfluss auf die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Spesolimab zu haben. Seit Dezember 2022 ist es zur Behandlung von Schüben bei erwachsenen Patienten mit GPP als Monotherapie zugelassen. Die empfohlene Einmalgabe von 900 mg i. v. kann bei persistierender Symptomatik durch weitere 900 mg nach einer Woche ergänzt werden.

// Ausblick

Die GPP ist eine seltene, jedoch vielfach hochakute und lebensbedrohliche pustulöse Hauterkrankung. Die Diagnose ist meist klinisch klar, wenn auch die differenzialdiagnostische Abgrenzung von der AGEP immer wieder Probleme bereitet. Die bisher zur Verfügung stehenden Therapieansätze des akuten Krankheitsbildes und des chronischen Verlaufes waren eingeschränkt, eine erste spezifische Zulassung wie auch weitere in klinischen Studien befindliche Wirkstoffe lassen auf bessere Behandlungsmöglichkeiten in naher Zukunft hoffen.

Der Autor

Prof. Dr. med. Michael Sticherling
Stellv. Klinikdirektor und Leitender Oberarzt,
Leiter des Psoriasis-Zentrums
Hautklinik
Universitätsklinikum Erlangen
91054 Erlangen

michael.sticherling@uk-erlangen.de

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Bildnachweis: StudioM1 (gettyimages); privat

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